Kaiserslautern Wenn Künstler auf dem Rathausdach zelten gehen

Mutet an wie eine Aufnahme aus alten Tagen: Foto aus dem Kamerazelt des Künstlerduos.
Mutet an wie eine Aufnahme aus alten Tagen: Foto aus dem Kamerazelt des Künstlerduos.

Während im Rathaus die Hirne heißlaufen in Sachen digitale Stadt, fand am späteren Mittwochnachmittag auf dem Dach desselben eine coole und ganz analoge Kunstaktion statt. Die Zutaten: ein Zelt nebst den beiden Fotografen Hamdi Reda (Kairo) und Jörg Heieck (Kaiserslautern).

Es war nicht die erste Kunstaktion, die das Rathaus und genauer das Twentyone im luftigen 21. Stockwerk erlebte. Denn vor Jahren war es schon einmal Heieck, der auf der Terrasse des Gastrobetriebs einen bedeutenden Schritt in Sachen seiner „Barrique-Fotografie“ vorangekommen war. Im Wesentlichen hatte er dabei auf 304,8 Metern über Null ein Weinfass zur Lochkamera umfunktioniert und damit ein Stadtpanorama aus luftiger Höhe eingefangen (wir berichteten). Diesmal baute er mit seinem ägyptischen Kollegen und Freund Hamdi Reda ein ganzes Zelt auf – gleich einer Camera Obscura ohne Linse. Ein altes US-Zelt aus Heieckschen Beständen wurde dabei in dreistündiger Arbeit sicher auf der Terrasse verankert und mit schwarzer Teichfolie gegen das Tageslicht abgedichtet. Einzig ein kleines Löchlein ließ Licht ins Zeltinnere und erzeugte damit die Projektion eines Lauterer Stadtpanoramas auf einer Leinwand und später auch auf Fotopapier. Ganz nach dem Prinzip der Lochkamera eben. Erstaunlich, wie im dunklen Zeltinneren bei längerer Betrachtung die Stadtansicht an Kontur gewann, wenn man das Löchlein noch verkleinerte, eine Linse davorhielt oder den Abstand zur Leinwand veränderte. Die größte Schwierigkeit beim Belichten des Fotopapiers sei dabei die Belichtungsdauer, wie der promovierte Physiker Heieck verriet. Nicht zum ersten Mal baute Reda ein solches Fotozelt auf. Neben dem Probelauf in den Räumen der KWG Anfang dieser Woche hatte er im vergangenen Jahr eines in den Vereinigten Emiraten installiert, um dort die beeindruckende Landschaft im wahrsten Wortsinne abzulichten. Allerdings habe das Zelt damals aus Kamelhaarwolle und damit aus einem traditionellen Material bestanden. Ein Schelm, wer nun denkt, dass Reda und Heieck mit Plastik nun ein typisch westliches Material gewählt hätten, war dies doch nur den Umständen geschuldet. Doch die künstlerische Intention, die Stadt in anderem Licht, in einer anderen Perspektive zu zeigen und damit zur Reflexion über Stadt- und Raumentwicklung anzuregen, war das ureigenste Anliegen des sympathischen Ägypters und seines deutschen Freundes. Ob beabsichtigt oder nicht, setzte die Kunstaktion, die unter dem Arbeitstitel „Zusammen“ läuft und weiter geführt werden soll, nebenbei ein Zeichen: Kunst muss gottlob nicht digitalen Trends anhängen, sondern kann sich ganz analog der realen Welt widmen. Wie wohltuend im alles dominierenden Hype um Bits und Bytes!

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