Kaiserslautern Wieder mal gut gebrüllt

Bringt die Untiere musikalisch voran: David Punstein.
Bringt die Untiere musikalisch voran: David Punstein.

Im gewohnten Fahrwasser unter voller Takelage weiter auf Erfolgskurs segeln: Das haben sich die Kabarettisten in Gestalt der Untiere auch fürs neue Jahr 2018 vorgenommen. Während die zündenden inhaltlichen Ideen durch die lokal- bis bundespolitischen Steilvorlagen scheinbar nie ausgehen, haben sie sich dennoch auch durch die gestiegene musikalische Qualität davon unabhängiger gemacht. „Auch ohne Schilda“ ließe sich somit in „Lautringen“ gut überleben.

Denn: Jazz-Standards wie „My Baby Just Cares For Me“ von Walter Dondaldson mit dem originellen, satirischen Text von Gus Kahn sind durch die fallende Basslinie, den an ein Scherzo erinnernden Tonfall und mit Marina Tamassys als Sängerin auch ohne Umtextierung eine Wucht und Parodie. Durch die lokalpatriotische Bezugnahme auf „Klausi“ als Babyersatz wird der Jazzklassiker erst recht zum Brüller. „Mein Klausi ist ein Held – er kennt jeden Dreh“ schwärmt hier Tamassy, und die Band hat den Dreh raus im gekonnten Wechselspiel aus Beat-Bass in fallenden Sekunden und Off-Beat. Überhaupt haben die Untiere mit David Punstein am Piano an Ideenreichtum und Solidität gewonnen, so dass jetzt Wolfgang Marschall als Schlagzeuger auch mal coole Breaks als Überleitung einsetzt und sich die Frontsängerin, gestützt von einem souveränen Bass von Philipp Tulius, mit Koketterie dem Inhalt widmen kann. Dabei wären die umtextierten und frei bearbeiteten Musiknummern wie der weitere Klassiker „My Way“ und schließlich „The Show Must Go On“ nach der britischen Rockband Queen eine Attraktion für sich, denn die künstlerische Qualität und Expressivität stimmen, das Timing der Abläufe ist präzise koordiniert und der Nerv stilistisch getroffen. Im gesprochenen Wortkabarett besteht die Kunst ebenfalls darin, Bewährtes zu belassen, um es mit neuen Inhalten zu füllen. Ort und Zeit - K’ Town im Jahresrückblick – bleiben, doch die Themenfelder wechselten. Es scheint, als kämen nach und nach alle dran: Bislang vernachlässigte Zielscheiben des Spotts ebenso wie ungewohnte Sichtweisen. So sah Marschall nach Ablauf der Schonzeit der Grünen diese angekommen in der Riege der „Filzokratie“ und sieht dennoch etwas Gutes: „Wenn schon Bananenrepublik, dann wenigstens Bio!“ Ungewöhnlich, aber gewohnt spitzfindig ist es aber, die einst blühenden Märkte von Opel und Pfaff (Nähmaschinen gingen um die ganze Welt) in gedankliche Verbindung mit dem BIC-Code der hiesigen Stadtsparkasse zu bringen: MALADE. Und dies als Synonym für Untergang anstelle beschriebener rauchender Schlote und industrieller Aufbruchstimmung der Nachkriegszeit. MALADE – so weit sind wir gekommen! Schwärmte man früher von Opelanern und Pfaffianern als Branchenführer, so sieht Marschall durch die Übernahme der Automarke mit dem Blitz durch den brüllenden französischen Löwen (PSA-Konzern) auch lokal eine Kuriosität: Der einstige Marktriese teile sich doch schon das Gelände mit dem schwedischen Platzhirsch IKEA. Ohnehin sieht optimistische Themengestaltung nach dem gewählten Motto „Neues Jahr! Neues Glück!?“ anders aus: Privatsender und Alkohol am Fernseher – da schrumpfen in Marschalls Hochrechnung Gehirn- und Leberzellen um die Wette. Gedankenspiele auch zum Thema GroKo (Große Koalition): Wer wie Siegmar Gabriel an Mutti Merkels Garderobe sein Rückgrat abgebe, der könne natürlich nicht aufrecht, aufrichtig sein! Gut gebrüllt, wieder einmal.

„My Klausi Just Cares For Me“: Marina Tamassy und Philipp Tulius.
»My Klausi Just Cares For Me«: Marina Tamassy und Philipp Tulius.
Ungewohnte Sichtweisen: Ober-Untier Wolfgang Marschall.
Ungewohnte Sichtweisen: Ober-Untier Wolfgang Marschall.
x