Kaiserslautern Und jazzig angehaucht

Das zehnjährige Bestehen der evangelischen Singschule der Stiftskirchengemeinde sowie des Westpfälzischen Kammerchors waren Anlass für ein Jubiläumskonzert in ganz großem Stil. Sorgen bereiten die tendenziell offenbar eher nachlassende Resonanz und die Identifikation mit solchen Projekten.

Der enorme Aufschwung des Chorwesens mit der Singschule in vier Abteilungen mit rund 100 Vokaleleven, mit dem Konzert- und Oratorienchor der Kantorei mit weiteren 80 Vokalisten sowie dem Kammerchor und schließlich noch dem Chor „Ü65“ hat als Ursache einen „Dreiklang“: einmal die Kantorin Beate Stinski-Bergmann als Initiatorin, daneben aber auch die Stimmbildnerin Antonietta Jana, die sich mehrfach als gefeierte Solistin auszeichnete und schließlich mit Eva Klamroth als Kinderchorleiterin, Pianistin und Cellistin eine vielseitig aufgestellte Interpretin und Pädagogin. Das Konzertprogramm am Sonntag zeigte einmal eine chronologische Entwicklung durch verschiedene Stilepochen, beschrieb aber auch eine geografische Reise von Italien und Deutschland bis nach Argentinien. Und schließlich erfolgten die Aufführungen der südamerikanischen Programmpunkte an der Schnittstelle zwischen klassischer, folkloristischer und jazziger Musik bei Piazzollas Charakterstück „Oblivion“ und beim „Misa Tango“ von Palmeri. „Klassische“ konventionelle Kirchenmusik gelangte zum festlich-pompösen Auftakt mit dem italienischen Barock zur Aufführung: Das Gloria von Antonio Vivaldi − eigentlich ein Satz aus einer möglicherweise komplett konzipierten Messe − erklang im harmonischen Zusammenwirken des Kammerchors mit der Kammerphilharmonie Mannheim, die Kantorin balancierte klanglich geschickt, führte souverän und inspirierte die Solistinnen Antonietta Jana und Charlotte Schwarzer (beide Mezzosopran) zu Höhenflügen in makelloser stimmlicher Schönheit. Übrigens stammt Schwarzer aus der eigenen Jugendarbeit und bestätigte mit ihrer stimmlichen Reinheit im Duett mit Jana diese erfolgreiche Aufbauarbeit. Der Kammerchor erwies sich einmal mehr als ein stilistisch beweglicher, in ästhetisierender Klangkultur und plastischer Deklamation artikulierender Klangkörper. Dies führte dann in der romantisch gestimmten Hymne von Felix Mendelssohn-Bartholdy mit einer subtilen Orgelbegleitung von Stefan Viegelahn zu ergreifenden Momenten musikalischer Faszination und Inspiration: Einmal mehr löste Janas über dem Chorklang sanft schwebender Sologesang in dieser Verinnerlichung und Entrückung und in melodischer Anmut Betroffenheit aus; nicht emphatisch in aufschwingendem romantischem Jubel, sondern in feinsten Nuancen und subtilen Klangwirkungen. Es spricht für die geschickte Programmdramaturgie der verantwortlichen Kantorin, dass passend zu diesem Tonfall Piazzollas „Oblivion“ ausgewählt wurde. Und die Flötistin Sonja Göbel reizte dessen pastose Lyrik in feinsten melodischen Linien und kantabel-geschmeidiger Tongebung aus. Wieder unterstützt vom bestens disponierten Mannheimer Orchester, das dann aber erst mit dem letzten Werk seinen größten Auftritt hatte. Die Kammerphilharmonie Mannheim ist ein stilistisch ungewöhnlich vielseitiges und aufgeschlossenes Orchester, das von historischer Aufführungspraxis bis hin zu solchen Projekten mit jazzigen Einflüssen Höchstleistungen bietet. Herausragend der ausgeglichen klingende Oboenpart. Die zum Ausklang aufgeführte Tango-Messe von Martin Palmeri basiert auf lebhaft pulsierenden südamerikanischen Rhythmen, elektrisierenden Melodien und jazzig angehauchten Harmonien. Die Messe war für die Jugendkantorei, den Kammerchor und für weitere Instrumentalsolisten wie die exzellente französische Akkordeonistin Marie Derieux und den Pianisten Stefan Viegelahn eine gewinnbringende Herausforderung. Alle bewältigten sie unter dem Dirigat der Kantorin klanglich homogen bei gleichzeitiger Solidität aller Abläufe und Sätze. Dabei griffen sie bisweilen sogar den pochenden, energisch-drängenden Impuls auf.

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