Friedhofskultur Thomas Brenner und seine Aktion in Kaiserslautern

Thomas Brenner
Thomas Brenner

Im neunten Monat ist Thomas Brenner mit seiner viel beachteten Friedhofsaktion angekommen. Sie zieht immer weitere Kreise und hat inzwischen auch national für Aufsehen gesorgt, wie ein Blick auf die Bestattergilde zeigt. Trotzdem weiß Brenner, wann für ihn auf dem Gottesacker die Lichter ausgehen.

Seit November vergangenen Jahres „bespielt“ der Lauterer (Foto-)Künstler Thomas Brenner nun schon den Hauptfriedhof seiner Heimatstadt. Zunächst hat er ihn mit vier Installationen – darunter ein Kubus aus 6000 Grablichtern – in ein sprichwörtlich neues Licht gerückt. Daneben läuft nun aber auch schon seit Monaten äußerst erfolgreich eine Veranstaltungsreihe auf dem Gottesacker, der damit belebt wird und andere, neue Konnotationen erfährt. Am Wochenende geht es weiter.

Man muss kein Prophet sein um vorauszusagen, dass der Auftritt des Lauterer Kultbarden Stephan Flesch am Samstag, 15. Juli, 16 Uhr, auf dem Hauptfriedhof (die Veranstaltungen finden immer im Umfeld des Friedensbrunnens statt) zum Publikumsmagneten avancieren wird. Dies umso mehr, da der Sänger mit der voluminösen Stimme und seiner einfühlsamen Gitarre diesmal unter dem Titel „(Gänse-)hautnah“ Songs zum Zuhören und Genießen verspricht.

Die Veranstaltungsreihe erfährt am 23. Juli dann mit einer fruchtbaren Kooperation ihre Fortsetzung: Die Pfalzgalerie klinkt sich in Brenners Aktionen ein, was naheliegt angesichts ihrer aktuellen Sonderausstellung. Denn thematisiert Brenner in einer seiner vier großen Installationen, die aus 18 grabförmigen Beeten besteht, das Aussterben seltener Gemüsesorten, so widmet sich das Museum in seiner großangelegten Schau „Artists for Nature“ dem Themenkomplex des Umgang mit unserer Umwelt beziehungsweise deren Zerstörung insgesamt. Die gemeinsame Veranstaltung findet an beiden Orten statt, dem Museum wie dem Friedhof, und beginnt am 23. Juli bereits um 10.30 Uhr. Los geht’s am Haupteingang in der Donnersbergstraße, etwa eineinhalb Stunden soll der Spaziergang zu den Pflanzbeeten dauern, die sich über große Teile des Friedhofs erstrecken.

Vom Friedhof ins Museum

Weiter geht es um 12.15 Uhr, diesmal im Museum. Dort gibt es ein Kunstgespräch zur erwähnten Sonderausstellung. Dabei wird auch die „Erdenkugel“ von Gabriela Oberkofler thematisiert, die auf der Grünfläche vor dem Museum als wachsendes Kunstwerk die Blicke auf sich zieht. Die Künstlerin hat – wie Brenner – ihre installative Arbeit fleißig bepflanzt, in ihrem Falle mit Nutz- und Heilpflanzen.

Ab etwa 13 Uhr gibt es dann vor Ort ein Buffet von Slow Food, aus regionalen Produkten zubereitet. Vertreter der angesagten Bewegung, Frank Schmitt vom Verein Freie Saaten, Pfalzgalerie-Kuratorin Annette Reich und natürlich Thomas Brenner gestalten Friedhofsspaziergang und Kunstgespräch. Dabei sollen Fragen erörtert werden wie: Wie wollen wir uns zukünftig ernähren, und was müssen wir dafür tun? Auf welche Art und Weise können wir biologische Vielfalt von Pflanzen, Tieren und Lebensräumen als existenzielle Grundlage des menschlichen Lebens schützen und nachhaltig nutzen? Inwiefern lohnt es sich, alte Obst- und Gemüsesorten, die vom Aussterben bedroht sind, wieder vermehrt anzubauen? Welche Möglichkeiten gibt es für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur? Und nicht zuletzt: Ist unser Planet überhaupt noch zu retten? Und was muss geschehen, damit wir stärker ins Handeln kommen?

Neues Diskurs-Format

Weiter plant Brenner ein neues Diskurs-Format auf dem Friedhof. „Wir haben Fachleute aller fünf großen Weltreligionen zu Kurzvortrag und Gespräch eingeladen“, erläutert Brenner. Vier Termine stehen dabei schon fest. Den Auftakt macht Kunsthistorikerin Claudia Gross am 22. Juli, 16 Uhr, mit einem interreligiösen Friedhofsspaziergang. Sie will zeigen, dass sich alle fünf großen Religionen auf dem Friedhof wiederfinden. Weiter geht’s am 29. Juli, 16 Uhr, mit Kirchenrat Wolfgang Schumacher, der zum Thema Christentum spricht. Um das Judentum dreht sich die Veranstaltung am 6. August, 16 Uhr, mit Bernhard Gerlach. Der Islam steht im Zentrum des Vortrags am 26. August, 16 Uhr, mit Eset Mavinehier. Angebote zu Hinduismus und Buddhismus seien noch nicht terminiert, so Brenner.

Daneben plant er zwei Zusatzveranstaltungen zur Diskurs-Reihe: Die erste findet am 10. September, 16 Uhr, mit dem Buchautor und Palliativmediziner Sven Gottschling statt, der als Professor an der Uniklinik des Saarlandes arbeitet. Er will sich dem Wert des Lebens an sich widmen. Wann der Jura-Professor Friedhelm Hufen die juristische Sicht auf selbstbestimmtes Sterben thematisiert, ist noch offen. Er ist Mitglied verschiedener Ethikkommissionen und wirkte am Bundesverfassungsgericht zum Thema „Selbstbestimmtes Sterben“ mit.

Dass Brenners Projekt national für Aufsehen sorgt, beweist die Stiftung Deutsche Bestattungskultur. Sie stellt die Aktion des Kaiserslauterers nicht nur ausführlich vor (https://www.stiftung-deutsche-bestattungskultur.de/projekte/was-kann-der-friedhof), sondern empfiehlt sie ausdrücklich zur Nachahmung. Dass dabei Brenners Installationen aus Grablichtern, Bannern und Gießkannen direkt übernommen werden können, verleiht der Aktion über ihre inhaltliche Bedeutung hinaus Nachhaltigkeit.

Gehöre der Tod zum Leben, so habe auch jede Aktion ein Ende, merkt Thomas Brenner noch an. Und so hat er auch eine Finissage für sein Projekt Friedhof 2.0 terminiert: Am 8. Oktober, 16 Uhr, soll sie über die Bühne gehen. Geplant ist ein Programm mit der Gruppe Present Art Collection um den Lauterer Saxophonisten Engelhardt, eine Tanzperformance mit Emelie Soderstrom (Pfalztheater) und Gästen, daneben spricht Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst, und Brenner zieht ein Fazit der Aktion. Eine Tafel mit gemeinsamem Essen rundet die Finissage ab.

Info

Eine Anmeldung zur Gemeinschaftsaktion auf dem Friedhof und im Museum ist erforderlich bis spätestens Montag, 17. Juli; Karten gibt’s ausschließlich im Vorverkauf an der Museumskasse oder können unter anmeldung@mpk.bv-pfalz.de sowie 0631 3647-205 verbindlich bestellt werden. Weitere Infos zur Aktion Friedhof 2.0 gibt’s unter https://friedhof2.letzte-inszenierung.de/#/Start.

Die fünf Weltreligionen sind demnächst Thema auf dem Friedhof.
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Reif zur Ernte: Gemüsebeet in Grabform.
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