Kaiserslautern „Familienarbeit muss anerkannt werden“

Spürt bedingungslosen Rückhalt durch die Familie: Schulleiterin Eva Wenzel-Staudt.
Spürt bedingungslosen Rückhalt durch die Familie: Schulleiterin Eva Wenzel-Staudt.

Eva Wenzel-Staudt ist seit 2011 Schulleiterin am Albert-Schweitzer-Gymnasium, vorher war sie an einer katholischen Privatschule im Saarland tätig. Am Heinrich-Heine-Gymnasium hat die Mutter von drei Kindern die erste Schule für Hochbegabtenförderung / Internationale Schule in Rheinland-Pfalz mit aufgebaut. Mit dem „Marktplatz Kaiserslautern“ hat die 53-Jährige über die Mehrfachbelastung und die heutige Bedeutung von Emanzipation gesprochen.

Frau Wenzel-Staudt, was bedeutet für Sie persönlich Emanzipation?

Emanzipation ist eine Geisteshaltung. Für mich bedeutet sie die Freiheit, den Lebensentwurf zu leben, den ich für mich wähle. Das heißt, frei sein von gesellschaftlichen Zwängen, sich nicht in ein Schema pressen zu lassen und den Beruf zu ergreifen, den ich möchte. Bildung ist ein ganz wesentlicher Schlüssel dafür sein Leben selbstbestimmt gestalten zu können. Ich bin als drittjüngste von vier Schwestern in einem saarländischen Dorf aufgewachsen. Meine Eltern gehörten zur Kriegsgeneration und aufgrund dieser einschneidenden Lebenserfahrung war es für sie sehr wichtig, dass alle ihre Töchter eine gute Ausbildung erhielten. Es war für sie selbstverständlich, dass die Mädchen Abitur machen und studieren. Mussten Sie in ihrem beruflichen Werdegang mehr kämpfen als Männer? Ich hatte schon an der Universität Menschen, die mich gefördert und gefordert haben. Da habe ich gelernt, sehr diszipliniert zu sein und immer zu versuchen, mein Bestes zu geben. Meine strengste Mentorin war übrigens eine Frau, die selbst erfahren hat, wie schwierig es ist, in der nach wie vor von Männern dominierten universitären Welt, seinen Platz als Professorin zu behaupten. Während meiner Zeit am Heinrich-Heine-Gymnasium hat mich der Schulleiter Dr. Becker unterstützt. Er was so etwas wie ein Mentor für mich. Wichtig für meinen beruflichen Werdegang war daneben natürlich ein gut funktionierendes Netzwerk, um Familie und Beruf vereinbaren zu können. Es gibt immer wieder unvorhergesehene Situationen, die nur mit externer Unterstützung aufzufangen sind. Die wichtigste Stütze waren immer meine Eltern, sie waren immer sofort da, wenn die Kinderfrau oder der Au-pair-boy verhindert waren. Natürlich wäre mein berufliches Engagement nicht möglich ohne den bedingungslosen Rückhalt meines Mannes und meiner drei Kinder. Ist die Emanzipation der Frauen aus Ihrer Sicht abgeschlossen? Sind Frauen und Männer inzwischen gleichberechtigt? Die Gleichberechtigung ist gesellschaftlich immer noch nicht vollständig durchgesetzt. Die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern ist hier nur ein Thema von vielen. Ein anderes großes Thema in unserer Gesellschaft ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. So gibt es beispielsweise keine echte Gleichberechtigung, wenn der Mann zu Hause bei den Kindern bleibt, sich um deren Erziehung und um den Haushalt kümmert. Dieses familiäre Engagement der Männer ist in vielen Berufen noch nicht anerkannt. Dabei ist meiner Meinung nach Erziehungsarbeit nicht nur eine mitunter sehr schwierige Aufgabe, sondern gute Erziehungsarbeit ist eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Daher ist es unabdingbar notwendig, dass Familienarbeit genauso anerkannt wird wie Arbeit außer Haus. Jede Frau /jeder Mann sollte hier ein eigenes Lebensmodell wählen können ohne gesellschaftliche oder berufliche Nachteile zu haben. Wie wird am Albert-Schweitzer-Gymnasium die Emanzipation gefördert? Wir versuchen natürlich selbst Vorbilder zu sein für Mädchen und Jungen gleichermaßen. So bemühen wir uns bei der Unterrichtsorganisation um gelingende Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Vielleicht ist das mit ein Grund dafür, dass immer mehr junge Väter Elternzeit in Anspruch nehmen. Wenn morgens das Kind in den Kindergarten gebracht werden muss, versuchen wir den Stundenplan entsprechend zu gestalten. In der Schule konzentriert sich die feste Arbeitszeit auf den Vormittag. Die für die Vor- und Nachbereitung benötigte Arbeitszeit kann flexibel gestaltet werden. Dennoch können wir ein gutes Netzwerk nicht ersetzen. Gibt es spezielle Projekte wie eine gesonderte Förderung von Mädchen in Naturwissenschaften oder einen Girlsday? Die Schwerpunkte des Albert-Schweitzer-Gymnasiums decken eine große Palette von Förder- und Fordermöglichkeiten für Mädchen ab; dies reicht vom Schwerpunkt KOMET, über den MINT-Bereich und den altsprachlichen und neusprachlichen Schwerpunkt über den künstlerisch-kreativen sowie den sozial-karitativen Bereich bis hin zu politischen und wirtschaftlichen Projekten. Darüber hinaus gibt es keine weiteren speziellen Fördermöglichkeiten für Mädchen. Bei einem Anteil von 60 Prozent Mädchen wird eher der Ruf nach Jungenförderung laut. Wir versuchen, ein breites Angebot an geschlechtsneutralen Projekten anzubieten. Beim Mathewettbewerb beispielsweise sind sowohl Mädchen als auch Jungen sehr erfolgreich. Auch bei der Berufsmesse achten wir auf ein Gleichgewicht bei den angebotenen Berufsfeldern. Frauen haben zwar heute mehr berufliche Chancen als früher. In Führungspositionen sind aber immer noch weit weniger Frauen als Männer zu finden. Woran liegt das? Sind die Frauen selbst schuld daran? In vielen Bereichen liegt die geringe Frauendichte in der Führungsetage sicherlich in den strukturellen Gegebenheiten, die sich nur sehr langsam verändern und für Frauen verbessern. Ein Aspekt ist hier sicherlich nach wie vor die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sich Frauen oft weniger zutrauen als Männer. Daher brauchen Frauen Vorbilder, an denen sie sich orientieren können. Sehr hilfreich ist ein förderliches Umfeld, das den schlummernden Potenzialen der Frauen Raum und Gelegenheit gibt, sich auszuprobieren und ihnen bei Misserfolgen konstruktiv zur Seite steht. Die Basis zu alledem ist eine solide Bildung. Macht für Sie die Einführung einer Frauenquote Sinn? Von einer Frauenquote halte ich persönlich nichts. Sie birgt die Gefahr in sich, dass jede Frau, die ihre Führungsposition aufgrund einer Quote erhalten hat, sich rechtfertigen muss und ihre Leistungen in viel stärkerem Maße im Fokus stehen und schärfer und schneller kritisiert werden als die der Kollegen. Jede Position sollte ausschließlich mit dem am besten qualifizierten Menschen besetzt werden, unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Religion.

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