Kaiserslautern „Man kann gar nicht genug davon bekommen“

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Einmal Weltall und zurück – wer hat davon nicht schon einmal geträumt? Rund 250 Zuhörer erwarteten den ehemaligen Raumfahrer Thomas Reiter, der im Rahmen der Vortragsreihe „Bildungsgespräche“ des CDU-Bundestagsabgeordneten Xaver Jung am Dienstagabend an der Technischen Universität über das Thema „Faszination Weltraum“ sprach. In Reiters Erfahrungen als Astronaut, im Alltag auf der Internationalen Raumstation ISS und beim Arbeiten im Orbit spiegelte sich ein faszinierendes Arbeitsfeld.

„Die Idee vom Menschen zu erkunden, was hinterm Horizont liegt, jenseits der bestehenden Grenzen, ist so alt wie die Menschheit. Diese Begeisterung, diese Neugier ist etwas, das steckt in uns Menschen drin“, so erklärt Thomas Reiter die Kraft, die ihn antreibt. Der Blick auf unseren Planeten von außen, der Blick in die Tiefen des Weltalls, der von dort oben überwältigend sei, das Gefühl der Schwerelosigkeit zu erleben, mit winzigen Kräften sich dort oben bewegen zu können und den Raum in seinen drei Dimensionen voll ausnutzen zu können, auch die Aufgabe, als verlängerter Arm für die Wissenschaft zu arbeiten – das zusammen macht für Reiter die Faszination des Weltraums aus. Ein Kindheitstraum? „Definitiv“, bestätigt der 58-Jährige. Vom Segelfliegen, dem Hobby beider Eltern, sei er früh geprägt worden. „Bei der Mondlandung war ich elf Jahre alt.“ Luft- und Raumfahrttechnik hat Reiter studiert, ging dann zu den Jagdfliegern bei der Bundeswehr. Eines Nachmittags sei er zum Kommandeur bestellt worden. Das Angebot, Astronaut werden zu können, kam für den Militärpiloten völlig überraschend. „Dass irgendwann diese Chance vorbei kam, das war überhaupt nicht vorhersehbar, das war Glück. Mit 350 Tagen im Weltall gilt Reiter als der erfahrenste und bisher einzige europäische Astronaut mit zwei Langzeitmissionen. 1995/96 war er auf der russischen Raumstation Mir und 2006 auf der internationalen Raumstation ISS, jedes Mal etwa für ein halbes Jahr. Von der Erde in den Orbit, 400 Kilometer über dem festen Boden, in weniger als neun Minuten. Dieses Gefühl, wenn man dann tatsächlich in diese vollgetankte Rakete steigt, sei schwer in Worte zu fassen, sagt der Astronaut. „Da ist flüssiger Sauerstoff in den Tanks, das zischt und faucht, an der Außenhülle kondensiert die Luft, es fallen Dampfschwaden herunter. Das ist wie ein Tier, das darauf wartet jetzt los zu sprinten. Ich habe dann einfach mal diese Rakete angefasst.“ Drinnen sei man dann erst mal mit vielen Vorbereitungen beschäftigt, bis kurz vor der Zündung etwas Ruhe eintrete. „Und dann denkt man, jetzt bist du wirklich da, wo man so lange daraufhin gearbeitet hat.“ In den ersten Tagen und Wochen auf der Raumstation sei man schon euphorisch. Die Kombination von Schwerelosigkeit, dem Ausblick auf unseren Planeten, der Umrundung der Erde mit Sonnenaufgang und Sonnenuntergang in nur 90 Minuten: „Das wird nie langweilig, bis zur letzten Sekunde. Man kann eigentlich gar nicht genug davon bekommen.“ Wenn man die Zeit denn hätte. Der Arbeitsalltag auf der ISS sei sehr eng getaktet, man arbeite praktisch immer dem Minutenzeiger hinterher, so Reiter. Ein Außeneinsatz, der sogenannte Weltraumspaziergang, sei harte körperliche Arbeit. Aber auch Feierabend und Wochenende gebe es auf der ISS. „Da wird geputzt, wie sich das gehört“, sagt Reiter und lacht. Und dann sei auch Zeit für die vielen Dinge, die man sich vorgenommen hätte. Nach ein paar Monaten in der sehr technischen Umgebung der Raumstation komme allerdings schon der Wunsch auf, mal wieder über eine Wiese zu laufen, unter einer richtigen Dusche zu stehen oder einen frischen Salat zu essen. „Ich kann Ihnen versichern, wegen des Essens würde keiner in den Weltraum fliegen“, sagt der Raumfahrer lachend. Mit anderen Kollegen teile er die Einschätzung, die optimale Dauer eines Weltraumaufenthaltes sei etwa vier Monate. Seit 2011 ist Reiter Koordinator für die internationalen Partner bei der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA. Was wünscht er sich für die Zukunft der bemannten Raumfahrt? „Dass irgendwann ein europäischer Astronaut mit den Füßen auf dem Mond steht. Ich hoffe, dass ich das noch erlebe.“

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