Kaiserslautern Reinhard Mey auf Droge

In einer allzu schnelllebigen Zeit hätte es der umtriebige Liedermacher Lutz Drenkwitz gern „Uneilig“ – so der Name seines neusten, sechsten Langspielers. Die Ein-Mann-Musikkapelle aus Bremen zieht wieder quer durch die Republik und machte am Sonntag Halt im Salon Schmitt. Und wieder hatte er einen bunten Strauß aus herrlich verqueren Songs geschnürt – über Drogen, Krankheiten und diese komplizierten Wesen namens Frauen.

Mindestens so kompliziert wie Frauen ist das aktuelle „Frühlings“-wetter. Ja, das Wetter kann Freund oder Feind eines Musikers sein. Für den Bremer Musikanten Lutz Drenkwitz war er am Sonntag eher Feind. Zwischen Frost, Glätte und einer Eiseskälte haben es etwa zehn Gäste – großzügig geschätzt – zum Stelldichein in den Salon geschafft. Für den leicht gefrusteten Drenkwitz bedeutete das ein leiseres Klimpern in der Sprit-Kasse. Aber auch einen Abend, der nicht spontaner, gemütlicher und lustiger hätte sein können. In gewohnt unorthodoxer Weise ließ der „Dienstleister mit Gitarre“ seinen zart-herben Charme spielen. Fleißig zog er die Schräubchen seines eigenhändig gezimmerten Instrumentariums nach, überprüfte die Schräubchen an der Salon-eigenen Anlage – denn ja, was seinen Sound angeht, ist der 54-Jährige ein Perfektionist – und legte los mit seiner ganz eigenen, „durch den Filter Brausekopf gefleischwolfte, Version der Wahrheit“, O-Ton Drenkwitz. Er rechnete mit selbstverliebten Ex-Freundinnen ab in bittersüßen Songs wie „Cinderella“ oder „Bye bye vorbei“, verarbeitete seine „Blessur d’Amour“ und predigte die absolute „Uneiligkeit“ – irgendwo zwischen „Stillstand und Hysterie, Gelassenheit und Lethargie“. Wie er da so saß, auf seinem Hocker – die Gitarre in der Hand, den rechten Fuß stabil zwischen zwei Fußtrommeln positioniert und den linken Fuß auf einer scheinbar selbst gezimmerten Holzvorrichtung, mit der er die Tasten seines Keyboards bedient und das Mikrofon press am Mund – schwappte so ein bisschen Reinhard-Mey-Flair rüber. Also ein Reinhard Mey unter „Alkohol- und Haschisch-Einfluss“. Jetzt aber nicht falsch verstehen: Denkwitz ist ein Profi und lieferte sein Konzert im Salon völlig nüchtern ab. Es ist eher seine Musik, die den Verdacht aufkommen lässt, der Künstler habe psychoaktive Substanzen während des Songwritings eingenommen. Ob nun Alkohol, ein Hanfpflänzchen oder doch „nur“ einen Big Mac vom Drive-in. Zumindest handeln seine Songs nach wie vor von Rauschmitteln und deren Nebenwirkungen, Krankheiten und Ex-Freundinnen. Dass er wegen eines Happens Fastfood nicht mehr mit seiner Welt klarkommt, ist da noch das kleinere Übel. Etwas schwerer verdaulich war da schon eines seiner neueren Werke, „Wo bleibt Superman“. Ein sozialkritisches, aber lustiges Lied, in dem Drenkwitz mal alles hinausschreien wollte, was ihn in den vergangenen Monaten auf der Künstlerseele brannte: „Knarren aus dem Schwabenland ballern schon mal in Kinderhand / Dummheit, Geld und Ignoranz / Religion und Militanz / Rübe ab im Gottesstaat.“ Worte, die einem schwer im Magen liegen, die aber auch für das „Weltverbesserer-Gen“ des Hanseaten stehen – wenn er schon kein „Nachhausegehn-Gen“ besitzt. Er „verdrenkwitzt“ die Bilder, die wir tagtäglich in den Nachrichten sehen, schlägt Haken, hinterfragt und rückt gerade. Denn schließlich hat er „schon alles durch“ und ist das „Peinlichkeitsbarometer“ seines Lebens schon hoch und runter gefahren. Zwischen all dem lyrischen Tiefsinn hatte er auch noch Zeit und Muße, sein Publikum mit lockeren Sprüchen zu unterhalten – natürlich immer ironisch, zynisch, derb, frech und absolut nonchalant. Der Bremer Countrybluespunkrocker hat nach über zehn Jahren als Ein-Mann-Orchester auf der Bühne ganz offenbar den Dreh raus und beweist sich als wahrhaft durchtriebener Alleinunterhalter, der viel handwerkliches Können und einen selten räudigen Charme besitzt.

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