Kaiserslautern Zwischen Kunst und Klamauk

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So, wie der Musikclub Ventil im Bildhaus auf dem Hahnbacherhof bei Schallodenbach am Samstag dem Fußball-Fieber im Viertelfinale trotzte, widersetzte sich auch die dort gastierende, auf pfälzisch rockende Band „Schlappschnut“ dem Trend.

Was sich in Bayern seit vielen Jahren in urwüchsiger Mundart an Verdruss und Mutterwitz Luft macht, das hat vom Alpenrand bis zum Pfälzerwald Wellen geschlagen: Die vier Musiker aus dem Raum Rockenhausen nahmen wohl ihren Heimatort wörtlich und rockten; und zwar nach Titeln der Rolling Stones, von Hazy Osterwald, Knut Kiesewetter und David Bowie. Also noch eine weitere Cover-Band? Mitnichten! Ähnlich fing es so auch bei der bayerischen Spider Murphy Gang an, die mittlerweile als vergleichbare Formation im nächsten Jahr ihr 40-jähriges Bestehen feiert. Die Bayern begannen auch mit Rocktiteln, texteten sie aber um, was die „Schlappschnut“ nun auf „pälzisch“ nachmachen, und beispielsweise im Refrain skandieren „In de Palz loßt sichs läbe, mer sinn a Pälzer Bänd“. Die Band hat zwar allein mit ihren humorigen, jovialen und frivolen Texten, die zur Hälfte in Mundart gehalten sind, einen hohen Unterhaltungs- und Wiedererkennungswert, aber zunächst mal eine große spielerische Solidität und stilistische Originalität vorzuweisen. Was Uli Kuntz am Schlagzeug an polyrhythmischen Finessen stets passend zum Rockfeeling hervorbringt, hat Hand und Fuß, sitzt wie ein maßgeschneiderter Anzug. Der Bassist spielt ja immer synchron. Anders Martin Masurat, der zudem als stimmlicher Dialogpartner von Frontsänger Frank Sidor wie der ruhende Pol in dieser sonst quirligen Formation wirkt. Ergänzt von einem Ausnahme-E-Gitarristen wie Stefan Dautermann, der eigentlich alles kann. Kurze, rhythmisch prägnante Riffs untermalen den kernigen Sound, oder pulsierende Achtelrhythmen bringen den nötigen Impuls und improvisiert klingende Soli wirken als Kontrast zum prägenden Gesangspart, der das pfälzische Lebensgefühl vom „Kuhboy“ bis zum schreiend komischen „Wildwechsel“ begleitet. Da steckt eine Gratwanderung zwischen Kunst und Klamauk dahinter, wenn die vier alles andere als schlapp machen, sondern zum Angriff gegen erstarrte Routine, Konvention und Tradition übergehen. Aber auch Realsatire, wenn das „Händy“ als Suchtgefahr der Zeit textlich und komödiantisch karikiert wird. In den Arrangements und der Präsentation zeigt sich eine überzeugende Adaption der Stilmittel der goldenen „Rockies“, denn der melodische Kern, der rhythmische Impuls und das harmonische Zusammenwirken verraten eine fundierte Kenntnis der Stilistik seit den 1960er Jahren, die seit vier Jahren gemeinsam erarbeitet wird. Dabei machen sie auch vor Tangotiteln wie „Kriminal Tango“ nicht halt, schaffen hier das Kunststück, Tangoidiom mit Rock zu verschmelzen. Und der eigentliche Swing des „Macky Messer“ nach Kurt Weill sticht jetzt im Rock’n’Roll genauso wirkungsvoll zu. Kulttitel wie „Riders in the Sky“ der Country- und Western-Musikszene werden mit Rockklassikern in einen Topf geworfen: Heraus kommt kein Einheitsbrei, sondern dabei entstehen immer wieder originelle eigene Mischungen mit kuriosen Textierungen, die doch immer im Tonfall genau zu den musikalischen Vorlagen passen. Mit einer guten Intonation der Stimmführung der beiden dialogisch verbundenen Gesangsstimmen und einer spielerischen Akkuratesse im instrumentalen Bereich setzten die vier Underdogs – die wirklich keine Schlappis sind – Maßstäbe, was den kreativen Umgang mit Oldies anbelangt. |rhe

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