Kaiserslautern Solo für Sutherland

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Die 19. Ausgabe des „Talks unter Freunden“ in der Lounge des Pfalztheaters avancierte zu einer Hommage an den Direktor der Sparte Tanz und Chefchoreograph, James Sutherland – und nebenbei zu einer Laudatio anlässlich seines 60. Geburtstages, den er erst vor wenigen Tagen feierte. Allerdings war dem gebürtigen Schotten dieses Alter nicht anzumerken: Im Gespräch mit Kulturredakteur Fabian R. Lovisa sprühte der eloquente Gesprächspartner vor Tatendrang und ließ seine wesentlichen biographischen Stationen Revue passieren.

Ein plastisches Bild von den Kinder- und Jugendjahren Sutherlands entstand dabei zunächst vor den rund 30 Besuchern dieser Veranstaltung der Freunde des Pfalztheaters. So erfuhr man, dass Sutherland von einem alten schottischen Clan abstammt, dessen Wurzeln bis ins 12. Jahrhundert zurück reichen und dessen Wahlspruch „Keine Furcht“ ist. Sutherland bekannte weiter nicht nur, dass er gleich drei Kilts besitze, sondern auch, dass er zunächst eine Karriere als Musiker anstrebte. Eher zufällig sei er dann vom Gitarrenspiel, das er übrigens dennoch zu hoher Meisterschaft trieb, zum Ballett gekommen. Seine Geschwister hätten ihn zum Tanz gebracht, er habe sich später dann gesagt, dass es auch viel interessanter sei, in einer Gruppe Mädchen kennen zu lernen, als alleine sechs Stunden täglich Gitarre zu üben. Überhaupt blitzte immer wieder Humor in Sutherlands Ausführungen auf. Lovisa arbeitete nach der Kindheit und früheren Engagements als Tänzer und Choreograph primär auch die Akzentverschiebung heraus, die sich mit der Spielzeit 2016/17 durch den neuen Tanzdirektor ergibt und die bei den ersten Produktionen „Romeo und Julia“ sowie „Same Time Tomorrow“, das derzeit auf der Werkstattbühne läuft, schon zu erleben war. Und obwohl sich Sutherland und sein Vorgänger Stefano Giannetti von gemeinsamen Spielzeiten am Baseler Theater kennen und dort mit Heinz Spoerli und Wiliam Forsythe unter international renommierten Choreographen arbeiteten, gingen doch beide unterschiedliche Wege. Während sich Giannetti mehr für den klassischen Weg entschied, setzte Sutherland auf moderndes Tanztheater, wollte und will seine Grenzen und Möglichkeiten ausloten. Man könnte zugespitzt formulieren: Es geht ihm um Affekte, nicht um Affektiertheit. „Tanz ist weit mehr als klassische Schrittfolge“: So das Credo des 20-jährigen Sutherland, als er nach der Rambert School of Ballet in London beim Irish National Ballett seine Tänzerkarriere begann. Es folgten bis 1990 erwähnte Baseler Zeiten mit Tourneen rund um die Welt. Seine aktive tänzerische Karriere habe er etwa mit 36 ausklingen lassen, jedoch noch bis zum 42. Lebensjahr gelegentliche Auftritte absolviert. Parallel trieb er Pläne für eigene choreographische Tätigkeiten voran, eine Alternative dazu habe es eigentlich nicht gegeben. Als freischaffender Choreograph war er so seit Mitte der 1980er Jahre neben anderen für das Stuttgarter Ballett, die Staatstheater Wiesbaden, Kassel und Schwerin sowie für das Ballett der Nationaloper Ankara in der Türkei tätig. Seine erste Stelle als Chefchoreograph übte Sutherland zwischen 2002 und 2015 als Ballettdirektor in Pforzheim aus, er habe die Compagnie, von der er vorher noch nichts gehört habe, über die Jahre entwickelt hin zu einem blinden Sichverstehen. Ein Intendantenwechsel habe dieser Zeit ein Ende gesetzt. Als er von der Vakanz in Kaiserslautern erfahren habe, habe er sich an Urs Häberli gewandt, dieser habe sich eine seiner Produktionen angeschaut, und so sei er zunächst als Choreographer in Residence an das Pfälzer Haus gekommen, bis er mit dieser Spielzeit als verantwortlicher Spartenleiter engagiert wurde. Dabei wird er zunächst mit zwei Produktionen seine künstlerische Visitenkarte abgeben: „Same Time Tomorrow“, das bereits erfolgreich auf der Werkstattbühne läuft (wir berichteten), und einem Tanzabend im Großen Haus zum Thema Vergänglichkeit des Lebens im Sinne eines Lebenszyklus’, der in so etwas wie eine Wiedergeburt münde. Dabei will er Musik von Arvo Pärt, Philipp Glass, Edward Elgar und Samuel Barber vertanzen. Überhaupt gibt sich der Schotte außerordentlich offen für Musik jeglicher Stilrichtungen. Außerdem schwebt Sutherland eine Ballet-Gala vor, bei der er seine zahlreichen Kontakte ausspielen könne. Lovisas Frage nach seiner spezifischen Handschrift beantwortete Sutherland dagegen eher vage und dann eher in dem Sinne, wie wichtig eine solche sei, wie er sie entwickelt habe und weniger, wie diese denn nun konkret aussieht. Eine Besucherin knüpfte daran im Fragenteil an, worauf der Tai Chi praktizierende Ballettchef einräumte, dass auch Elemente dieser Bewegungslehre durchaus einflössen. Dass er den Tänzern auch Freiräume bei der Erarbeitung der Konzepte zugesteht, wurde ebenso thematisiert. Auf die Frage aus dem Publikum nach dem Lebensgefühl in der Stadt, lobte Sutherland zunächst mit einem Augenzwinkern die für ihn ungewöhnliche gastronomische Dichte und daneben vor allem die Gastfreundschaft und Offenheit der Menschen, letztere auch im Produktionsumfeld. Fazit: Es entstand ein sympathisches Bild des Schotten, der vom Kilt bis zum Ballettschuh auch seine menschlichen Seiten offenbarte. Die fachlichen Fragen brachten einen Verfechter des modernen Tanztheaters zum Vorschein, der im besten Wortsinne kompromisslos arbeitet. Die Spannung auf den nächsten Ballettabend, der am 1. April Premiere haben wird, wächst. Infos —Der nächste „Talk unter Freunden“ findet am 16. Januar, 19 Uhr, in der Theaterlounge statt, dann zum stets brisanten Thema der Kulturfinanzierung. —Sutherlands Tanzabend „Same Time Tomorrow“ läuft auf der Werkstattbühne noch am 16., 29. Dezember, 3., 12., 26. Januar, 12., 15., 23. Februar; Karten unter 0631/3675-209 und www.pfalztheater.de.

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