Kaiserslautern Wie der antike Griechendichter

Der Thespiskarren im Hof der Kammgarn am 28. Mai 1988. Szene aus der „Pälzisch Weltgeschicht“, links Zbigniew Krzeszowiak als Go
Der Thespiskarren im Hof der Kammgarn am 28. Mai 1988. Szene aus der »Pälzisch Weltgeschicht«, links Zbigniew Krzeszowiak als Gottvater und daneben die Engelein, die ebenfalls von Krzeszowiak Tanzunterricht erhielten.

Mit drei Großveranstaltungen hat das Kulturzentrum Kammgarn vergangene Woche sein 30-jähriges Bestehen kräftig gefeiert. Der Blick des ehemaligen Pfalztheater-Tänzers und Choreografen Zbigniew Krzeszowiak reicht weiter zurück in die Vergangenheit: Der knapp 71-Jährige hat 1988 die Eröffnung des Kulturtempels gestaltet.

Daheim auf dem Espensteig sichtet Krzeszowiak alte Fotos sowie erstaunlich gut erhaltene Film- und Videoaufnahmen der Kammgarn-Anfänge. Der aus Posen stammende Tänzer kam 1978 über Stationen am Theater in Wien und in Flensburg nach Kaiserslautern. Hier trat er gemeinsam mit seiner Frau – der Kammersängerin, Schauspielerin und bis heute vom Publikum umschwärmten Geertje Nissen – ein Engagement am Pfalztheater an. Mit 39 Jahren beendete Zbigniew Krzeszowiak „ganz bewusst“, so betont er, seine Karriere als Solotänzer. Seine Leidenschaft für den Tanz freilich blieb ungebrochen. Mit Unterstützung des damaligen Oberbürgermeisters Theo Vondano (CDU) baute er in der Musikschule eine Tanzklasse auf, machte Ballett an der Uni und brachte zum 200. Jahrestag der Erstaufführung eine bildwirksame „Zauberflöte“ auf die Bühne der Fruchthalle. 1987 choreografierte er zur Einweihung von Gernot Rumpfs bronzenem Kaiserbrunnen am Mainzer Tor einen „Tanz der Brunnengeister“. „Dabei kam ich ins Gespräch mit Richard Müller, dem späteren Geschäftsführer der Kammgarn“, erinnert sich Krzeszowiak. Er entwarf einen Thespiskarren, wie ihn der antike Griechendichter für seine Aufführungen benutzt haben soll. Der Wagen kam zunächst für eine getanzte „Max und Moritz“-Fassung im Hof der Musikschule sowie eine Aufführung von Strawinskys „Petruschka“ zum Einsatz. Bilder und Filme dieser drei Jahrzehnte zurückliegenden Ereignisse, die ihm überwiegend von den Eltern seiner damaligen Schüler zur Verfügung gestellt wurden, führt Krzeszowiak dem Besucher auf einem mobilen Computer-Klapprechner vor. Zbigniew Krzeszowiak nennt die Namen der Mitwirkenden. Er referiert, wohin es sie verschlagen hat, was aus ihnen geworden ist – und dass der eine oder die andere die Tanzbegeisterung auf die eigenen Kinder übertragen hat. Schon laufen Szenen vom 28. Mai 1988 über den Bildschirm. Krzeszowiaks Thespiswagen im Hof der neu eröffneten Kammgarn. Die Pfalztheater-Souffleuse und Mundart-Rezitatorin Annemarie Altschuh liest aus der „Pälzisch Weltgeschicht“ von Paul Münch. Mit weißem Rauschebart erscheint Zbigniew Krzeszowiak auf dem Dach des Karrens. Er spielt den Lieben Gott, erschafft die beiden ersten Menschen, die sich bis zu ihrem Sündenfall in einem wahrhaft paradiesischen Garten Eden an Leckereien aus dem Café Fegert gütlich tun. Flankiert werden Adam und Eva von einer Schar kleiner und kleinster Engelchen, die gleichfalls aus dem Krzeszowiak-Tanzstudio kommen. Auf Paul Münch folgte Igor Strawinsky, dessen „Geschichte vom Soldaten“ Krzeszowiak am zweiten Tag der Kammgarn-Eröffnung tanzte und pantomimisch aufbereitete. Eine weitere und engere Zusammenarbeit mit der Kammgarn kam zu Krzeszowiaks Bedauern nicht zustande. Allerdings führte er Jahre später hier das Tanz- und Musikstück „Katzenträume“ auf. Der Thespiskarren lagert übrigens demontiert in einer Garage auf dem Espensteig – und wartet darauf, endlich wieder an die Theaterluft geholt zu werden.

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