Kaiserslautern Schutzengel Arnold?

Der netteste Grund, sich „Terminator: Genisys“ anzusehen, den fünften Film der Reihe, ist Arnold Schwarzenegger. Denn der steht sich selbst gegenüber: als junger, böser Terminator von 2029, der im Jahr 1984 landet, und als rüstiger alter Papa von heute. Ein seltsamer Kampf beginnt.

Der Baggerfahrer ist geschockt: Mitten in einer nebligen Nacht hockt ein nackter Mann vor ihm auf der Straße. Erst zeigt er ihm den Rücken, dann die Vorderseite: muskulös, starrer Gesichtsausdruck, entschlossen kalt, furchterregend. Der Baggerfahrer flüchtet. So beginnt „Terminator: Genisys“ von 2015. Genau so begann schon „Terminator“ von 1984. Mit exakt denselben Bildern. Aha, ein 1:1-Remake, denkt der Science-Fiction-Action-Fan. Dazu noch im 80er-Jahre-Design. Selten, aber fantastisch. Dann braucht man sich den alten Film gar nicht aus dem Netz zu laden, um zu vergleichen. Er freut sich. Doch kaum hat Terminator-Arnie die Punks niedergemacht wie im Originalfilm und sich Jacke und Hose des einen nebst dem lächerlichen T-Shirt übergestreift (auch diese Bilder sind aus dem 84er-Film geklaut), steht ihm plötzlich ein zweiter Arnie gegenüber. Der trägt ein ähnliches Outfit, sieht aber nicht aus wie Mitte 30, sondern wie 60. Arnie kämpft mit sich selbst – und der ältere gewinnt. Natürlich. Irgendwann später sagt er den alten Satz „I’ll be back“ und einen neuen: „I am old, but not obsolete“ (Ich bin alt, aber nicht überflüssig). Der Alte scheint der Gute zu sein. Also doch kein Remake. Zurück auf Anfang, zum Film „Terminator“ von 1984: 2029 regieren die Maschinen die Welt. Ein paar Menschen haben überlebt. Angeführt von einem gewissen John Connor kämpfen sie gegen die Maschinen, hört man. Die Maschinen schicken den Terminator, einen Roboter mit Menschenhaut, zurück zum 12. Mai 1984 nach Los Angeles, damit er Sarah Connor, die künftige Mutter von John, die noch nicht mal schwanger ist, tötet. Denn wenn John Connor nicht geboren wird, kann er später niemanden gefährlich werden. Klasse Science-Fiction-Logik. Die naive Sarah lernt mit Wagen und Waffen zu kämpfen, denn ihr zur Seite steht mit Kyle Reese ein junger Typ (echter Mensch), der ebenfalls durch die Zeitschleuse in die Vergangenheit kommt und ihr erklärt, was sie alles tun muss, um zu überleben. Gekämpft wird im ersten „Terminator“ gar nicht so viel. Gesprochen auch nicht. Der Terminator muss dauernd etwas an sich selbst reparieren nach den Verfolgungsjagden und den Kämpfen. Am schönsten ist die Sache mit dem Auge. Er schneidet es heraus. Darunter kommt ein rotes Roboter-Auge aus Metall zum Vorschein. Mit dem sieht er vor allem Buchstaben- und Zahlenkolonnen und viel Rot statt der realen Welt. Das erfand James Cameron ebenso wie den coolen Spruch „I’ll be back“, der seither Schwarzeneggers Karriere als ironischer Selbstdarsteller begleitet. „Terminator“ war Camerons erstes Meisterwerk. Neu, spannend, ein Model, das ein Genre begründete. Soweit so gut. Heute nun „Terminator: Genisys“. Der Film ist nicht mehr von Cameron, sondern von dem simpler gestrickten Fernsehserien-Regisseur Alan Taylor, erzählt aber irgendwie die alte Geschichte. Zur Freude des Fans taucht John Connor selbst auf: Ein Mann um die 30, der auch ins Jahr 1984 zurückreist. Warum, wird schnell klar, denn er ist gar kein Mensch, sondern eine Maschine mit Menschenhaut, also auch hinter Sarah her, um sie zu töten. Aber die Sarah Connor von 2015 ist auch anderes. Superschlau. Geradezu übermenschlich. Ohne dass man ihr irgendetwas erklären müsste, ist sie von Anfang an schon die coole Kämpferin, die genau weiß, wer ihr Feind ist, und eine Waffe im Jeep hat sie auch. Der ältere Mann, Arnie natürlich, zu dem sie „Pops“ (Papa) sagt, steht ihr als Schutzengel mit dem Maschinengewehr bei. Na, macht es jetzt klick? Der Fan stutzt. Wieso weiß Sarah schon alles? Wieso ist Arnie der Gute? Wieso ist das kein echtes Remake, sondern eins mit seltsamen Variationen, deren Sinn sich nicht erschließt? Die dröge Inszenierung lassen wir mal außen vor. Der Fan wird nachdenklich, schweift ab und geht rüber in die Realität. Arnie war doch Gouverneur von Kalifornien, ein Politiker. Ein Typ fast wie Obama. Plötzlich ist die Sache klar. Es kann nur einer dahinterstecken. Dank Edward Snowden wissen wir, dass die NSA nicht nur Angela Merkel ausspioniert, sondern unser aller Daten hat, selbst die der Kinofiguren. Natürlich behält die NSA ihr Wissen nicht für sich. Sie gibt es weiter, wenn Bedarf besteht. Im Moment also vielleicht an Sarah Connor, die nun sofort effizient ihre Gegner niedermacht, ohne dass Kyle sie mühsam aufklären muss. Nein, nein, „Terminator: Genisys“ ist kein tumbes Hollywood-Action-Kino mit wildem Gemetzel, gerne in 3D, damit die Beteiligten mehr Geld verdienen. Der Film ist die Zukunft in der Gegenwart. Schon das Wortspiel im Titel deutet es an: „Genisys“ heißt die neue Maschinenmacht. Darin steckt alles: Gen, Genie, System, Anfang (die biblische Genesis). Und das Ende im Jahr 2029 ist bekannt. Der Film könnte eine Warnung sein, mit wachsameren Augen durch die Welt zu gehen – und ins Kino. Und auch mal solche langweiligen Filme wie „Terminator: Genisys“ auszuhalten. Schließlich tragen selbst die übelsten Actionfilme Keime der Hoffnung auf die friedliche Zukunft der Menschen in sich. Hier taucht am Ende aus dem Nichts eine personifizierte kindliche Maschine auf und sagt: „The future is not set“ (die Zukunft steht nicht fest). Der Fan winkt ab. Der Spruch ist auch aus dem „Terminator“ von 1984. Doch halt! 1984? Spielte da nicht auch Orwells Buch über die totale Überwachung? Wahrscheinlich ist alles harmlos, sagt die Kanzlerin ja auch. Aber ein bisschen seltsam ist es schon, dass diesmal die Botschaft im Nachspann versteckt ist...

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