Kaiserslautern Kommt die Seilbahn?

Bestform: Marina Tamassy.
Bestform: Marina Tamassy.

Der 9. kabarettistische Aschermittwoch der Untiere war auch ohne Jubiläum ein besonderer: Zum ersten Mal seit 1945 fiel der Aschermittwoch mit dem Valentinstag zusammen – eine weitere Absurdität und Steilvorlage für Wolfgang Marschall & Co., die ohnehin hochgestimmt und dankbar jede Anregung wie Löschpapier aufsaugen.

Kabarett ist eben so gut, wie die gesellschaftspolitische Wirklichkeit für Steilvorlagen sorgt. Dabei verstehen es nur wenige Kabarettisten diese Spielbälle so treffsicher wie diese Untiere zu versenken. Das war auch die Quintessenz des kabarettistischen Aschermittwochs im dicht besetzten Edith-Stein-Haus zum Thema „Flunder gibt es immer wieder.“ Wenn gesellschaftliche Spannungen so humoristisch aufgelöst werden, spricht dies für geistreiches Kabarett. Und wenn ein Publikum wie am Mittwoch mit wahren Lachsalven über drei Stunden die treffsicheren Pointen goutiert, werden Podium und Publikum eine Einheit. Klasse! Der metaphorische Ausflug in sportliche Gefilde sei gestattet, schließlich widmete das Programm einen beträchtlichen Teil dem Keller- und Sorgenkind FCK. Während bei Marschall eine „identitätsstiftende Legende dem Abgrund entgegen taumelt“, die Stadt hinterher schlittert und bildhaft das Schreck- und Abstiegsgespenst zusammen mit Pleitegeiern über dem Stadion kreisen, hatte Philipp Tulius dazu eine Expertenrunde einberufen: Fernsehmoderator Günther Jauch befragte den ehemaligen Manager von Bayer Leverkusen, Reiner Calmund, sowie die ehemaligen Starspieler von Bayern München, Lothar Matthäus und Mario Basler. Ersterer mit fränkischem Akzent, „Supermario“ im derben Pfälzisch. Es war genial, wie hier Tulius jetzt anstelle von parodistischen Sketchen als Weichel, Seehofer oder Schäuble nun diese Expertenrunde gleichzeitig täuschend echt im Dialekt und Tonfall nachahmte und dafür Ovationen erntete. Auch Marschall übertraf sich selbst, als er nach ernüchternden Bilanzen von FCK und Mall seinen zukunftsweisenden Visionen freien Lauf ließ: Geister-Stadion und Geister-Mall – wie geht das zusammen? Für die Mall griff er eine Politikeraussage auf, wonach man sich ein Indoor-Ski-Paradies vorstelle könne, und für die Betzenberg-Erlebniswelt sah er eine gedankliche Assoziation mit der Elbphilharmonie, träumte von Konzerten der Berliner Philharmoniker und entwarf zwischen Villenstraße im Süden und Panoramablick auf dem Betze eine Luxusmeile, verbunden durch eine Seilbahn zwischen Stadiondach und Parkdeck der Mall. Daher auch die Ode an die Provinz und der Tango in meisterhafter interpretatorischer Qualität der Band mit David Punstein als Ideengeber. „In der Provinz“, so sang Marina Tamassy, „läuft alles wie geschmiert.“ Und als „Mannemer“ Wutbürgerin, die Wut-Bertaaa, grölte sie: „Habt Wut mit Mut!“ Die Stärken im musikkabarettistischen Genre spielte aber auch Tulius als OB „Klausi“ Weichel aus, als er auf die brodelnde Gerüchteküche einging und klarstellte: „Ich fühl mich gut. Ich bin nicht angeschlagen. Ich halte eisern durch.“ Auch hier waren Marschalls Drumset, Punsteins Keyboard und die E- sowie Bassgitarren von Tulius Wegbereiter für vokalistische Höhenflüge, basierend auf originellen Texten zu fetzigen Rhythmen aus Jazz und Rock. Einen guten Einstieg hatte Gaststar Christine Prayon mit einem Sketch als angebliche Romancière und ihrem Frauenroman. Davon ausgehend wurden patriarchalische Rollenbilder, soziale Ungerechtigkeiten und daraus abgeleitet Gewalt und Ausbeutung in einer schlüssig entwickelten Gedankenkette zu Fallstricken der Politik. Ihr schauspielerisch überzeugender Sketch „Das Frühstück“ als Einpersonenstück griff Loriots Kommunikationsproblematik auf: Missverständnisse, die in der Partnerschaft bis zur Eskalation geführt werden. Dabei verkörperte Prayon sowohl die Süßholz raspelnde Frau wie den mürrischen Mann. Großartig. Im zweiten Teil zeigte sie die Wandlungsfähigkeit eines Chamäleons, dazu Slapstick, Pantomime und Comedy - alles in einer Mischung aus geistreicher Persiflage und Unterhaltungskunst. Ein denkwürdiges Gastspiel.

Großartig: Gaststar Christine Prayon.
Großartig: Gaststar Christine Prayon.
Höhenflüge: Philipp Tulius.
Höhenflüge: Philipp Tulius.
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