Kaiserslautern Vier Magier der Gefühle

Ein junges Ensemble „alter Hasen“, die Erfurter Formation Par-ci, Par-là, begab sich am Sonntagabend im Rahmen der Diemersteiner Konzertreihe auf die Reise von Buenos Aires nach Paris via Lemberg und Leipzig. Die Zuhörer in der ausverkauften Villa Dennis erlebten zwei höchst unterhaltsame, vergnügliche Stunden.

In der Tat, sie waren einmal hier und einmal dort, die vier exzellenten Musiker des Erfurter Ensembles. Mal spielten sie klassische Tangos à la Piazzolla, mal französischen Musette oder Klezmer, aber auch Bach durfte bei diesem Ensemble aus der Heimat des vielleicht größten Komponisten aller Zeiten nicht fehlen. Arabesken, waghalsige Improvisationen und mediterrane Leichtigkeit verdichteten sich bei diesem Quartett zu märchenhaften Klangfarben. Das zeigte sich besonders bei den Tangos von Astor Piazzolla wie „La cumparsita“. Da spielten die Vier nicht nur mit optimalem Biss, sondern genau mit den Zwischentönen, Glissandi und Schwankungen, die Piazzollas Musik so unverkennbar machen. Vor allem Thomas Richter zeigte sich auf der Bass-Klarinette als ein Musiker, der alle agogischen Raffinessen radikal auslebte. Bei allen ausschattierten Farben und immer wieder rohen Brutalismen hatte seine Darbietung einen Grad an Schmelz, der süchtig machte. Auch der Farbwechsel zwischen dem Klarinettisten und dem Ensemble war dramaturgisch perfekt inszeniert. Conni Schönherr begeisterte dazu im „Tango Gosselin“ mit zungenakrobatischem Scat-Gesang, wusste sich dabei auch glänzend in die Klangfarbe der argentinischen Sprache einzufühlen und dialogisierte gekonnt mit Richters Staccato-Ketten. Auf der Trompete hingegen erwies sich Schönherr mit ihrem makellosem Ton als Magierin der Gefühle und schmiegte ihre Linien balladesk kontrolliert an die manchmal scharfen Kanten des Ensembles, dessen Akzente wie gemeißelt kamen. Auch bei den Klezmer-Titeln erwies sich Richter als ein Meister seines Instruments, indem er es zum Sprechen brachte. Die Klarinette lachte und weinte, zeterte und schimpfte, und das langanhaltende, melancholisch klingende Legato von Trompete und Akkordeon untermalte er mit sprudelnden Läufen, mit herrlichen Spaltklängen und seufzenden Glissandi in den tiefsten Lagen. In einen hypnotischen Sog zog das Quartett seine Hörer auch mit den französischen Chansons wie Edith Piafs „Padam“ oder Gilbert Becauds „Nathalie“. Ironisch gebrochen intonierte Conni Schönherr, und in ihrem Gesang vereinigten sich tiefe Melancholie und sprudelnde Lebensfreude, während Benjamin Langhammer am Kontrabass mit großem Ton Tempo und Akzente bestimmte. Klarinette und Trompete gingen die Temposteigerungen mühelos mit und spielten sich schließlich in einen Rausch. Am Akkordeon zeigte Bärbel Einenkel mal elegisch-melancholische, mal eruptiv-vitale Qualitäten, ging die ungestümen Jagden mit Leichtigkeit mit, umkreiste die Melodien mit girlandenhaften Linien oder rhythmisch abrupten Akkorden und schichtete jedes Mal wechselnde Klangfarben darüber. Im zweiten Set zauberte das Quartett vorweihnachtliche Stimmung herbei. Mit „Es kommt ein Schiff geladen“ und „Maria durch ein’ Dornwald ging“ sang sich Schönherr mit ihrer leicht angerauten Altstimme in die Herzen der Zuhörer: wunderbar einfühlsam und in protestantischer Schlichtheit. Ein Alternativbild entwarf sie locker parlierend und mit herrlich klarem Ton auf der Trompete, während Richter auf der Bassklarinette wunderbar zart und am Saxophon jazzmäßig balladesk begleitete. Als Gast brillierte Sabine Grofmeier, künstlerische Leiterin der Diemersteiner Musikreihe, mit warmem Ton, hochkonzentriertem Spiel und selbstverständlichster Leichtigkeit. Einen würdigen Ausklang fand das wunderbare Konzert mit Bachs polyphon gesetztem „Wachet auf, ruft uns die Stimme“. Begeisterter Beifall. Eine Zugabe.

x