Kaiserslautern Gustav Herzog: „Ich bin ein neugieriger Mensch“

Urlaub heißt für ihn, keinen Wecker stellen zu müssen, aber trotzdem meist um 6 Uhr wach zu sein: der Bundestagsabgeordnete Gust
Urlaub heißt für ihn, keinen Wecker stellen zu müssen, aber trotzdem meist um 6 Uhr wach zu sein: der Bundestagsabgeordnete Gustav Herzog (links) mit RHEINPFALZ-Redakteur Andreas Sebald.

Sommerinterview: Eigentlich hat Gustav Herzog Urlaub. Aber ein Bundestagsabgeordneter, der daheim ist, ist immer im Dienst. Zudem bereitet der Sozialdemokrat gerade seine fünfwöchige Sommertour durch den Wahlkreis vor. Mit Andreas Sebald hat er über Digitalisierung, Andrea Nahles und Horst Seehofer gesprochen.

Herr Herzog, eigentlich befinden Sie sich momentan im Urlaub ...

Ja. Ich habe Urlaub und bin zu Hause. Seit einem Jahr etwa, also seit der Bundestagswahlkampf angefangen hatte, hatte ich kaum Zeit, daheim was zu machen. Ich bin also gerade dabei, die Hecken zu schneiden, den Keller aufzuräumen, die Garage zu ordnen. Abends kann ich dann auch mal mit meiner Frau, die hervorragend kocht, auf der Terrasse beim Abendessen sitzen. Dass ich Urlaub habe, merke ich auch immer daran, dass ich keinen Wecker stellen muss. Aber ich werde auch so meistens um 6 Uhr wach. Und dann machen Sie was? Tasse Kaffee und die RHEINPFALZ lesen. Anschließend gehe ich joggen, dann wird gefrühstückt und dann ist meist auch schon der Pressedienst des Bundestages verfügbar. Inwiefern können Sie von Urlaub sprechen, wenn Sie in Ihrem Wahlkreis unterwegs sind. Können Sie da eigentlich privat sein? Das muss man lernen. Ich bin beim Einkaufen schon mal gefragt worden, bis wann eine bestimmte Straße fertiggestellt sein wird. Ich hatte die Info parat, bis auf ein Detail. Ich habe dann zum Handy gegriffen und den zuständigen Mann beim Landesbetrieb Mobilität angerufen, konnte dann gut Auskunft geben. In der Zwischenzeit sind dann die Leute an der Kasse an uns vorbeigezogen. Man muss lernen, damit umzugehen. Ich gebe auch mal ein Visitenkärtchen weiter mit der Bitte, die Anfrage doch am Montag noch mal an mich zu richten. Wenn Sie heute angesprochen werden, was wollen dann die Menschen von Ihnen wissen? Wann die Schaukämpfe in Berlin endlich aufhören! Nach der Bundestagswahl war die Lage eigentlich klar, bis dann die FDP aus der Verantwortung geflüchtet ist. Daraufhin haben wir uns bei der SPD intensiv mit der Frage der Großen Koalition befasst, was schließlich auch in der zweiten Mitgliederbefragung gemündet ist. Anfang März ging die Regierungsarbeit endlich richtig los, bis etwa vor vier Wochen. Wochenlang hat der Konflikt Merkel/Seehofer vieles überlagert. Auch die Themen, die wirklich bewegen und interessant sind. Und die wären? Aus Ihrer Sicht? Rente, Arbeit, Digitalisierung … Bleiben wir einen Moment bei der Digitalisierung. Das ist ja in Berlin auch eines Ihrer Themen. Ja. Mit dem Bundesverkehrswegeplan habe ich in der vergangenen Legislaturperiode mein Meisterstück gemacht. Nun war es der Wunsch der Fraktion, dass ich mich mehr ums Digitale kümmern soll, auch, weil der Berichterstatter in der Fraktion zu diesem Thema nicht mehr wiedergewählt worden ist. Nach dem Bundesverkehrswegeplan dachte ich mir, was soll noch kommen (lacht). Also habe ich mir gesagt, auf, zu neuen Ufern. Und: Die Digitale Versorgung hat ja auch was mit Infrastruktur zu tun, genauso wie der Straßenbau. Und mit Mobilität. Aber da geht es nicht um Personen und Güter, sondern um Daten. Es ist ein großes Thema … Ich muss zugeben, dass es da bei mir zu einer Neuausrichtung des Kompasses kam. Ich war im Wahlkampf sehr euphorisch, was das Thema anbelangt. Ich habe dann aber gemerkt, dass viele Menschen dem Thema mit Nachdenklichkeit und Ängsten gegenüber treten. Es wird zu Veränderungen am Arbeitsplatz kommen durch die Digitalisierung. Dabei müssen die Betriebsräte mitgenommen werden, es müssen auch Aus- und Weiterbildungen angeboten werden. Das Thema muss als Angebot attraktiv sein, es sollte nicht mit Druck und Zwang passieren. Außerdem muss klar sein, was mit den Daten gemacht werden darf, die die Benutzer von sich preisgeben. Da muss eine Anonymisierung stattfinden. Und: Es geht um die Gleichwertigkeit der Versorgung. Es darf keine weißen Flecken in der Versorgung geben. Genau. Ich kann mich erinnern, dass ich vor Jahren vom Ortsvorsteher in Mölschbach angesprochen wurde, die Versorgung mit schnellem Internet sei so schlecht. Was den Tatsachen entsprach. In Berlin war die Stadt Kaiserslautern dagegen kein Fördergebiet für den Ausbau. Das zeigte mir, dass das Instrumentarium, mit dem die Sache gesteuert wird, nicht feingliedrig genug ist. Man darf da nicht alles über einen Kamm scheren. Das war für mich ein Aha-Erlebnis. Man muss da sehr genau hinschauen. Welche Bedenken in Sachen Digitalisierung können Sie am besten nachvollziehen? Die Angst, dass der Arbeitsplatz wegfällt. Viele Arbeitnehmer fragen sich, kann ich dem standhalten, was da von mir verlangt wird? Man muss diese Fragen ernst nehmen. Die Digitalisierung der Arbeitswelt muss ein System sein, das sich selbst reflektiert. Im Austausch mit denen, die es betrifft. Also mit den Jugendlichen? Nein, es wird schneller gehen. Wer heute 40 ist, der wird sich in seinem Berufsleben noch auf einige Veränderungen einstellen müssen. Wie ist Ihre Erfahrung damit? Was hat sich für Sie als Abgeordneter in den vergangenen 20 Jahren verändert? Ich habe in meiner Zeit als Mitarbeiter des Abgeordneten Horst Sielaff noch Zeitungsartikel ausgeschnitten, aufgeklebt und verschickt. Ich wusste, dass ich damit bis 16 Uhr fertig sein muss, weil um halb fünf der Briefkasten geleert wurde. Am nächsten Tag wusste ich dann, dass er es vor 11 Uhr nicht gelesen haben kann, weil die Post erst um 10.30 Uhr kam. Viel schneller ging es dann, als die Faxe dazu kamen. Heute, in Zeiten des Smartphones, ist es ja noch mal schneller. Welchen Einfluss hat Ihr Smartphone auf Ihre Arbeit? Missen möchte ich es nicht. Aber ganz klar: Das Ding muss auch mal ausbleiben. Früher musste man, zum Arbeiten unterwegs, Aktenberge mitnehmen. Heute sind Daten bequem via Tablet und Smartphone abrufbar. Ich verbringe viel Zeit im Zug oder an Flughäfen. Die Zeit kann ich nutzen zum Arbeiten. Oder zum Schlafen. (lacht). Ich bin ja aber auch im Wahlkreis viel unterwegs, da brauche ich auch einiges an Informationen direkt am Mann. Außerdem haben auch alle meine Mitarbeiter Zugriff auf die Daten. So lässt es sich auch besser im Team arbeiten. Wie läuft die Arbeit im Team SPD-Fraktion? Das Team hat sich gut gefunden. Andrea Nahles ist eine gute Fraktionschefin. Das hat sie bisher bewiesen. Ich bin ja als Sprecher der Landesgruppe Rheinland-Pfalz, der sie auch angehört, auch gewissermaßen ihr Chef (lacht). Sie will Diskussionen innerhalb der Fraktion auch haben. Sie schafft es, das Gemeinschaftsgefühl der Fraktion zu stärken. Wir haben einen klaren Auftrag vom Wähler und kommen dem auch nach. Die andere Seite der Koalition tut sich damit etwas schwerer. Sie meinen den Streit der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit ihrem Innenminister Horst Seehofer (CSU)? Genau. Dabei hat sich der Streit an einem Thema hochgezogen, das bei den Wählern – und das ist nicht nur meine Meinung, sondern auch das von Meinungsforschern – gar nicht mehr hoch im Kurs stand. Die Themen Gesundheit und Altersarmut wiegen viel schwerer als das Thema Asyl. Bei der Auseinandersetzung hat, um noch einmal auf sie zurückzukommen, Andrea Nahles gesagt, dass es besser ist, Ruhe zu bewahren, nicht noch von unserer Seite aus Öl ins Feuer zu gießen. Ich glaube, dass erst am 14. Oktober richtig Ruhe einkehren wird. Dann liegen die Ergebnisse der Landtagswahlen in Bayern vor. Zurück zu Ihrer Fraktion. Wie läuft es da? Es läuft hervorragend. Ich bin zufrieden. Es wird auch geliefert. Nehmen wir als Beispiel den Plan von Arbeitsminister Hubertus Heil zum sozialen Arbeitsmarkt. Das werde ich auch auf meiner Sommertour im Wahlkreis aufgreifen, bei einem Gespräch mit dem Jobcenter und der Bundesagentur für Arbeit. Es ist immer gut, das, was in Berlin besprochen wird, vor Ort zu reflektieren, mit den Praktikern zu besprechen. Ihre Sommertour beginnt übernächsten Montag. Ihr Terminkalender für die fünf Wochen im Wahlkreis ist voll, wie ich sehe. Ich freue mich auf die Zeit. Das sind für mich immer sehr wichtige Begegnungen im Wahlkreis, die ich ganz bewusst angehe. Da sind die Haustürgespräche, das Marktfrühstück, Besuche bei Unternehmen. Das ist alles so anders als in Berlin. Auf was freuen Sie sich ganz besonders? Auf die Haustürgespräche. Warum? Weil ich da nicht weiß, was kommt. Ich weiß nicht, wer mir aufmacht, ich weiß nicht, ob ich denjenigen jetzt gerade bei der Gartenarbeit störe, oder ob er Zeit hat, mit mir zu reden. Ich bin immer noch ein neugieriger Mensch. Und ich bekomme in den Vier-Augen-Gesprächen auch ganz unverfälscht die Meinung der Leute zu hören. Was erwarten Sie? Wofür werden Sie Kritik ernten? Auch für Ihre Partei? (Überlegt) Ich glaube, das Thema soziale Gerechtigkeit ist nach wie vor wichtig für die Menschen. Und was die SPD dafür tut, damit diese auch besser wird. Damit verbunden ist das Thema Altersarmut. Und insbesondere im ländlichen Raum, und mein Wahlkreis ist überwiegend ländlich geprägt, kommt das Thema Chancengleichheit und Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Da geht es dann um Dinge wie die Erreichbarkeit von Apotheken, ärztliche Versorgung, ÖPNV, aber auch ums Einkaufen. Da gibt es keine einfachen Lösungen, die auf alles anwendbar sind. Was in einer Gemeinde funktioniert, klappt woanders vielleicht gar nicht. Und man darf nicht vergessen: Ich kann nicht auf der einen Seite im grünen Idyll leben und gegenüber ein Staatstheater haben wollen. Wie geht es für Sie nach den Wochen der Sommertour weiter? Der Haushalt 2019 steht an, dazu kommt die Versteigerung der Frequenzen für die Mobilfunkversorgung der 5. Generation, abgekürzt 5G. Das beschreibe ich immer gerne als die Heirat von Mobilfunk und Breitband, und der Trauzeuge heißt Glasfaser. Das wird der Standard bis ins Jahr 2040 werden, denke ich. 2040. Dann sind Sie aber wohl nicht mehr im Bundestag? Nein, das glaube ich nicht. Ich erfreue mich dann aber hoffentlich noch guter Gesundheit. Wie lange bleiben Sie noch Mitglied des Bundestages? Über 2021 hinaus? Sprich: Kandidieren Sie in drei Jahren noch mal für den Bundestag? Sie sehen mich voller Ideen, motiviert und voller Tatendrang. Beantwortet das Ihre Frage? (schmunzelt)

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