Kaiserslautern Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht

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Benjamin Czerny, Finder des „Barbarenschatzes von Rülzheim“, ist auch in zweiter Instanz der Unterschlagung schuldig gesprochen worden. Das hat das Landgericht Frankenthal gestern entschieden. Das Strafmaß reduzierte die Richterin jedoch von 15 Monaten Haft auf Bewährung auf acht Monate – weil der Speyerer den Fund abgegeben hat und der „Barbarenschatz“ ohne ihn wahrscheinlich nie gefunden worden wäre.

„Hoch narzisstisch“ – so charakterisiert Czernys Anwalt seinen Mandanten in seinem Abschlussplädoyer. Benjamin Czerny sagt von sich selbst, er leide an Profilierungslust. Und dass ihm Ruhm wichtiger sei als Geld. Unangenehm scheint ihm der Medienrummel gestern jedenfalls nicht zu sein. Bereitwillig tritt er vor Kameras und Reporter. Während die Menge vor dem Sitzungssaal auf Einlass wartet, spricht er über seine Faszination für Geschichte, über sein Hobby, über das in Rheinland-Pfalz geltende Schatzregal. Dieses Gesetz besagt, dass Bodenfunde von wissenschaftlicher Bedeutung bei ihrem Auffinden in das Eigentum des Landes übergehen. Im Mai 2013 soll Benjamin Czerny gegen das Schatzregal verstoßen haben. Damals zog er mit einem befreundeten Ehepaar im Wald bei Rülzheim (Kreis Germersheim) mit einem Metalldetektor los – und machte einen Sensationsfund: über 100 Teile aus dem 5. Jahrhundert, darunter ein Silberteller, Gewandapplikationen und ein mit Statuetten verzierter Klappstuhl. Geschätzter Wert: rund 500.000 Euro. Gemeldet hat Czerny den Fund jedoch erst im Dezember 2013 – und das auch nur, weil da bereits polizeilich gegen ihn ermittelt wurde, befand das Amtsgericht Speyer im Februar vergangenes Jahr und verurteilte den heute 24-Jährigen zu einer Haftstrafe von 15 Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe von 3000 Euro. Zudem sei durch Czernys Grabung der Fundort zerstört worden; Rückschlüsse darauf, unter welchen Umständen der Schatz an seine Stelle kam, könnten Wissenschaftler nicht mehr ziehen. „Wie schaut’s aus? Wollen wir uns unterhalten?“, fragt die Richterin gestern zu Beginn der Verhandlung. Und Czerny erzählt. Wie er als Sechsjähriger von seinem Vater seinen ersten Metalldetektor geschenkt bekam. Später im Internet Videos von Schatzfindern sah und sich dachte: „Es wäre schön, auch mal sowas zu finden.“ Wie er sich mit 16 Jahren beim Landesamt für Denkmalpflege als ehrenamtlicher Schatzsucher bewarb, aber abgelehnt wurde. Und natürlich, wie er seinen großen Fund machte und den anschließenden „Medienwahn zu meinem Vorteil nutzte“, indem er einen Internethandel für Metalldetektoren, Bestimmungsbücher für Münzen und anderes Handwerkszeug für Schatzsucher gründete. Warum er den Fund nicht gleich den Behörden gemeldet habe, obwohl ihm das Schatzregal bekannt gewesen sei, will die Richterin wissen. Czerny bezeichnet sich als jung, naiv, sagt, ihm sei die Bedeutung des Fundes nicht bewusst gewesen, er sei ja kein Experte. Und dass er erst sichergehen wollte, was genau er gefunden habe, um sich nicht vor der Landesarchäologie in Speyer zu blamieren. Zwei Zeugen, die bei der Verhandlung gehört werden, zeichnen ein anderes Bild von Czerny. „Wer sich ein bisschen mit der Materie auskennt, weiß sofort, was er bei solch einem Fund vor sich hat“, sagt der Polizeibeamte, der damals gegen Czerny ermittelte und selbst über Erfahrung als ehrenamtlicher Schatzsucher verfügt. Und auch die Mitarbeiterin der Landesarchäologie, der Czerny seine Funde präsentiert, hat den Eindruck, dass er sich gut auskennt, da er die Fundstücke recht genau datiert hatte. Czernys Verteidiger fordern gestern einen Freispruch, da ihr Mandant den Schatz freiwillig abgegeben habe. Die Staatsanwältin jedoch sieht es als erwiesen an, dass der Speyerer den Schatz behalten wollte, ihn nur aufgrund der Ermittlungen gegen ihn herausgab. Auch die Richterin sieht den Tatbestand der Unterschlagung erfüllt. Fest macht sie dies am 16. Dezember 2013: Da hat Czerny einen Termin bei der Landesarchäologie. Zu diesem Zeitpunkt ist die Polizei bereits durch Czernys Internetvideos auf ihn aufmerksam geworden und ermittelt, vom Sensationsfund weiß sie allerdings noch nichts. Zu seinem Termin bringt Czerny einige Fundstücke mit – und eine Liste, die jedoch nicht vollständig ist. Ob es noch weitere Fundstücke gibt, fragt die Archäologin. Nein, soll Czerny geantwortet haben, nur noch „Mittelalterschrott“. Dabei, so die Richterin, habe Czerny die spektakulärsten Objekte aus seinem Fund nicht in die Liste aufgenommen – für sie der Beweis, dass er den Wert des Schatzes kannte und ihn behalten wollte. Die Geldstrafe in Höhe von 2000 Euro soll der Stiftung Denkmalschutz zugute kommen. Czerny zeigt sich nach Urteilsverkündung enttäuscht. Er spricht von einem „traurigen Tag für die Archäologie“, von einem „politischen Urteil“: An einem ehrlichen Finder solle ein Exempel statuiert werden. Laien sollen so vom Graben abgehalten werden, meint er. Er fürchtet, dass sich in Zukunft weniger Schatzfinder bei den Behörden melden werden. Czerny selbst will weitergraben – von nun an aber in Kooperation mit den Experten. Ob er gegen das Urteil erneut in Berufung gehen will, weiß er gestern noch nicht. „Da muss ich erst einmal drüber schlafen.“

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