Kaiserslautern Elvis im Nacken

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Trotz spätherbstlicher Temperaturen kamen am Mittwochabend wieder etliche Hundert Besucher zum „Sommer Swing“ in den Volkspark, um mit der Stefan Kahne Band aus der Vorderpfalz die wilden 1950er und 1960er Jahre wiederaufleben zu lassen. Rock’n’Roll war angesagt.

Wohl die meisten Besucher an diesem Abend wurden mit dem Rock’n’Roll groß. Das war die Musik ihrer Jugendzeit. So kamen bei vielen Hörern Erinnerungen hoch: an die erste Liebe, den ersten Kuss, die Petticoats. Der Rock’n’Roll wirkte da wie ein Dampfkessel auf die Jugend, schlug ein wie eine Bombe. Durch den neuen, wilden Rhythmus, die Intonation und die raue Phrasierung weichte er die seichte, verlogene Schlagertradition nicht nur auf, er wischte sie völlig beiseite. Das Publikum merkte auf Anhieb den Unterschied, hörte, wer es aufrichtig meinte und wer nicht. Für die ältere Generation hingegen wirkte diese vitale und körperbetonte Musik von den neuen Stars wie Elvis Presley, Bill Haley, Chuck Berry, Little Richard oder Buddy Holly ungeschliffen, primitiv. Elvis war für sie „der Alptraum des schlechten Geschmacks“ mit seiner „aufdringlichen Barbarei“. Die jungen Leute hingegen, die Angehörigen der „geschlagenen Beat-Generation“ sahen sich ihren Rock’n’Rollern verwandt. Sie protestierten damit gegen die Uniformierung der Persönlichkeit, der Kultur und des Alltagslebens, gegen die Jagd nach materiellem Wohlstand und gegen das satte, selbstzufriedene Leben der von ihnen verachteten „quadratschädligen“ Spießer. Sie empörten sich gegen die Verlogenheit der bürgerlichen Moral. Solchen tiefschürfenden Gedanken hingen die Zuhörer vermutlich nicht nach. Sie erfreuten sich an den mitreißenden Rhythmen der Stefan Kahne Band, die hauptsächlich wegen des kratzig-rauchigen Gesangs des Bandleaders und des akzentuierten Gitarrenspiels fesselte. Das war ein Gitarren-lastiger Rock’n’Roll, in dessen süßem Feuer Elemente der Gospel- und Country-Musik sowie des Rhythm & Blues zusammenflossen. Bei Songs wie „Apache“, „Blue Suede Shoes“, Fats Dominos „Blue Berry Hill“ oder Ray Charles„ „I Got A Woman“ bestachen Stefan und Udo Kahne mit einem Wechselspiel zwischen gedehnten Klängen und scharfkantigen Splittern. Da fielen die Noten bei ihrem rasant perkussiven Spiel wie Kaskaden klarer Wassertropfen herunter, wozu sich Chris Linder mit einem pulsenden Bass anschloss und Reinhold Posse einen komplexen Rhythmusteppich lieferte. Die Songs zogen nach vorne, als säßen ihnen Little Richard und Elvis Presley tatsächlich im Nacken, stolperten doch nie über ihre eigenen Füße und blieben so stark tanzbar, dass man nicht umhinkam, seine Gliedmaßen zu schütteln. Wenn dann noch „Christel“ Linder auf seinem Saxophon seinen eigenen Eintopf kochte, entflammten die fünf Pyrotechniker einen mitreißenden Rock. Als sie dann noch mit „Teddy Bear“ von Elvis Presley und „Roll Over Beethoven“ auftrumpften, stieg die Stimmung auf den Höhepunkt. Da konnte der Rossbändiger auf dem nahen Denkmal sein aufbäumendes Pferd nur noch mit Mühe im Zaum halten. In solchen Momenten zeigten sich aber auch die Grenzen dieser Cover-Band. Presleys Stimme ist nun mal unverwechselbar. Die lässt sich nicht imitieren. Und die Frische und das Freche der Originale erreichten sie nun doch nicht ganz. Auf der Strecke blieben dann oft die Ecken und Kanten. Eine samtige Soulnummer zwischendrin wäre besser gewesen, als alles mit allem zu verheiraten. Das juckte aber die Hörer nicht. Etliche tanzten da fleißig vor der Bühne. Sogar in authentischer Rock’n’Roll-Kleidung zeigte sich ein Paar, die Dame mit rot-weiß gepunktetem Glockenrock und der Herr ganz in Schwarz, mit breiten, weißen Hosenträgern.

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