Kaiserslautern Klingender Rhythmusgeber

Glocken gehören dazu: Für Pfarrer Patrick Asomugha ist das Geläut Teil des Gemeindelebens.
Glocken gehören dazu.

Klinget, ihr Glocken (1): Manche schlagen alle Viertelstunde, manche läuten nur zum Gottesdienst, aber überall in der Region gehören tönende Glocken zum Leben dazu. Was das Geläut bedeutet, berichten Pfarrerin Regine Urbatzka und ihr katholischer Kollege Pfarrer Patrick Asomugha.

„Ohne das klingende Zeichen, das den Rhythmus von Gebet, Arbeit und Muße vorgibt, verkommen die Menschen zu unmenschlichen, unkultivierten Wesen.“ (Pachonimus, Urvater des Mönchtums)

„Der wichtigste Dienst der Glocken ist bis heute das Zusammenrufen der Gemeinde zum Gottesdienst“, sagt Pfarrer Patrick Asomugha. Er leitet seit August 2017 die katholische Pfarrei Heiliger Franz von Assisi in Queidersbach und betont: „Glockenläuten ist das Leben der Gemeinde, es gehört dazu.“ Dem stimmt seine evangelische Kollegin, Pfarrerin Regine Urbatzka aus Spesbach, zu. Vier Glocken sind es jeweils, die den Gläubigen der beiden Orte mitteilen, dass es Zeit für den Kirchgang ist. Schon früh entdecken die Christen die Glocke für sich, obwohl das Instrument viel früher, nämlich im 3. Jahrtausend vor Christus vermutlich in China entstanden ist. Von dort wurde es in die ganze Welt getragen. Zu ihrer Entstehungszeit, so schreibt Kurt Kramer in einem Buch über die Kulturgeschichte der Glocken, sei sie in China „das Maß aller Dinge“ gewesen – im wahrsten Sinne des Wortes. Ihr Durchmesser bestimmte das Längenmaß im Reich des „Ersten Kaisers“ Huang-ti, ihr Gewicht diente als Eichmaß für Waagen, Orchester stimmten ihre übrigen Instrumente nach ihr und so viel Reis, wie in diese Glocke passte, galt als eine Schütte.

Mit Gott durch Glockenklang verbunden

Aber bereits im frühen Mittelalter glaubten Christen in Europa, dass sie durch den Glockenklang mit Gott verbunden seien. So lässt sich auch die Bibelstelle im Buch Sirach im Alten Testament lesen, in der die Glöckchen am Gewandsaum des Hohepriesters Aaron beschrieben werden: „Er kleidete ihn ganz in Pracht/ und schmückte ihn mit herrlichen Gewändern:/ mit Beinkleidern, Leibrock und Obergewand./ Dessen Saum verzierte er mit Glöckchen im Kreis / und mit klingenden Granatäpfeln ringsum.“ Der Auslegung nach sollen es zwölf Glöckchen gewesen sein, wobei die Zahl Zwölf für die Verbindung zwischen Himmel und Erde steht. Sich mit Gott verbinden, das sollen beim Glockenklang auch diejenigen, die sich nicht auf den Weg zum Gotteshaus machen können. Sie würden durch das Geläut zum Beten zuhause aufgerufen, berichten Asomugha und Urbatzka. „Ich weiß, dass in Spesbach auch Leute, die nicht im Gottesdienst sitzen, das Vaterunser mitbeten, wenn die Glocke läutet“, berichtet die Pfarrerin. Und in Queidersbach ermahnt das Angelusläuten dreimal am Tag – um 6, um 12 und um 18 Uhr – die Gläubigen, innezuhalten. Verbreitet wurde dieser Brauch vor allem durch Papst Sabinian, der 604 nach Christus sein Amt antrat. Demnach soll das morgendlichen Läuten an die Auferstehung Christi erinnern. Der Klang der Glocken soll den Menschen Mut für den Tag machen, schreibt Kurt Kramer in seinem Glockenbuch. Mit dem Mittagsläuten gedenken die Christen hingegen der Menschwerdung Jesu, während das Abendläuten eine Erinnerung an das Leiden und Sterben Christi ist. Gläubige sollten zu dieser Stunde ihren Tag Revue passieren lassen, Erlebtes betend aufarbeiten und dann nach vorne schauen.

Totenglocke in Spesbach und Queiderbach

Auf das Sterben von Menschen machen Glocken in Spesbach und Queidersbach aber auch ganz konkret aufmerksam. Wenn jemand gestorben ist und Angehörige oder das Beerdigungsinstitut dies der Kirche mitteilt, wird die Totenglocke, die tiefste im Geläut, angestimmt. „Das ist das sogenannte Zeichenläuten“, erklärt Regine Urbatzka. In Spesbach wird dreimal drei Minuten mit jeweils einer Minute Pause für die Toten geläutet. Es gebe aber auch Gemeinden, in denen unterschiedliche Abfolgen verdeutlichten, ob ein Mann, eine Frau oder ein Kind gestorben sei. Auch in Queidersbach weist die Totenglocke, die hier der Heiligen Barbara geweiht ist, auf den Tod hin. „Es ist eine gute Sache, dass wir auch für unsere evangelischen Mitchristen läuten“, findet Patrick Asomugha. Und noch einen Dienst übernehmen die Glocken in seiner Gemeinde für alle Menschen, egal welcher Konfession, ob gläubig oder nicht: Sie zeigen mit dem Viertelstundenschlag die Zeit an. Für Pfarrer Asomugha ist das jedoch mehr als nur ein weltlicher Service für Menschen ohne Uhr. Für ihn verweisen die Schläge darauf, wie vergänglich das irdische Leben ist. „Die Glocken läuten und zeigen: Unsere Zeit läuft.“ Das empfindet Urbatzka ähnlich, auch wenn die Spesbacher höchstens den fernen Stundenschlag aus Hütschenhausen hören können. Das Uhrzeitenläuten betone, dass Zeit und Ewigkeit zusammenhingen und das Leben endlich sei, meint die Geistliche. Eine Funktion, die Glocken immer wieder erfüllen mussten, sollte den heutigen hoffentlich erspart bleiben: der Kriegsdienst. Seit Ende des 13., Anfang des 14. Jahrhunderts die Kanone erfunden wurde, endeten allzu viele Glocken als ebensolche. In Spesbach war es eine von zwei Glocken, die im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen wurde, in Queidersbach endeten drei von vier im Schmelzofen. Dabei hätten Glocken „auch im nicht-kirchlichen Bereich mit der Vertreibung böser Geister zu tun gehabt“, gibt Urbatzka zu bedenken. Und auch Kurt Kramer betont in seinem Buch, dass Glocken in Asien als Zeichen der Harmonie galten und in Kirchen stets dem Frieden geweiht seien und daher nicht den Tod bringen sollten. Die Serie Zum christlich geprägten Abendland gehört das Glockenläuten dazu. Aber auch an Profanbauten sind die Instrumente zu finden . In der Serie „Klinget, ihr Glocken“ stellen wir Glocken und Menschen vor, die mit ihnen zu tun haben.

... und durch die Luke zu den Spesbacher Glocken. Gesteuert werden sie aus der Ferne.
... und durch die Luke zu den Spesbacher Glocken. Gesteuert werden sie aus der Ferne.
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