Kaiserslautern Internet-Phänomen in Kaiserslautern: Anzeige ist raus!

Niclas Matthei, alias der Anzeigenhauptmeister, streift durch die Straßen Deutschlands, um Parksünder ausfindig zu machen.
Niclas Matthei, alias der Anzeigenhauptmeister, streift durch die Straßen Deutschlands, um Parksünder ausfindig zu machen.

Immer auf der Jagd nach Falschparkern, immer auf der Suche nach abgelaufenen TÜV-Plaketten: Niclas Matthei, der selbst ernannte Anzeigenhauptmeister, will in jeder Gemeinde Deutschlands mindestens einen Verkehrssünder anschwärzen – auch in Kaiserslautern! Am Samstag streift der 18-Jährige erstmals durch die Straßen der Stadt. Eine nicht ganz ernst gemeinte Warnung an die fahrende Bevölkerung.

Obacht, ihr lieben Lautrer, der Anzeigenhauptmeister kommt! Richtig, der Mann, der Autofahrern deutschlandweit das Fürchten lehrt. Er, der wohl berüchtigtste Hilfssheriff der Nation, vor dem keine Straße sicher ist. Niclas Matthei, zarte 18 Jahre jung, wohnhaft in Gräfenhainichen, Sachsen-Anhalt, hat sich für Samstagabend in der „Nachtschicht“ angekündigt – wo er die Partymeute mit Selfies lockt, Knöllchen gegen Freigetränke einkassiert und schonungslos zur Alkoholkontrolle bittet. Aber keine Angst: „Blasen beim Meister, wer zu nüchtern ist, kriegt Shots!“, so wirbt der Disco-Betreiber auf seiner Homepage. Jeder soll auf seine Kosten kommen, natürlich ganz ohne Strafzettel.

Moment mal, Sie kennen den Anzeigenhauptmeister nicht? Na, dann lassen Sie uns dieses Phänomen der deutschen Social-Media-Kultur kurz erklären.

Niemand ist gefeit vor ihm, nicht einmal die Polizei

Zum Internet-Star wurde Niclas Matthei im Februar dieses Jahres, als ihm „Spiegel TV“ eine fast 18-minütige Reportage widmete. Man sah den Jungspund auf dem Rad durch sein Heimrevier cruisen, mit leuchtender Warnjacke und Helm, auf dem Gepäckträger den „POLIZFI“-Schriftzug – und es ließ sich beobachten, wie er in engen Gassen Parksünder anschwärzt. „Knöllchenfetischist“, so taufte ihn damals das Fernsehen. Niemand war gefeit vor Mattheis wachsamen Augen, nicht einmal die Polizei oder der eigene Nachbar.

Da stand er also, der selbst ernannte Anzeigenhauptmeister, zückte den Zollstock und knipste Falschparker, überschrittene Parkuhren oder abgelaufene TÜV-Plaketten – woraufhin ihn ein Herr vor laufenden Kameras zürnend mit den Worten bedachte: „Mach dich ab, du Vogel!“ Husch. Seitdem ist um den Burschen, der früher wohl täglich mit den 53 Paragrafen der Straßenverkehrsordnung (StVO) in den Schlaf gesungen wurde, ein wahrer Hype entbrannt. Warum er regelmäßig auf Streife gehe, ganz freiwillig, als Hobby sozusagen? Um das Gesetz durchzupeitschen, zementierte Matthei im Februar, „weil die Leute denken, sie können parken, wie sie wollen“. Nicht mit ihm! Ob er denn wenigstens mal ein Auge zudrücke, wurde der Regel-Wächter gefragt, zum Beispiel wenn sich jemand einsichtig zeige? Trocken entgegnete er: „Grundsätzlich nicht.“ Kein Erbarmen, kein Pardon. Wenn das Leben dir eine StVO gibt, dann sorge dafür, dass sie angewendet wird. Eine Mission.

Laut Matthei hat er dem Staat 141.000 gebracht

Nach eigenen Angaben hat der 18-Jährige allein im Jahr 2023 über 4000 Anzeigen erstattet und Vater Staat damit exakt 140.995 Euro erwirtschaftet. Als großes Ziel, sagt Matthei, habe er sich vorgenommen, in „jeder deutschen Gemeinde mindestens einen Falschparker“ zu melden. In Kaiserslautern war er noch nie.

Und jetzt? Worauf darf sich die Stadt am Samstag gefasst machen? Muss sie sich auf eine Flut von eingehenden Anzeigen vorbereiten? Auf einen Berg von Bußgeldern, der – oh, wie schön – die klammen Kassen füllt? Na ja. 2023 hat der Lautrer Politessendienst immerhin knapp 51.000 Verwarnungen verteilt, im Schnitt 140 am Tag – und damit rund 1,67 Millionen Euro abkassiert. Vielleicht geht da noch was. Jetzt, am Wochenende. Mit Unterstützung des Anzeigenhauptmeisters. Oder?

Wer mal sachte bei der städtischen Pressestelle anklopft, ob man aufgrund der erwartbaren Meldungswelle noch Extra-Personal auf die Straße schickt oder für die Bearbeitung einsetzt, der erntet ein schlichtes: „Nein“. Im Rathaus rechnet man also ganz und gar nicht mit dem Schlimmsten – oder mit dem Besten, dem Geldsegen, je nachdem. Alles easy. „Die Verwaltung erfasst die Anzeigen im Rahmen ihrer Möglichkeiten“, heißt es am Willy-Brandt-Platz. Ihnen, liebe Bürgerinnen und Bürger, sei von unserer Seite aus aber schon mal ans Herz gelegt: Passen Sie auf! Der Hilfscop aus Gräfenhainichen kennt Paragrafen, Absätze und Ziffern, von denen wussten Sie gar nicht, dass sie existieren. Vermeiden Sie das Halten auf dem Bordstein, überschreiten Sie bloß die Parkdauer nicht, stehen Sie immer in Fahrtrichtung. Ach was, steigen Sie bestenfalls gar nicht erst in Ihr Auto. Lassen Sie es in der Garage, erledigen Sie Ihre Geschäfte zu Fuß – dann flattert auch kein Knöllchen ins Haus. Versprochen.

Ein Bußgeld reiche für zwei Glühbirnen im Rathaus

Auf dem Instagram-Kanal der „Nachtschicht“ ließ sich bereits ein erster Vorgeschmack dessen erahnen, was so mancher Lautrer vom Auftritt des Anzeigenhauptmeisters hält. Wenn er nicht scharf darauf sei, dass sich der wutbürgerliche Frust über ihm entlade, dann solle er ein paar Viertel lieber meiden, warnten mehrere Nutzer. Einige bezichtigen Matthei mittlerweile sogar, das Denunziantentum zum Volkssport erheben zu wollen – was der wiederum gar nicht erst bestreitet. Na sowas. Und er selbst? Tue der Staatskasse nur Gutes, versicherte er im Frühjahr.

Mit einem Bußgeld von 15 Euro, einmal „Falschrum parken“ (Tatbestand: 112042), könne sich so ein Rathaus sicher zwei neue Glühbirnen leisten, sagte der Paragrafenenthusiast damals bei „Spiegel TV“. Nun ja, eigentlich sind es sogar fünf. Verpfeift er in Kaiserslautern auch nur 20 Parksünder, könnte sich die Stadt einen ganzen Sack voll Glühbirnen kaufen. Matthei betonte auch: Besonders am Wochenende, wenn die Politessen frei hätten, würden sich die meisten Autofahrer überhaupt nicht mehr um die StVO scheren – aber ja, „dann kommen halt Leute wie ich“. Leute eben, die für Recht und Ordnung sorgen. Schulterzucken.

Wie gut, dass der Anzeigenhauptmeister gerade an einem Samstag zu Gast ist in Kaiserslautern. Mal schauen, wie voll der Parkplatz vor der „Nachtschicht“ wird.

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