Kaiserslautern Tief im Westen, wo der Jazz erklingt...

Eine knappe Woche hatte der Jazz Kaiserslautern fest im Griff: Die 20. Ausgabe des Kammgarn International Jazzfestivals ging im Kulturzentrum und einer externen Spielstätte über die Bühne. Sie brachte dem Publikum die Begegnung mit den unterschiedlichsten Stilen und stellenweise richtiges Festivalfeeling. Die Höhepunkte steuerten dabei einmal mehr skandinavische Musiker bei.

Zunächst einmal tat dem Festival die Ausdehnung auf fünf Tage gut und unterstrich den Gedanken einer musikalischen Strecke. Hatten sich in den Vorjahren fünf Konzerte an einem Abend an verschiedenen Spielstätten geballt, so litt der Jazzfreund bei dieser Jubiläumsausgabe nun nicht mehr die Qual der Wahl. Entsprechend gut sah auch der Besuch aus: An zwei Abenden gab es ein ausverkauftes Haus, an den anderen zumindest eine gut besetzte Zuschauerkulisse im Club des Kulturzentrums wie in seinem Großen Haus, dem Kasino. Atmosphärisch stach dabei der zweite Abend in der einzigen verbliebenen externen Spielstätte heraus: Die Schwedin Ida Sand trat mit Band vor der exotischen Kulisse eines gläsernen Pflanzenschauhauses der Gärtnerei Koch-Christmann an. Mit ihrer für Nordlichter ganz untypischen, tief souligen Stimme und einer groovenden Begleitband schuf sie ganz eigene Interpretationen der Titel der kanadischen Musikerlegende Neil Young. Spontan bereicherte ihr Landsmann Joakim Milder, der tags zuvor mit dem Marcin Walisewki Trio den Eröffnungsabend bestritten hatte und noch in der Barbarossastadt weilte, zwei Nummern mit seinem edlen, warmen Tenorsaxophon. Dieses Festivalfeeling unterstrich der Hausherr Albert Koch, der als Gast ebenfalls zwei Titel mit seinem energetischen Bluesharp-Spiel prägte. So offen war die Jazzfestivalbühne in Kaiserslautern noch nie. Milder und das polnische Wasilewski-Trio hatten im Verlauf des Eröffnungsabends gezeigt, dass sie noch mehr als den feinsinnigen Jazz in bester Klaviertrio-Tradition draufhaben – nämlich richtig heftig neoboppen können. Die dritte Festivaletappe stand mit der Halbafghanin Simin Tander ganz unter dem Vorzeichen des weltmusikalisch geprägten Jazz’. Die in Köln lebende Sängern verschmolz mit ihrem Ensemble melismatische, fernöstliche Gesangslinien und europäische Musiktradition; ihre Songs sind dabei ebenso vielgestaltig in Englisch, Französisch und dem afghanischen Paschtu vertextet. Es entstanden bildkräftige Nummern von Seltenheitswert. Traditionell steht ein Abend, diesmal der vierte, der Freitag, unter den Vorzeichen des Hauptsponsors, eines Kreditinstituts. Seine Mitarbeiter und Kunden besetzen vorrangig den Saal, im Angebot stehen meist Gruppen, die mit Jazz eher im entfernteren Sinne etwas zu tun haben. Diesmal begeisterten Die Cubaboarischen mit ihrer schrägen Mischung aus Ländler und Salsa, aus bajuwarischer Volksseele und Latin-Groove das Publikum. Im Anschluss litten die dezenteren und wieder jazzigeren Klänge der Wiesbadener Formation Hotel Bossa Nova doch arg unter der Feierlaune des Publikums. Einen dritten künstlerischen Höhepunkt aus Skandinavien steuerte neben den Schweden Milder und Sand der norwegische Trompeter Mathias Eick mit Band am letzten Abend, dem Samstag, bei. Die enormen Spannungsbögen und der atmende Trompetenton Eicks sowie die kongeniale Kreativität seiner Mitmusiker rissen das Publikum vom Fleck weg mit. Zu den bekannten kühlen Klangelegien Eicks gesellte sich diesmal bei den Stücken seiner aktuellen Produktion „Midwest“, die eine USA- und Kanada-Reise verarbeiten, wärmere Farben – ohne jedoch die typische Handschrift des 35-Jährigen zu verleugnen. Ein großartiges Konzert, vielleicht das herausragende des Festivals. Das krasse Kontrastprogramm erlebte das Publikum danach bei der Party, die die Jazzkantine auf der Bühne zelebrierte. Ihre Mischung aus Rap und Jazz zündet auch nach 20 Jahren Bandgeschichte noch, wobei klar wurde, dass die innovativsten Zeiten wohl in den Anfangstagen der bunten Truppe aus Rappern und Jazzern gelegen haben dürften. So zogen insbesondere die frühen Hits wie „Boogaloo“, „Delirium“ oder „55555“ das Publikum auf die mittlerweile erweiterte Tanzfläche. Und selbst der coole Mathias Eick, der den Auftritt im Publikum verfolgte, konnte sich ein Lächeln unter seinem Großvaterbart nicht verkneifen. Mit der saarländischen Saxophonlady Nicole Jo und ihrem energiegeladenen Fusionjazz beschloss eine regionale Formation weit nach Mitternacht den Festivalreigen, der einmal mehr bewies, dass Kaiserslautern auch dank seines Kulturzentrums Kammgarn alles andere ist als Provinz tief im Wald und tief im Westen.

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