Kaiserslautern Ganz schön böse

Wenig Farbe und kaum Schärfe, viel Abgründiges und jede Menge Bösartiges, hier ein Terrorist und dort ein Psycho. Bis 16. August präsentiert der Kunstverein Worms zusammen mit den Nibelungen-Festspielen Gemälde und Gedrucktes des Münchner Künstlers Florian Süssmayr. Und die bieten viel Raum für Interpretationen.

Bei den Nibelungen-Festspielen in Worms geht’s dieses Mal um „Gemetzel“. So heißt das Stück von Albert Ostermaier, in dem die Nibelungen-Geschichte aus Sicht von Ortlieb erzählt wird, des Sohnes von Kriemhild und dem Hunnenkönig Etzel. Im Kunstverein dreht’s sich jedoch nicht um Siegfried und Co. Vielmehr hat sich der Maler Florian Süssmayr, Jahrgang 63, vom Titel der Festspiel-Inszenierung leiten lassen. Von Gemetzel also. Doch Blut oder Gewaltorgien muss man lange suchen. Bei Süssmayr kommt das Böse ziemlich subtil daher. Für die Ausstellung „Beirut, Jonestown, Beverly Hills u. a.“ hat der Künstler Bilder aus seinem „Fundus“, wie er sagt, ausgesucht, die thematisch zur Inszenierung passen. Kleine und große, günstige und teure, gemalte und gedruckte, scharfe und unscharfe, alte und neue. Alle erzählen sie von Gewalt, von Tätern und Opfern, von guten alten und schlechten neuen Zeiten, von Qual, von Sehnsucht. Süssmayrs „nette“ Bilder mit Biertischen, Ballsportfans und leeren Fußballarenen – 2001 hat er auch mal den „Betze“ gemalt – sind zu Hause in München geblieben. Florian Süssmayr, der zu Punk-Zeiten eine eigene Band namens Lorenz Lorenz hatte, schon mal Filme gedreht und als experimenteller Fotograf gearbeitet hat, wirkt gar nicht so düster wie viele seiner Bilder, die er seit 1997 malt. Hemd weit aufgeknöpft, im Ausschnitt eine schwarze Sonnenbrille, lässige Jeans. Eigentlich, so sagt er mit tiefer Stimme, bayerischem Akzent und ziemlich leise, wollte er in Worms ja nur seine Beirut-Serie zeigen. Aber jetzt hängen im Kunstverein nur zwei, drei Werke davon. „Weil der Raum hier andere Bilder braucht.“ Also suchte er nach weiteren „bösartig aussehenden Bildern“. Und die sind ab 1999 gemalt worden und kosten zwischen 500 und 18.000 Euro. Nur zwei der ausgestellten Bilder seien erst vor Kurzem entstanden, zum Beispiel die Arbeit „Mit dieser Bierflasche“. Wie ein vergrößertes Foto samt Bildtext aus einer Zeitung wirkt das Werk. Zu sehen ein Tisch mit etlichen Schälchen, einem Tablett mit etwas Essbarem, einer Flasche, alles in Siebdruck-Optik mit dem vertrauten Punktmuster. Zu lesen: „Mit dieser Bierflasche terrorisierten die jungen Frauen den Nachbarn.“ Der Krieg vor der Haustür. Daneben hängt ein Teppich, nicht geknüpft, sondern gemalt. Auf der 1,50 auf 1,20 Meter großen Leinwand will man Hubschrauber erkennen, Handgranaten, Panzer und sonstige bösen Sachen. Ein Sinnbild für die Gemetzel unserer Zeit – nicht nur in Jonestown in Guyana, 1978 bekannt geworden durch den Massensuizid einer amerikanischen Sekte, oder in Beverly Hills, wo 1969 Sharon Tate von der Satanisten-Sekte des Charles Manson ermordet wurde, sondern auch in Beirut. Dort, in der Hauptstadt des Libanon, war Süssmayr vor 20 Jahren drei Monate lang. Dort hat er dokumentiert, viele Fotos geknipst – Grundlage für seine Malerei. Er sei „beeindruckt“ gewesen von der Zerstörung Beiruts, sagt er. Beeindruckt ist man auch von den wenig farbenfrohen Resultaten, die hier und da apokalyptische Stimmung verbreiten. Kein Mensch weit und breit ist da zu sehen, nur riesige Hotels von außen. Sind da Gäste drin? Sind sie verlassen? Geht vor dem „Holiday Inn“ vielleicht gleich eine Bombe hoch? Und ist das hinter den Palmen, die auf einem anderen Bild zu sehen sind, ein romantischer Sonnenuntergang? Oder vielleicht doch eine folgenschwere Explosion? Auf einem großen Druck, mit zwei Pins an der Wand befestigt, zieht ein junger Mann sein T-Shirt hoch, präsentiert seinen Oberkörper – überall Schnittwunden. Ebenfalls verwundet ist das Werk „Psycho“. In die Oberfläche hat Süssmayr Wörter gekratzt: „Arschloch“ und „Penner“. Lässt man sich von den in die Ölfarbschicht geritzten Beschimpfungen nicht ablenken, erkennt man die Silhouette einer Person, die hinter einem Vorhang steht und nach draußen zu blicken scheint. Was sieht sie? Plant sie einen perfiden Anschlag? Blickt sie auf eines der Gebäude, die nur wenige Schritte weiter im Nebenraum des Kunstvereins hängen? „In diesem Haus ...“ lautet der Titel jenes Bildes, das eine triste Hausfassade zeigt und wegen des „unscharfen“ Malstils stark an Gerhard Richter erinnert. Ein Pfeil zeigt auf ein Fenster im vierten Stockwerk. Wohnt er dort oben, der Terrorist? Das Opfer? Süssmayrs Arbeiten lassen viel Raum für Interpretationen, zum Nachdenken. Und das findet er gut, wie er sagt. Auch wenn er am liebsten die Bilder mag, „bei denen man gar nicht malen können muss“. Dann dürfte dem Künstler vor allem jenes große Gemälde gefallen, das am Eingang hängt. „Du hättest nicht hierher kommen sollen“ steht am unteren Bildrand. Es zeigt ein Meer. Oder Wolken. Vielleicht ein Wolkenmeer. Oder doch ein Leichenhaufen. Würde man nicht in den Wormser Kunstverein kommen – man würde es bereuen. Die Ausstellung Florian Süssmayr, „Beirut, Jonestown, Beverly Hills u. a.“, bis 16. August im Kunstverein Worms, Renzstraße 7-9, mittwochs 18 bis 20 Uhr, freitags bis sonntags 15 bis 18 Uhr.

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