Kaiserslautern Regisseur Hansgünther Heyme über das Epos „Gilgamesch“ und seine Theaterarbeit

Hansgünther Heyme bringt das Epos „Gilgamesch“ in einer reduzierten Fassung auf die Werkstattbühne. RHEINPFALZ-Mitarbeiterin Isabelle Girard de Soucanton unterhielt sich mit dem Regisseur und scheidenden Intendanten des Pfalzbaus Ludwigshafen über seine Theaterarbeit.

Herr Heyme, ein Drittel Ihrer Theaterarbeit beschäftigt sich mit alten und ältesten Werken. Was fasziniert Sie daran?

Dass die überlieferten Texte qualitativ einfach höchstgradig, poetisch fundiert und voller politischer Ungeheuerlichkeiten sind. Auch wenn sich die Zeiten geändert haben, in uns Menschen hat sich nichts getan. Das heißt, unsere Sehnsüchte und Ängste sind die gleichen, vielleicht radikalisiert. Gilgamesch war fester Bestandteil der Literatur bis in die Zeit Jesus. Jeder Gebildete im Vorderen Orient war mit den Texten vertraut. Überwältigend die Themen: Träume, Götter, Tod, Eros, Homoerotik – alle Mystik. In jedem Vers die Parallelen zum Heute. Warum ist das Epos „Gilgamesch“ relativ unbekannt? Da hat sich manches verändert. Stefan Mauls Übertragung wurde seit 2004 rund 300.000 Mal verkauft. Auch die Uruk-Ausstellungen in Berlin und Herten trugen mit Hunderttausenden von Besuchern dazu bei. Aber es stimmt schon. Doch auch den „Sturm“ von Shakespeare kennen zu wenige. Wie findet der Theatermensch Heyme die Inhalte der Tontafeln als Bühnenfassung? Da brauche ich nur die aktuellen Nachrichten ansehen: Flüchtlingsdrama Lampedusa, Rodungen in Brasilien, das Zerstören durch Fracking, kosmisches Versündigen. Oder dieser idiotische Hass, der die Ukraine teilt, die brutalen, mittelalterlichen Metzeleien zwischen den Religionen. Die Ursprünge der drei Weltreligionen finden wir gleichfalls, neben den apokalyptischen Katastrophen, im Gilgamesch-Epos. Es gibt keine historische Begründung für ein monströses und wahrscheinlich die nächsten Jahrzehnte bestimmendes, ganze Generationen ausrottendes ausmachendes Gegeneinander. Weise Weltentwürfe sind den bis heute ja nur zu 45 Prozent gefundenen Scherben zu entnehmen. Das Epos beginnt nach der Sintflut. Gilgamesch, der König von Uruk, schafft eine neue, zu verantwortende Kultur – errichtet Uruk, baut Heimstätten, Kanäle, ummauerte Weideplätze. Die Auflehnung gegen falsche Gottheiten ist Thema. Alles ist, ein Jahrtausend später, dann auch in den Texten des alten Testamentes zu finden. Haben Sie künstlerische Freiheiten genutzt? Nein. Unsere Fassung, mit Christoph Klimke erarbeitet, hält sich wortwörtlich an den von Maul übersetzen Vers. Es steckt ein großer Reichtum in dem Text. Man muss ihn erhalten, ihn verbreiten. Ihn für die Szene adaptieren. Wie kamen Sie auf den Gedanken „Gilgamesch“ auf die Bühne zu bringen und mit Laienschauspielern zu besetzen? Sie wissen sicher, dass dies meine Abschiedsproduktion als Regisseur am Pfalzbau Ludwigshafen ist. Am 1. Januar verlasse ich Ludwigshafen, beziehungsweise das Theater dort. Der Umstand, der zu meinem Weggang führte, hat kleinkarierte Politik zu vertreten. Wagners „Ring des Nibelungen“ war der Stein des Anstoßes. Alles schien zu elitär, zu wenig dem Niveau der Bevölkerung Ludwigshafens angemessen. Absurd. Aber nun vollzogene Wirklichkeit. Mein Zorn, meine Trauer, meine Kränkung – war zu verkraften mit der dreivierteljährigen Arbeit am Gilgamesch-Epos. Man muss mit effizienter, wie ich meine, notwendiger Kunst dagegen halten. Zur rechten Zeit fiel mir das Epos in die Hände. Der älteste poetische und politische Text der Weltliteratur. Was die Laienschauspieler betrifft, ist es einfach ungeheuer spannend, mit Menschen anderer Lebensbereiche Theater zu machen. Rückblickend war das gemeinsame Stemmen der Übertragung des Epos’ ins Theater eine wahnsinnig bereichernde Zeit, für uns Alle. Unendlich viel Arbeit. Herrliche Arbeit! Und alles entstand ohne die geringste Entlohnung. Die Laien stemmen ohne einen Cent diese Abende. In Kaiserslautern wird es ein ganz anderer als in Ludwigshafen. Die Filmmitschnitte des Offenen Kanals spielen eine wichtige Rolle. Im Herbst dann wird der auch von mir verantwortete Film geschnitten. Er läuft dann viele Male im OK vor Tausenden von Menschen, die bis dahin in Ihrer Vielzahl nichts von Gilgamesch wussten. Theaterarbeit ist oftmals Sozialarbeit. Das wurde zehn Jahre von mir in Ludwigshafen praktiziert. Herr Heyme, ich danke fürs Gespräch. (igs/Foto: Girard)

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