Kaiserslautern Unbändige Pustefixe

Lasset die Kinder spielen, denn sie wissen, was sie tun. Mit den Neuen Wandermusikanten haben sich sechs Geister zusammengefunden, die sich ein ausreichendes Maß an Unabhängigkeit, Naivität und infantiler Lust bewahrt haben, um sich ihrer Musik im ursprünglichen Sinne des Wortes spielerisch zu nähern. In der Stadthalle Landstuhl entfesselten die Musikusse um die Schneckenhausener Zwillinge Roland und Bernhard Vanecek am Freitagabend wahre Begeisterungsstürme.

Das war nichts für sanfte Gemüter. Nichts für den gemütlichen Nachmittagstee, sondern fordernde Musik. Idealer Soundtrack zum Frustabbau. Da trafen vier unbändige Pustefixe und zwei Rhythmus-Verwirbeler zusammen, die Energie versprühten ohne Ende. Hier brannte ständig die Luft bei den dichten, interaktiven Gesprächen zwischen Igor Rudytskyy und Ralph „Mosch“ Himmler an der Trompete, Bernhard Vanecek an der Posaune und Roland Vanecek am Sousaphon. Die spielten sich regelrecht den Hintern ab und setzten ein Glanzlicht nach dem anderen. Mit vorwärtstreibender Mini-Trommel (Arne Moos) und verwirbelnder Perkussion (Thomas Hammer), treibenden Bassläufen als Hauptschlagader und den hochinspirierten und heißlaufenden Trompeten- und Posaunensoli. Vor allem die Vanecek-Zwillinge, vermutlich der Albtraum eines jeden Managers, der gerne kalkulieren würde. Ständig haben sie neue Ideen im Kopf, die sie dann auch noch schnellstmöglich umsetzen wollen. Denn musikalisch sind sie mit allen Wassern gewaschen. Da gibt es keine Spur von biederer Blasmusik. In den verzwickten Themen mit ihren abgedrehten Harmoniesprüngen vermischen sich wohlbekannte Melodien plötzlich mit Jazz, mit Latin oder Balkanmelodien. Und stets wird mächtig Gas gegeben – und der Humor ist zum Glück auch stets an Bord. Die „Hot Six“ legt mal gleich los wie die Feuerwehr. Beim Einmarsch durch die Saaltür offenbart sich schon ihr hoher Energie-Level. Richard Strauß’ „Also sprach Zarathustra“ wird zur rauschenden Pracht, wobei sich die beiden Trompeter mit strahlendem Glanz manifestieren. Gleichzeitig kann man Zarathustra als Symbolfigur für die Freiheit dieser sechs Individuen betrachten, die vor Optimismus nur so strotzen und diese euphorischen Züge an das Publikum weitergeben. Da muht in der „Pfälzer Prärie“ von Bernhard Vanecek das Sousaphon wie eine Kuh, Rudytskyys Trompete wiehert wie ein Pferd, und Arne Moos klappert mit den Stöcken, als galoppiere dieses davon. Auch diese Musik strahlt ungeheuren Optimismus aus und erzeugt Bilder im Kopf über die Schönheit der Westpfälzer Landschaft. Mit orchestralen Innovationen eines Gil Evans wird auch das auf einer Brasilienreise entstandene „Brasilieras“ abgeklopft. Im Gegensatz zu den vorherigen impressionistischen Soundschattierungen regiert hier der klare direkte Gesamtklang. Hart und aggressiv gespielt. Ausgestattet mit virtuoser Technik, gleitet der schneidende Ton von Rudytskyys und Himmlers Trompete wie ein Messer durch die Butter. Auch die Zwillinge sind in bester Laune. Bernhard lässt seine Posaune wie eine Stimme erschallen. Mal klingt sein Instrument fast wie ein Horn, mal leise, mal schmeichelnd, mal melancholisch, dann wiederum umwerfend laut und ungestüm. Und Roland, der Wizzard am Sousaphon, folgt ihm, ummalt die anderen Messinggötter, füllt Pausen mit perlenden Notenketten und spinnt interessante musikalische Fäden in seinen Improvisationen. Wo holt dieser Mann nur die Luft her? Ständig ist er am Brodeln. Er growlt wie ein Elefantenbaby im Urwald, er quietscht und eiert. Unerschütterlich, ohne Pause. Die drei anderen Pustefixe elektrisieren die Zuhörer mit wahnsinnig rasanten Staccati, spucken die Töne aus im Ellington-Jungle-Style. Der Hörer staunt über die schneidenden Riffs, die peitschenartigen Linien, die akkuraten Phrasierungen, die kunstvollen Verästelungen ihrer Linien, die lavaähnliche Power und die wolkenkratzerhohen High-Notes. Gegen diese Starkstrom-Phalanx setzen die beiden Perkussionisten ein Netzwerk aus subtilen Drahtseilen und feinst schimmernden Fäden, setzen dynamische Akzente und einen Strudel von Bewegungsabläufen, deren innere Gesetzmäßigkeit voller Geheimnisse ist. Das Publikum riss es in der Tat nach dem mitreißenden Finale von den Stühlen und es klatschte noch ein paar Zugaben heraus.

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