Karlsruhe „Kinder der Sonne“ verschwinden

Schmetterlinge werden seltener.
Schmetterlinge werden seltener.

„Es gibt keine Maikäfer mehr“, sang einst Reinhard Mey vor 25 Jahren. Diese Textzeile könnte der Barde heute auf die Schmetterlinge ausweiten. Die Zahl der Falter ist in den letzten Jahren dramatisch zurückgegangen. Im Rahmen einer Filmvorführung mit anschließender Podiumsdiskussion diskutierten Schmetterlingsforscher Dr. Robert Trusch und Tierfilmer und Biologe Jan Haft im Karlsruher Naturkundemuseum über die Ursachen, die Folgen und Möglichkeiten, den Trend zu stoppen.

Der Titel des Filmes des Tierfilmers Jan Haft, „Kinder der Sonne – Unsere Schmetterlinge“ klingt romantisch und nach heiler Welt. Und so zeigt Haft auch die Schönheit und die Vielfalt von Schmetterlingen. Aber obwohl es rund 4000 Arten gibt, ist das Überleben der Schmetterlinge bedroht. Denn ihr Lebensraum sind Blumen- und Heuwiesen, Und von denen seien in Deutschland in den letzten 25 Jahren 98 Prozent verschwunden, so Haft in der Veranstaltung des Naturwissenschaftlichen Vereins. Hauptursache für den dramatischen Rückgang von Schmetterlingen und vieler anderer Insekten sehen die Forscher in der industrielle Landwirtschaft: Sie dulde keine Feldraine mit Wildkräutern und Hecken. Zudem würden viel zu viele Insektizide und Herbizide eingesetzt. Außerdem werden die Felder mit Stickstoff überdüngt. Privates Engagement, beispielsweise im eigenen Garten, reiche bei weitem nicht mehr aus, so die Forscher in der Diskussion. Dafür seien die Gartenflächen, die nur rund vier Prozent der Landesfläche ausmachen, einfach viel zu klein. Auch andere Rückzugsgebiete, wie beispielsweise die Naturschutzgebiete, werden das Artensterben nicht aufhalten können, so Trusch, denn auch ihr Flächenanteil sei zu gering. Zudem sei ein Artenrückgang ebenfalls in diesen Gebieten zu beobachten. Das, so Trusch, liege an den höchst wirksamen eingesetzten Insektiziden, die auch noch weit entfernt vom eigentlichen Einsatzort noch wirkten. Eine Maßnahme zur Rettung der Insekten sei deshalb eine radikale Wende in der Agrarwirtschaft, die die Teilnehmer der Diskussion wie seit Jahren auch schon andere Wissenschaftler fordern. Systemische Insektizide wie Neonicotinoide und ihre Nachfolger müssen verboten werden. Systemische Pflanzenschutzmittel verteilen sich beim Heranwachsen in der gesamten Pflanze. Dadurch werden zwar Fressfeinde getötet – aber auch alle nützliche Insekten. An die Politiker richtet Trusch zum wiederholten Mal die Forderung, die EU-Agrarförderung zu verändern. Es sollte nicht mehr nach bewirtschafteter Fläche gefördert werden, sondern nach gesellschaftlichen Leistungen. Belohnt werden sollten die Landwirte, die biologische Lebensräume schaffen. „Wir brauche eine biologische Marktwirtschaft“, so Trusch. Zudem bemängelt der Wissenschaftler, dass die gesetzlichen Beschränkungen zum Artenschutz für die Erhaltung der Schmetterlinge und vieler anderer Insekten völlig wirkungslos sei. Diese Bestimmungen erfassen nicht die massenhafte Vernichtung der Insekten an anderer Stelle. Die Gesetze hätten lediglich erreicht, dass das Interesse an der Natur stark abgenommen habe, dass sich Eltern von Kindern strafbar machten, die beispielsweise Tiere mit nach Hause nehmen. Damit gehe der gesetzliche Artenschutz völlig fehl. „Es ist an der Zeit, diese sinnlosen Verordnungen abzuschaffen, damit eine neue Generation von Insektenkundigen heranwachsen kann. Wir werden sie in Zukunft dringend brauchen“.

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