Kaiserslautern Zur Sache I: Die Debatte um den späteren Schulbeginn

Forscher wie der Neurobiologe Peter Spork oder der biologische Psychologe Jürgen Zulley, die sich mit der Chronobiologie und dem Schlaf-wach-Rhythmus des Menschen beschäftigt haben, plädieren für einen späteren Beginn der Schule. Denn alle Untersuchungen scheinen eines zu belegen: Während Kinder und ältere Menschen ein eher lerchenhaftes Leben pflegen – sie gehen früh zu Bett und stehen früh auf –, neigen Jugendliche und junge Erwachsene dazu, zu Eulen zu werden. Sie werden später müde, gehen daher später zu Bett, sind dann aber morgens um 6 Uhr noch nicht ausgeschlafen. Da die Forscher überdies Jugendlichen acht und Erwachsenen sieben Stunden Schlaf empfehlen, müssten Schul- und Arbeitszeiten dringend angepasst werden. Mit der inneren Uhr, die ein sogenanntes Schlaffenster vorgibt, das sich mit dem Alter verschiebt, erklärt Chronobiologe Till Roenneberg, Professor am Institut für Medizinische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, dies. Einfach früher schlafen gehen funktioniere da nicht. 19-Jährige müssten teils während ihrer inneren Mitternacht am Unterricht teilnehmen. Deshalb warnt er vor einer „biologischen Diskriminierung“ für Spätschläfer. Auch in der deutschen Pisastudie wurde ein relevanter Zusammenhang zwischen dem Ausgeschlafensein und Lernerfolgen festgestellt. Roenneberg fordert deshalb, Klassenarbeiten nicht vor 11 Uhr zu schreiben. Zu dieser Zeit seien auch die Frühtypen – die es auch bei Jugendlichen gebe – noch leistungsfähig. Auch Bildungsministerin Manuela Schwesig schlug vergangenes Jahr in diese Kerbe. Eine „Entschleunigung am Morgen“ wünschten sich die Eltern, doch sei für einen späteren Unterrichtsbeginn ein Wandel der Wirtschaft, der Arbeitswelt nötig. Dies betonten auch Lehrervertreter. Organisatorische Voraussetzungen müssten für die Frühbetreuung geschaffen werden. „Ganztagsschule neu zu denken“ forderte etwa die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, Simone Fleischmann, flexible Zeiten am Morgen bis 9 Uhr etwa. Keine Realisierungschancen gibt der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, den Überlegungen. Seine (bekannten) Argumente: Koppelung mit Arbeitszeit, Schülerbeförderung, der unweigerlich folgende – und eher ungewünschte – Nachmittagsunterricht. Außerdem: In keinem europäischen Land beginne die Schule überwiegend erst um 9 Uhr. In manchen Bundesländern, wie etwa Hamburg, bleibt mittlerweile den Schulen überlassen, wann sie mit dem Unterricht anfangen. In Rheinland-Pfalz ist ein solches Vorgehen grundsätzlich auch vorgesehen. „Die Organisation der täglichen Unterrichtszeit ist Sache der einzelnen Schulen“, sagt Eveline Dziendziol, Pressesprecherin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD). Allerdings wird in der Grundschulordnung vorgegeben, dass der tägliche Unterrichtsbeginn „in der Regel um 8 Uhr“ liegen sollte und in der Übergreifenden Schulordnung, die für die weiterführenden allgemeinbildenden Schulen gilt, steht, dass der Unterricht „nicht vor 7.45 Uhr“ beginnen sollte. Die genauen Zeiten müssten letztlich Schulleiter, Schulträger, Schulelternbeiräte und die Träger der Schülerbeförderung gemeinsam festlegen, sagt Dziendziol. (ipf/dbö) Wortlaut Grundschulordnung Rheinland-Pfalz, § 20: „Der Unterricht beginnt in der Regel um 8.00 Uhr und endet in der Regel für die Klassenstufen 1 und 2 nicht vor 12.00 Uhr, für die Klassenstufen 3 und 4 nicht vor 13.00 Uhr (Volle Halbtagsschule). Aufgrund örtlicher Gegebenheiten und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Erfordernisse im Zusammenhang mit der Beförderung der Schülerinnen und Schüler können diese Kernzeiten verändert werden. Dabei muss sichergestellt sein, dass der Unterricht nicht vor 7.30 Uhr und nicht nach 8.30 Uhr beginnt und die tägliche Aufenthaltsdauer der Kinder der Klassenstufen 1 und 2 in der Regel mindestens vier Zeitstunden und der Klassenstufen 3 und 4 in der Regel fünf Zeitstunden beträgt.“

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