Karlsruhe Statistinnen müssen warten können

Es ist Dienstag, kurz vor 21 Uhr. Drei Frauen aus Speyer sitzen gemütlich am Wohnzimmertisch bei Sekt und Häppchen. Da klingelt plötzlich das Handy der Einen. „Ja, ich kann morgen kommen“, sagt Bettina Hammond und freut sich über den überraschenden Anruf. Denn er bedeutet, dass sie als Komparsin gebraucht wird. Für den Stuttgarter „Tatort“ mit Richy Müller und Felix Klare. Gedreht wird unter dem Arbeitstitel „Der Inder“ auch in Karlsruhe. Pünktlich um 8.30 Uhr soll Hammond am nächsten Morgen dort am Set sein. Während sie kurzfristig als Vertretung engagiert wurde, weiß Andrea Pfadt, die mit am Tisch sitzt, schon länger, dass sie morgen als Statistin beim „Tatort“-Dreh dabei sein wird. Die Frau, die auch bei den Speyerer Rheinfunken in der Bütt steht, ist diejenige der drei mit der umfangreichsten Komparsen-Erfahrung. Ihr erster Dreh war im Oktober 2012 in Bad Tölz, für die Serie „Dahoam is dahoam“ des Bayerischen Rundfunks. Nun können Hammond und sie zusammen nach Karlsruhe fahren. „Alles, was ich morgen erledigen wollte, bleibt dann halt liegen. Der Tag ist weg“, sagt Hammond. Zehn Stunden müsse man schon einplanen für einen Statisten-Einsatz. Denn seit sie dieses Jahr „in das etwas andere Hobby“ eingestiegen ist, weiß sie: „Eine Stunde ist nichts beim Film. Und was Komparsen am allerbesten können müssen, ist warten.“ Finanziell lohne sich der Einsatz nicht. Es gebe nur eine kleine Aufwandsentschädigung. „Es ist ein toller Tag, man kann was erleben, es ist ein Abenteuer“, beschreibt die erst kürzlich mit eingestiegene Dritte im Bunde, Christine Kollek-Schön, ihre Motivation. Man könne hinter die Kulissen einer TV- oder Kinoproduktion gucken, sich mit den anderen Darstellern wie in einer großen Familie fühlen, sagt Pfadt. Nicht alle, aber die meisten bekannten Schauspieler seien sehr nett zu den Komparsen, gingen offen auf sie zu. So habe Veronica Ferres schon mal für eine unter Allergien leidende Statistin etwas vom besser bestückten Buffet der Hauptdarsteller geholt und es ihr eigenhändig gebracht. Rainer Hunold habe alle Komparsen zum Geburtstagsessen eingeladen. Mit Annabelle Mandeng sei sie inzwischen herzlich verbunden, erzählt Pfadt. Auch Richy Müller und Felix Klare seien „ganz normal“, posierten gerne für ein Selfie mit den Statisten. „Und Ralf Herforth ist ein Schmuser“, wirft Hammond ein, zeigt ein Foto, auf dem der Schauspieler sie nach dem Dreh zu „Der Staatsanwalt“ fest an sich drückt. „Wenn man mal dabei war, guckt man die Filme anders an“, berichtet Hammond von ihren Erfahrungen. Sie nennt „Anschlussfehler“: zum Beispiel eine Zigarette, die in einer Szene erst angezündet wurde und in der nächsten Szene dann schon runtergeraucht ist. „Sowas darf nicht sein.“ Über die Facebook-Gruppe „Rhein-Main-Neckar-Komparsen“ bewerben sich die drei Damen aus Speyer aktiv für Drehs in der Region, in Karlsruhe, Wiesbaden, Frankfurt, Baden-Baden und Stuttgart. Ausschließlich für Kinofilme wie der kürzliche angelaufene Weihnachtsfilm „Alles ist Liebe“ und das öffentlich-rechtliche Fernsehen. „Hartz-IV-Fernsehen will ich nicht machen“, ist sich Pfadt sicher. Hammond und Kollek-Schön nicken. Auch sie seien für Trash-TV à la RTL II nicht zu haben. Um ihre Chancen zu erhöhen, haben sich die drei Speyererinnen zusätzlich bei speziellen Komparsen-Agenturen registriert. „Das geht online, mit Gewicht, Größe und Foto“, erklärt Hammond. Ob dick oder dünn, alt oder jung oder auch total tätowiert: Bedarf gebe es für jeden Typ, sagt Pfadt. Ist man als Statist engagiert, kämen tags zuvor per E-Mail oder SMS die wichtigsten Infos: „Was man darstellt, Adresse, Uhrzeit, Honorar und Outfit“, zählt Hammond auf. Die Statisten seien aufgefordert, selbst verschiedene Kleidungsstücke zur Auswahl für die Garderobenfrau mitzubringen, auch ein Grund-Makeup sei meist erwünscht. In der ZDF-Serie „Der Staatsanwalt“ mit Rainer Hunold saß Hammond zuletzt im schwarzen Talar mit auf der Richterbank, ein relativ unkomplizierter „Innendreh“. Außenaufnahmen seien da schon schwieriger: Das hat sie letzthin zusammen mit Kollek-Schön ebenfalls bei Aufnahmen für den „Tatort“ Stuttgart erlebt, als bei strömendem Regen nachts im Wald gedreht wurde. Während Kollek-Schön als Streifenbeamtin zu sehen ist, gehört Hammond in diesen Szenen zur Spurensicherung. Sie habe unglaublich gefroren, berichtet Kollek-Schön. Doch „einfach, um dabei zu sein“, nehmen die Speyererinnen solche Mühsal gerne auf sich, wenn es, wie Hammond sagt, wieder heißt: „,Ton – läuft – Kamera – läuft – und bitte’, das ist wirklich so.“

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