Kaiserslautern Gänsehaut im Wohnzimmer

Unterhält das Publikum mit Gesang und Geschichten: Stephan Flesch (vorne), hier mit Sven Sommer.
Unterhält das Publikum mit Gesang und Geschichten: Stephan Flesch (vorne), hier mit Sven Sommer.

Warten auf den Osterhasen? Nein, es sollte keine Kopie der über 30-jährigen Erfolgsgeschichte der „Warten aufs Christkind“-Reihe von Stephan Flesch sein. Umso größer war die Neugier der bunt gemischten Besucherschar auf den Auftritt des Lauterer Barden am Samstagabend im SWR-Studio.

Ausverkauft und voll besetzt, der Künstler kann sich glücklich schätzen. Im Vorbeigehen lässt sich im O-Ton von Konzertgästen vernehmen: „Ich her den ääfach gern!“ Ja, so einfach ist das. Dieser Stephan Flesch hat das gewisse Etwas in seiner warmen voluminösen Stimme, was die Menschen anzieht, sie begeistert. Unprätentiös, wie der brave Junge von nebenan, betritt er die große Bühne. Nach kurzer Begrüßung folgt der Alleingang mit Gitarre, und schon im allerersten Refrain („Englishman in New York“) singt das Publikum mit. Zack, der zweite Refrain und alle klatschen. Was soll man sagen – andere Bühnenkünstler brauchen erst mal eine Handvoll Songs um das Publikum zu überzeugen. Dieser hier nicht. Flesch betont, dass die Songauswahl an diesem Abend ganz bewusst ein wilder Mix werden wird. Mit jedem weiteren Song werden neue Mitmusiker auf der Bühne begrüßt. Elmar Federkeil alias „Das Tier“ in bravem Anzug am stark reduzierten Drumset, denn es soll ja möglichst akustisch bleiben. Sven Sommer bedient die akustische Bassgitarre souverän und „verkehrt herum“, weil Linkshänder. Er verleiht dem souligen „Lovely Day“ (Bill Withers) den richtigen Drive. Und zu dem wohlbekannter Basslauf steigt der ganze Saal direkt und bereitwillig als Rhythmusgruppe ein. Die Interpretation des Songs mit „angezogener Handbremse“ nutzt Flesch mit ganz viel Atem und Vibrato an den richtigen Passagen gnadenlos aus. Das sind genau die Momente, die beim Publikum für Gänsehaut sorgen – dafür lieben sie ihn. Gitarrist und Sänger Michael Halberstadt ergänzt die Combo lässig entspannt und gibt den „Rocket Man“ (Elton John) im Duett. Er ist laut Flesch „ein Sandkastenfreund aus der ersten Klasse“. Als nächstes folgt Freundin Alexandra Maas mit Akkordeon. Zu den besungenen „True Colours“ (Cindy Lauper) bringt sie die passend stimmungsvolle Klangfarbe zu der von Halberstadt im Fingerstyle gezupften herrlichen Ballade. An diesem Abend beweist Stephan Flesch seine unwiderstehlichen Entertainer-Qualitäten, nicht nur als Sänger. Damit gelingt es ihm den ehrfürchtigen Konzertsaal zum überdimensionalen lockeren Wohnzimmerkonzert umzufunktionieren: hautnah, auch wenn man vielleicht weit weg sitzt. Seine Geschichten versprühen Authentizität, wenn er zum Beispiel über seinen ersten bezahlten Auftritt mit 16 Jahren im ehemaligen Waschbrett parliert. Oder Anekdoten zum Besten gibt, die er mit herrlich amüsanten Sprüchen und verbalem Schlagabtausch mit Elmar garniert. Als weit gereister Gast an diesem Abend betritt Musical-Sänger und Regisseur Cush Jung die Bühne und intoniert einen französischen Chanson. Eine glänzende Überraschung ist das kurze Duett aus dem Musical „My Fair Lady“. Flesch singt die englische und Jung die deutsche Version; letztere klingt stellenweise gar ein wenig nach Roger Cicero. Herrlich! Der Freundeskreis wird vervollständigt von Isabel Fuchs. Da fliegt zunächst „Valerie“ sauber intoniert, mit leicht kratzigem Timbre an der richtigen Stelle, durch den Saal. Die Pause wird mit gemeinsamen „Rudelsingen“ dank Textflyer eingeläutet. Danach kommt Stephan Flesch noch mehr aus der Reserve, lässt hier aber seinen Musikern und Freunden gleichzeitig auch reichlich Gestaltungsraum. Bei stimmgewaltigen Passagen geht manchmal leider die Gitarrenbegleitung etwas unter. Aber der Sound und das Klangerlebnis insgesamt überzeugen. Einzig die spartanisch eingesetzte Zweitstimme aus der Elektronikbox wäre vollends verzichtbar in Anbetracht der tollen Begleitstimmen der beteiligten Musikerfreunde. Beethovens neunte Sinfonie „Freude schöner Götterfunkeln“ erreicht hier als Gospel die Ohren. Ein Höhepunkt ist sicher auch das Duett „Shallow“ mit Isabel Fuchs. Das genial einfache Fingerpicking verfehlt seine Wirkung nicht, und die Sängerin begeistert mit Klangfarbe und Ausdrucksstärke. Der Konzertabend endet mit einem Wahnsinnsecho zu Fleschs Stimmorkan bei „In The Air Tonight“ von Phil Collins. Eine gut gemachte Mischung und eben keines der üblichen Cover-Konzerte. Stilmix, Geschichten und die musikalischen Gäste waren die trefflichen Zutaten. Mit weiteren drei Zugaben verabschieden sich die Musikerfreunde an diesem gelungenen Abend.

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