Kaiserslautern Spielerisch mit Vollgas

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Die Waldklassik-Reihe des Forstamtes Kaiserslautern widmete sich in diesem Jahr thematisch dem verregneten Sommer. Regen? So fragten sich wohl die Wandermusikanten, der juckt uns überhaupt nicht. Den pusten wir einfach mit unseren Instrumenten weg.

Und so war es. Weit über 300 Besucher erlebten am Felsenweiher im Ruhetal ein begeisterndes Konzert bei sommerlichen Temperaturen. Lasset die Kinder spielen, denn sie wissen, was sie tun. Mit den Neuen Wandermusikanten haben sich sechs Geister zusammengefunden, die sich ein ausreichendes Maß an Unabhängigkeit, Naivität und infantiler Lust bewahrt haben, um sich ihrer Musik spielerisch zu nähern. Blasmusik ist behäbig und betulich? Nicht bei den Wandermusikanten. Schon beim leisen Heranschleichen vor die Bühne – die lediglich aus einer Bretterwand bestand –, räumten die Messinggötter mit diesem Vorurteil auf. Mit der Filmmelodie aus „Indiana Jones“ imitierten sie in humorvoller Weise die vielfältigen Geräusche des Waldes. Da knurrte Roland Vaneceks Tuba, knarzte Bernhard Vaneceks Trompete. Ein Urwald aus Klängen, ein Plätschern von Becken, ein Keckern von Bläsern. Der Hörer fühlte sich bald von einem Strom an Klängen übergossen, bevor die Band in eine jazzige Polyphonie und Polyrhythmik überging. Da trafen vier unbändige Pustefixe mit zwei Rhythmus-Verwirbelern zusammen, die Energie versprühten ohne Ende. Da brannte die Luft. Mit vorwärtstreibender Minitrommel (Arne Moos aus Wiesbaden) und verwirbelnder Percussion (Thomas Hammer aus Hauenstein), treibenden Bassläufen auf dem wagenradgroßen Sousafon als Hauptschlagader und den hochinspirierten Trompeten- und Posaunensoli. Die Vanecek-Zwillinge haben ständig neue Ideen im Kopf, die sie schnellstmöglich umsetzen wollen. Denn musikalisch sind sie mit allen Wassern gewaschen. In den verzwickten Themen mit ihren abgedrehten Harmoniesprüngen vermischen sich immer wieder wohlbekannte Melodien plötzlich mit Jazz, mit Latin und mit allen möglichen anderen Stilarten. Stets wird mächtig Gas gegeben. Und Humor ist auch immer an Bord. Da wird in Roland Vaneceks Titel „Schöner Herbst“ aus „Singin’ in the rain“ „Sinkin’ in the rain“ (Im Regen versinken). Da blasen sie bei dem Funeral-Blues „St. James Infirmary“ so zum Gotterbarmen traurig, dass es sich anhört wie Heulen und Zähneklappern, um aber gleich drauf bei dem Titel „Sieben Hippies“ loszupreschen wie Formel-Eins-Rennfahrer. Die Posaunenbrillanz von Bernhard Vanecek hat geradezu explosive Wirkung. Vom Tailgate-Stil mit effektvollen, glissandoartig geblasenen Kadenzen bis zum extrovertierten, erdigen Sound und zur kontrollierten, ausdrucksstarken Tongebung mit unglaublicher Schmiegsamkeit der Linien beherrscht er alles. Mit ungewöhnlicher Dynamik und Vitalität blasen Igor Rudytskyy und Florian Wehse die Trompete. Dabei spielen sie mit verblüffender Leichtigkeit in den schwindelerregendsten Höhen. Geradezu ein Phänomen ist Roland Vanecek auf dem Sousafon, der ohne Pause seine Kollaborateure begleitet, dabei sein Instrument mit verblüffender Beweglichkeit beherrscht und Linien von außergewöhnlicher melodischer und rhythmischer Komplexität bläst. So klingt ihre Musik schrill und bunt wie ihre Kleidung. Das Volkslied „Von den blauen Bergen kommen wir“ verquicken sie mit dem Gospel „O when the Saints“, „Auf einem Baum ein Kuckuck“ verweben sie mit einer klassischen Melodie, wobei Roland auf dem Sousafon als Melodieführer brilliert, und in „Coconut Woman“ hört man gar die Affen schreien. Florian Wehse erweist sich dabei als brillanter Sänger mit rauputzrauer Stimme. Noch rauer, als hätten Fässer von billigem Fusel an seinen Stimmbändern genagt, intoniert Arne Moos in „Mardi Gras“. Eines der schönsten Stücke das serbische Lied „Moseosina“, das Rudytskyy mit prächtiger Stimme vorträgt und dabei die Schwermut in Person verkörpert. Dem stellt er aber auf seiner Trompete rasante Riffs gegenüber, die wie Kaskaden eines Wasserfalls schimmern. Klamauk über Klamauk. Und mit dieser spielerischen Leichtigkeit verfremden sie auch schon mal die Stücke bis zur Verballhornung. Gegen diese Starkstrom-Phalanx setzen die beiden Perkussionisten dynamische Akzente und einen Strudel von Bewegungsabläufen, deren innere Gesetzmäßigkeit voller Geheimnisse bleibt. Das begeisterte Publikum klatschte zwei Zugaben heraus.

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