Kaiserslautern Politische Aufklärung

Karikierte kauzige Kreaturen: Kabarettist Uli Keuler, der als Gast den Auftritt der Untiere bereicherte.
Karikierte kauzige Kreaturen: Kabarettist Uli Keuler, der als Gast den Auftritt der Untiere bereicherte.

In der Reihe „Ein Untier kommt selten allein“ sangen die hiesigen Kabarettisten um Wolfgang Marschall am Samstagabend zwar eine Ode an den Frühling. Doch sie priesen nicht poetische Naturstimmungen. Vielmehr prangerten sie mit erhitztem Gemüt Missstände an und gerieten dabei in Rage und Harnisch. Hatten die vielen Besucher dies geahnt, als sie trotz lauer Lüfte draußen im Edith-Stein-Haus raue Wirklichkeit in schonungsloser Offenheit suchten?

Der kommunale Wahlkampf geht in seine entscheidende Phase und führt dabei zu Stilblüten – und nicht unbedingt zu blühenden Landschaften. Womit Marschall bei seinen ersten Themen war und den Verantwortlichen geplanter bürgerfeindlicher Projekte den Fehdehandschuh hinwarf: die bedrohten, seltenen Echsen in Morlautern in einem Biotop und Refugium für Mensch und Tier sowie der Streitfall der Kostenabwälzung auf Anlieger beim Schillerplatz. Marschall hatte sich in seiner „Brandrede“ mit flammenden Appellen wortgewaltig positioniert. Er erinnerte gleichwohl an frühere „Schildbürgerstreiche“ beim Bau der Barbarossahalle und führte das Bau-Peterle (Dezernent Peter Kiefer) vor wie der Dompteur den Tanzbären. Er sprach dabei vom Grätschen ins Leere – und dies in einer legendären Fußballerstadt. Den Schillerplatz bezeichnete er als kulturellen Mittelpunkt der Achse Pfalzgalerie, Theater, Fruchthalle und adelten ihn mit der Bedeutung des Berliner Alexanderplatzes und des Londoner Trafalgar Square. Also beileibe keine Privatsache! Immer wieder stellte Marschall provokante Fragen wie „Was, wenn Peterle und Klausi dort eine Immobilie hätten?“ In ungewöhnlich harter Gangart sprach er von Willkür-Herrschaft und stellte sich selbst die Frage: „Ist das hier eine Kabarett-Veranstaltung oder politische Aufklärung?“ Wie so oft in besonders prekären, spannungsgeladenen Momenten setzte dann Marina Tamassy dem Ganzen die Krone auf: Das Volkslied „Im Märzen der Bauer“ wurde hier rauer: „... ein Untier sich nicht entspannt, erhebt vielmehr seine Stimme in diesem Land.“ In ihrem zweiten Beitrag bildete der „Filz von Kaiserslautern“ mit seinen Lügen und Intrigen den Zündstoff und die Quelle der Inspiration fürs Arrangieren des grandiosen Jazzmusikers David Punstein an den Tasten. Und der spektakuläre Auftritt Tamassys als Wut- und Mutbürgerin Berta im kurpfälzischen Dialekt könnte ein Fingerzeig sein, wenn sie skandierte: „Isch hab’ Mut!“ Wer folgt ihr nach? Mit dem Zitat von Jupp Müller entließ Marina Tamassy ein konsterniertes Publikum in die Pause: „Wer Stroh im Kopf hat, fürchtet den Funken der Wahrheit!“ Vielleicht hätte gerade die OB-Parodie von Philipp Tulius an dieser Stelle die Stimmung noch zum Siedepunkt gebracht? Doch der entschuldigte Parodist hatte ja in Gaststar Uli Keuler sein Pendant, der kauzige Kreaturen in Alltagsepisoden ebenfalls karikiert und dabei versteckt gesellschaftliche Themen aufgreift. Etwa die Zukunftsangst angesichts scheinbar lebensuntüchtiger Jugendlicher, wie in einem Sketch gespielt. Auch die Welt der Technisierung mit ihren skurrilen Auswüchsen führte er zur Absurdität. Zukunftsangst war auch ein weiterer Aspekt eines Themenblocks von Marschall, der dadurch Keulers Parodien mit eigenen Erlebnissen untermauerte. Bei Marschall ergab allerdings das Heranziehen einer NASA-Studie von 2014 mit dem prognostizierten Ende dieser Zivilisationsform ein apokalyptisches und keinesfalls humoristisches Bild. Er tröstete sich und das Publikum anhand historischer Beispiele, etwa des Zusammenbruchs antiker Hochkulturen. War das ein Frühlingserwachen!

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