Kaiserslautern Forum auf Zeit

Welche Kraft haben Bilder und Worte heute? Mit dieser Frage beschäftigte sich das 99. Kunst(früh)stück des Museums Pfalzgalerie (mpk), das am Sonntagmorgen erstmals einen externen Kunstraum aufsuchte: die Wanderausstellung „Schirm“ von Judith Räder in der Stiftskirche.

Wie bereits berichtet, visualisierten seit Anfang Mai drei Arbeiten der Künstlerin Judith Röder die Ausstellungsreihe „Bild Wort Bild“ anlässlich der Reformationsdekade Martin Luthers: hängend Schirm I – Video, stehend Schirm II – Lichtpunkte und drittens auf Sockeln sowie unter Glaskuben die beiden Glasgebilde Katalyse I und II. Am Sonntag, dem letzten Tag der Exponate am Ort, gastierte dort die mpk-Reihe Kunst(früh)stück und zelebrierte eine denkwürdige Finissage. Denkwürdig, weil „Unser täglich Brot“ das Hauptwerk des anschließenden Frühstückens ausmachte. Denkwürdig auch bezüglich des Anteils Kunst, der Röders Werke nochmals – und diesmal in Form eines Künstler-Trialoges – in ihrer Stofflichkeit, Anfertigung, Deutsamkeit und Assoziation thematisierte. Die Gesprächsteilnehmer waren die Künstlerin, die Kunstbeauftragte der evangelischen Landeskirche Pfalz, Birgit Weindl, sowie die Kunsthistorikerin Annette Reich (mpk). Eine rege Teilhabe des Publikums kam wunschgemäß hinzu. Ein Aspekt der Unterhaltung betraf den religiösen Bilderstreit beziehungsweise den reformatorischen Bildersturm zwischen einem Erkaufen des Himmels mit Heiligenbildern einerseits und Götzendienst andererseits. Es ging darum, ob überhaupt Bilder – und wenn ja, wie weit und zu welchem Zweck – Religion und Glauben untermauern. Bekanntermaßen lagen die Ursprünge des Zwistes in der Reformationszeit des 16. Jahrhunderts, die von den Schweizern Calvin und Zwingli mit beeinflusst worden waren. Herausgestellt wurde unter anderem, dass die menschlich verankerte Neigung „sich ein Bild zu machen“ im Umkehrschluss imstande ist, visualisiertes Denken in Form bildender Kunstwerke von der vorbestimmten Religiosität eines Ortes vehement zu vereinnahmen. Das heißt, es gibt kaum einen Gegenstand, etwa in einem Gotteshaus, welcher nicht auf Glaubensinterpretationen hin abgeklopft werde. Kunst davon freizuhalten, wurde zum energischen Imperativ Röders: „Kunst ist zunächst mal in sich schlüssig, also auch frei von theologischer Indoktrination, sofern es Kunst ist.“ Dass Werke dennoch Gotteshäuser als Forum auf Zeit nutzen können, untermauert diese Kernaussage sogar. Das zeigte insbesondere Röders dreiteilige „Schirm“-Installation, die es so manchem Besucher schwer machte, etwas damit anfangen zu können. Die frei geäußerten Erlebnisse dazu erheiterten den Trialog ebenso wie sie die Gespräche beeinflussten. Weindl: „Wir reden hier nicht von einer Ausstellung. Wir sagen Ergänzung.“ Und Reich fügte an: „Tatsächlich verändert der Ort die Wahrnehmung einer Arbeit. Dort der ,White Cube’ eines Museums, hier vorhandene Architektur, vorhandene Symbole, massive Größendimensionen.“ Die Herausforderung heißt hier: jeder Künstler weiß von dieser Wirkung. Je eigenständiger sich Kunst darstellt und gebärdet, umso anregender orientiert und irritiert sie. Prinzipiell gelten derlei Gedanken und Fakten ebenso für die nun noch zwei folgenden Künstler der Reihe „Bild Wort Bild“ innerhalb des Themenjahres „Bild und Bibel“: Ab 12. Juli zeigt Waltraud Munz ihre mit „Plan“ titulierten Arbeiten, ab 11. Oktober kommt Klaus Schneider mit „Fake“ in die Stiftskirche.

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