Kaiserslautern Maßlos in der Badewanne

Nach dem Antiken-Projekt der vergangenen Spielzeit brachte das Pfalztheater als Koproduktion mit dem Theater Pfalzbau Ludwigshafen das Epos „Gilgamesch“ von Christoph Klimke auf die Werkstattbühne. Nach der ersten Premiere am 9. Oktober im Pfalzbau hinterließ die zweite Premiere am Sonntag zwiespältige Eindrücke.

Das Schauspiel basiert auf der Übersetzung von Stefan M. Maul und thematisiert das Gilgamesch-Epos, erhalten in mesopotamischer Keilschrift: Es handelt von dem sagenumwobenen König Gilgamesch, der nach diesen Aufzeichnungen in babylonischer Sprache vor über 3000 Jahren diktatorische Züge hatte. Narzisstisch-maßlos strebte er nach Weltherrschaft und Unsterblichkeit sowie ewiger Jugend. Am Ende erscheint er geläutert. Im Schauspiel bilden die Götter, Gilgamesch und die Bürger von Uruk drei Handlungsebenen. Bei der erdrückenden Fülle des historischen Stoffes, seines Konfliktpotenzials, der diversen Handlungsebenen verlor sich die Inszenierung von Hansgünther Heyme in einer gedanklichen und methodischen Vielfalt. Die Komplexität aus Schauspiel, Musik (von Jan F. Kurth), Choreographie (Karen Piewig) sowie einer fürs Live-Theater ohnehin umstrittenen und tonlich schwer verständlichen Videoaufnahme per Leinwand wirkte mehr irritierend als inspirierend. Fazit: Die Vielfalt von Eindrücken mit 21 Laienschauspielern und 12 Szenen erschwert den Einstieg in den Stoff. Letztlich könnte das Anliegen der Inszenierung sein, einen komplexen Stoff gut verständlich und in den Kernaussagen stringent zu vermitteln. Dagegen setzt Heyme auf authentische Massenszenen, auf Monumentalität und einen immensen szenischen Aufwand. Reduktion, Konzentration und Fokussierung auf wesentliche Aspekte erreicht oft mehr. Letztlich gelingt aber eine interessante, weil diskussionswürdige und kontrovers rezipierte Inszenierung – was letztlich Theater ausmacht. Im Detail fällt der Chaosgedanke, das Sammelsurium von Gegenständen wie ausgedienten Möbeln, Containern und Alltagsgegenständen (Bühne/Ausstattung: Heyme) auf. Traditionell steht dies bei Inszenierungen für eine Welt, die aus den Fugen, aus der Ordnung geraten ist, mit Auflösungserscheinungen und einem ideologischen „Durcheinander“. Das wäre der entscheidende Diskussionspunkt: Ist das antike Welt- und Menschenbild aus der Ordnung geraten? Oder ist es vielmehr so, dass ein absolutistischer, maßloser Herrscher die bestehende Ordnung stört und zurückgenommen wird? Die Inszenierung führt den Betrachter dabei weder in eine historisierende noch in eine reale, sondern in eine fiktive (Alp-)Traumwelt: Verschiedene Kleidungen, Kostüme und Utensilien repräsentieren unterschiedliche weltliche und geistliche Bereiche und Epochen. Konflikte sollen zeitlos erscheinen, denn es treten auch futuristisch anmutende Gestalten auf, die sich roboterhaft bewegen. Überhaupt wirken viele Bewegungsabläufe der Akteure „gesteuert“, womit ein bestimmtes Menschenbild evident wird. Ein interessanter Aspekt. Dagegen nimmt sich diese Deutung selbst die Glaubwürdigkeit, wenn die Badewanne zur Liegestatt wird und der Müllcontainer zum Perkussionsinstrument bei der Begleitung des Beethovenchors. Musikalisch könnte man weiter Instrumente wie Akkordeon und Gitarre und stilistisch den Liedermacher-Charakter der Titel hinterfragen. Zeitlose Sphärenmusik ist anders denkbar. Einer gewissen Vielfalt von Bewegungsabläufen entsprach die vielschichtige Artikulation: Vom staccatierten, gebetsmühlenartig-stereotyp deklamierten Sprechgesang bis zum mönchischen Gesang zogen die Ausführenden alle Register. Trotz der unübersichtlich wirkenden Vielfalt von (Neben-)Schauplätzen behielten alle Mitwirkenden die Übersicht.

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