Karlsruhe Der Kartoffel soll es gut gehen

Über den Schifferstadter Acker des Waldseer Landwirts Franz Sternberger rollt ein Kartoffelroder. Das wäre an sich nichts Besonderes, würden auf dem Feld nicht mehr Leute herumspringen, als für eine „normale“ Kartoffelernte nötig sind. Aber heute werden auch nicht einfach nur Erdäpfel aus dem Boden geholt. Heute wird untersucht, ob es den Grumbeere dabei gut geht. Und dazu kommt ein blau-gelbes Ding zum Einsatz, das von der Form her einer Kartoffel gleicht. Und das sich – auch wenn es sich weder schälen noch pellen lässt – zumindest in die Haut der Ackerfrüchte hineinversetzen kann. Agraringenieur Ingo Stöcker von der Bolap in Speyer, der Gesellschaft für Bodenberatung, Laboruntersuchung und Qualitätsprüfung, arbeitet im Auftrag der Erzeugergemeinschaft Pfälzer Grumbeere seit Mai mit dem bunten Ei. Es ist allerdings bereits die zweite Ausführung. Ein erster Erntetermin lief unter dem Titel „Man erntet nur einmal“: Hightech-Kartoffel Nummer eins kam unter die Räder. Sie war danach – da ähneln sich Technik- und Naturprodukt dann doch – Kartoffelbrei. Peter Schmitt, Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft, schaut zu, als sich der Kartoffelroder über den Damm schiebt. Die kalten Metall-Schaufeln der Maschine, die Schare, greifen nach der elektronischen Kartoffel, heben sie aus der Erde und lassen sie rollen. „Sie durchläuft mit den Kartoffeln den Weg durch die Maschine und landet oben auf dem Verlesetisch, wo ich sie wieder in Empfang nehme – bevor sie verpackt wird und verschwindet.“ Stöcker braucht die elektronische Knolle, sie muss Daten liefern. Daten, die verraten, wie rasant die Fahrt durch den Kartoffelroder war. Ausgestattet mit Sensoren, nimmt sie Intensität, Dauer und Anzahl aller Stöße wahr. Die Beschleunigung wird dabei in Gramm gemessen. Beim Auswerten erkennt der Agrarexperte, an welchen Stellen der Maschine krumme Dinge laufen, die mechanische Belastung für die Kartoffeln zu hoch ist. Was abstrakt klingt, wird deutlicher, als Hartmut Magin aus dem Führerhäuschen seines Traktors springt. Der Besitzer des Roders klappt eine Seitenwand auf und gewährt Einblick ins Innere der Maschine: „Hier, wo die Kartoffel vom Schar auf die Siebkette kullert, können schon die ersten Probleme auftauchen. Dann, wenn der Übergang zu hart ausfällt“, erklärt der Mutterstadter Landwirt. Auf ihrem Weg durch das Maschinen-Dunkel müssen die Grumbeere jedoch noch mehr Gefahrenstellen überwinden, ehe sie vor den Augen der Erntehelfer wieder ausgespuckt werden: Auf dem Siebband werden die Knollen von klebrigen Erdklumpen befreit. Auf dem Krautband werden sie vom Grünzeug getrennt. Auf Igelbändern werden noch mal kleinere Grundbröckchen und Feinerde aussortiert. Geht es bei der Fahrt zu schnell in die Kurve oder sind die Fallstufen zwischen den Bändern zu hoch, holen sich die Kartoffeln blaue Flecken. „Erkenne ich solche Probleme, kann ich nachjustieren“, erklärt Magin. Seine Schaltzentrale ist vorne im Traktor. Mit einem Computer wird der Kartoffelroder gesteuert und eingestellt. „Nee, bei dieser Maschine muss keiner mit dem Werkzeugkoffer anrücken, hier passiert alles auf Knopfdruck“, sagt Magin. Während der Landwirt wie von Zauberhand Schräubchen bewegt und Bänder entschleunigt, kann Stöcker unsichtbar Kontakt zur Elektro-Knolle halten. Sein mobiles Büro auf dem Feld besteht aus einem Tablet. Der tragbare Computer ist über Bluetooth mit der Knolle verbunden. Dass er keinen Unfug erzählt, demonstriert Stöcker mit seinem Knie. Gegen das lässt er das Hightech-Wunder dotzen. „Au“, sagt er. „Pling“, macht es auf dem Tablet: Der Aufprall wird auf dem Bildschirm mit einer Säule sichtbar gemacht, sie füllt sich mit roter Farbe. Dann muss die elektronische Kartoffel noch einmal unter die Erde. Das Einbuddeln der Knolle ist harte Arbeit, der Boden ist schwer. „Auch ein Grund, warum wir ein Gefühl für unsere Maschinen bekommen müssen – jeder Boden ist anders. Aber ob fest oder locker – unsere Grumbeere sollen so sanft wie möglich geerntet werden, damit sie ohne Schäden bei den Verbrauchern ankommen“, sagt Magin. Die elektronische Knolle empfindet also nicht nur das Kartoffeldasein während des Rodens nach, sondern sensibilisiert auch die Bauern für den Vorgang. 30 Landwirte hat Stöcker bereits besucht und Tests gemacht. „Bei 308 Betrieben innerhalb der Erzeugergemeinschaft müssen wir die Besuche gut einteilen. Wir fahren vorrangig dorthin, wo es Probleme gibt“, sagt Peter Schmitt. 2000 Euro hat dem Geschäftsführer zufolge das Technikwunder gekostet.

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