Kaiserslautern So sympathisch kann das Scheitern sein

Kleine Akteure mit großen Gefühlen: Frosch Falkenhorst harrt als König Richard III der Kussattacke des Maulwurfs, der seinerseit
Kleine Akteure mit großen Gefühlen: Frosch Falkenhorst harrt als König Richard III der Kussattacke des Maulwurfs, der seinerseits die Rolle der Lady Anne übernommen hat.

René Marik ist ein Phänomen: Mit seinen Puppen begeistert er seit Jahren eine stetig wachsende, erwachsene Fangemeinde. Sein Erfolgsrezept: Skurrile Plüschfiguren machen Comedy à la bonne heure. Nach einer „kreativen Pause“ feierte Marik 2015 ein Comeback und gastierte nun auf seiner „ZeHage – best of plus x“-Tour zum zweiten Mal nach 2009 im Kulturzentrum Kammgarn.

Seine kleinen Helden sind alles andere als Kuscheltiere. Sie erinnern in ihrer zerzausten, zuweilen heillos konfusen Art an die herrlich zerfledderten Plüschtiere für Erwachsene der Serie „Beasts“ eines renommierten oberfränkischen Herstellers. Bei Marik gibt es zuallererst mal einen blinden Maulwurf, der auch noch einen Sprachfehler hat. Das krasse Gegenteil ist in seiner gestelzten Eloquenz ein Frosch, der zwar Kermit-like ausschaut, aber ein echtes Blaublut zu sein scheint, obwohl er ganz bürgerlich Herr Günther Falkenhorst heißt. Den Dritten im Bunde der Marik’schen Antihelden markiert ein Eisbär namens Kalle, der prollig vor sich hin berlinert und mit Vorliebe ein Schulte nach dem anderen kippt. Viel mehr Personal braucht Marik nicht, um seine Minidramen des alltäglichen Puppendaseins aufzuführen. Im aktuellen Programm greift der Puppenspieler ältere Nummern auf, entwickelt sie stellenweise weiter und bringt auch neuere Geschichten rund um seine drei putzigen Freunde. Dabei treten auch Nebenfiguren auf, eine Kuh etwa, Ken und Barbie oder der Grinsekasper, der in gar erschröcklichen Horrorszenen zum Einsatz kommt. Die lustigen Episoden aus dem Leben der plüschigen Protagonisten sind dabei recht einfach gestrickt, etwa wenn der Maulwurf sich durch die Erde nach Mallorca durchbuddlen will und am Ende in Afghanistan rauskommt. Statt Bombenstimmung findet sich der kleine Kerl im Bombenhagel wieder. Oder wenn Frosch Falkenhorst mit ihm ein Shakespeare-Epos nachspielen will – mit welchem Erfolg, mag man sich vorstellen. Am Ende steht stets das sympathische Scheitern, das mit Liebe zum Detail und niemals boshaft in Szene gesetzt wird. Beeindruckend, wie Marik nur mit der Haltung der Puppen – eine echte Mimik haben sie ja nicht – jede Menge Emotion freisetzen kann, von der tiefsten Verzweiflung bis zum herrlichen Furor. Kein Wunder, dass dies aufs Publikum überspringt und es regelrecht und lautstark mitleidet, wenn der Maulwurf mal wieder am Boden zerstört oder der Frosch ach so ermüdet ist. Dennoch ist es gerade die schnoddrige Nonchalance des staksigen Wahl-Berliners, die seine Nummern durchgängig prägt. Und dies sowohl im Puppenspiel, als auch in den manchmal etwas unbeholfenen Einschüben dazwischen, in denen Marik mal singt, mal Gitarre spielt. In seiner Attitüde ist er dabei seinen Puppen recht ähnlich, und auch hier liegen Erfolg und Scheitern dicht beieinander – stets mit Selbstironie gewürzt. Am wohlsten fühlt sich Marik jedoch hinter seinem kleinen Bühnenaufbau, wenn Maulwurfn & Co. das Zepter übernehmen. Liebenswert sind sie alle auf ihre Weise: Das kleine, schwarze, unterirdische Wesen zeigt geradezu überirdisch großen Lebensmut, mag sich auch alles gegen ihn verschworen haben und das Ziel seiner Maulwurf-Träume – die blonde Barbie, ein Urlaub am Ballermann oder die Karriere als Pilot – stets in unerreichbarer Ferne bleiben oder wie Seifenblasen platzen. Frosch Falkenhorst kommt trotz seiner Blasiertheit sympathisch rüber, was ganz stark an die Tatort-Figur des Gerichtsmediziners Börne (Jan Josef Liefers) denken lässt. Und Kalle Eisbär, tja, dieser Eisbär – steckt nicht in uns allen ein kleiner Anarcho, der einmal allen Konventionen und Zwängen entkommen will? Und so reißt uns René Marik mit seinem schrägen Kasperletheater für gut zwei Stunden heraus aus der Realität. Er entführt sein Publikum in eine (Traum)welt, in der eigentlich nichts ist wie es sein soll, in der Erwachsene über seine plüschigen Protagonisten wieder zu Kindern mutieren. Und in der nur eins sicher ist: das Lachen über die Absurditäten des Alltags. Und das ist doch auch schon mal was.

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