Kreis GER / Speyer / Rhein-Pfalz-Kreis 75 Jahre Kreis-Chorverband: Können Gesangvereine auf Dauer bestehen?

Was gesungen wird, kann für das Überdauern eines Chors entscheidend sein.
Was gesungen wird, kann für das Überdauern eines Chors entscheidend sein.

Lust auf Singen habe viele. Lust auf Vereinsarbeit hingegen nicht. Das war vor 75 Jahren, als Sängerkreise in der Süd- und Vorderpfalz gegründet wurden, anders. Können die Vereine auf Dauer bestehen? Ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des Kreis-Chorverbands anlässlich des Jubiläums.

„Wenn du in der Politik was werden willst, musst du in den Gesangverein gehen.“ So hieß es, als Hans Hofmann in den 1980er-Jahren vom Rheinland in die Pfalz gezogen ist. Der Vorsitzende des Kreis-Chorverbands Südliche Rheinpfalz lacht, aber ein gewisser Ernst steckt dahinter. Chöre, 70 oder 80 Mann stark, waren lange Zeit das Herz der dörflichen Gemeinschaft. Sie waren Dreh- und Angelpunkt des kulturellen Lebens, Multiplikatoren. Heute gibt nur noch wenige Chöre mit so vielen Sängern. Gesangvereine kämpfen ums Überleben.

„Wir haben in den letzten zehn, zwölf Jahren um die 1000 Sängerinnen und Sänger verloren“, erzählt Hofmann. Überalterung, Nachwuchsmangel, Scheu vorm Ehrenamt und ein Überangebot an Freizeitalternativen zählen gemeinhin zu den Gründen, weshalb alteingesessene Vereine vor dem Aus stehen. Hofmann singt seit 35 Jahren beim Frohsinn in Hagenbach. 2005 wurde er Vorsitzender des Sängerkreises Germersheim, der 1949 gegründet wurde. 2015 fusionierte dieser mit dem Pendant im Speyerer Raum zum Kreis-Chorverband (KCV) Südliche Rheinpfalz. Strukturen und Ansprechpartner sollten übersichtlicher werden, erläutert Hofmann. Aus 16 Sängerkreisen in der Pfalz wurden bei dieser Reform letztlich sechs Kreis-Chorverbände.

Projektchöre sind keine Konkurrenten

Der Verband Südliche Rheinpfalz vertritt 65 Vereine mit rund 130 Chören und circa 3500 Sängerinnen und Sängern entlang der Rheinschiene zwischen Neuburg und Waldsee. Er berät bei rechtlichen Fragen und unterstützt musikalische Projekte. „Wir sind die Schaltstelle zwischen den Vereinen und dem Chorverband der Pfalz“, sagt Hofmann. Gerade in Planung sind Workshops zur Zukunftsgestaltung der Gesangvereine.

Nachwuchssorgen haben vor allem die, die einst die Platzhirsche waren: die Männerchöre. Bei einigen gemischten Chören sieht die Zukunft ebenfalls nicht rosig aus. In Winden, Hagenbach, und Kandel wurden traditionelle Chöre aufgelöst. Einige schließen sich zusammen, um zu überleben. Manchmal scheitern solche Fusionen, weil sich die Vereine finanziell nicht einigen können oder wegen anderer Vorbehalte. Auch in solchen Fällen steht der Kreis-Chorverband beratend zur Seite. „Man sollte sich auf Augenhöhe begegnen“, rät Hans Hofmann.

Untergangsstimmung herrscht trotz aller Probleme nicht in der Sängerszene. „Projektchöre funktionieren gut.“ Die Dauer ist überschaubar und die Teilnahme nicht an sonstige Vereinspflichten gebunden. Als Konkurrenz zu den etablierten Vereinen sieht Hofmann sie weniger, denn meistens gehen solche Projekte aus deren Reihen hervor. Mit etwas Glück bleiben einige Sänger danach sogar beim Gesangverein. Auch Offenes Singen zu bestimmten Terminen, wie bei der Liedertafel in Dudenhofen einmal im Monat, komme gut an.

In der Großstadt boomt der Gesang

Die Lust auf Lieder sei also nach wie vor da, meint der Vorsitzende. In Großstädten boome der Chorgesang geradezu. Grund dafür sei die Vielfalt des Angebots und die kurzen Wege: Protestchöre, Schlagerchöre, Jazzchöre – alle haben Zulauf.

Weltliche Chöre, die für die Zukunft gewappnet sein wollen, müssen flexibel sein und sich neuen Ansprüchen des Publikums anpassen, meint Hans Hofmann. Chorleiter sollten offen für Neues sein, denn sie geben meist vor, was gesungen wird. Kein Chor könne eine Riesenshow wie Roland Kaiser oder Helene Fischer auf die Beine stellen. „Aber er muss ein Programm bieten, das die Leute anspricht.“ Lieder, die ins Ohr gehen. Ein gutes Beispiel ist für Hofmann die Torhymne „Major Tom“, zu der bei der Fußball-EM Tausende mitgesungen haben. „Sowas begeistert die Menschen.“

Bei den Mitgliedsbeiträgen der Vereine sieht der KCV-Vorsitzende Aufholbedarf: „Manche Vereine haben einen Jahresbeitrag von 20 Euro. Da muss man sich schon fragen, ist das noch zeitgemäß?“. Die Vereinsfinanzen sind ein Thema, das spannend werden könnte, wenn es um die künftigen Gema-Gebühren geht. Derzeit handelt der Deutsche Chorverband einen neuen Vertrag mit der Verwertungsgesellschaft aus. Hans Hofmann befürchtet, dass die Vereine danach für die Gema-Kosten tiefer in die Tasche greifen müssen als bisher: „Das könnte noch ein Riesenproblem werden.“

Info und Termine

Das 75-jährige Bestehen des Kreis-Chorverbands Südliche Rheinpfalz wird am Sonntag, 28. Juli, mit einem Nachmittag der Chöre beim Mühlen- und Schanzenfest in Bellheim gefeiert. Von 13 bis 18 Uhr treten die Chöre Mixtur (Bellheim), die Rheinberg Singers (Kuhardt) und der Männerchor Frohsinn (Neupotz) beim Alten Sägewerk an der Mittelmühle auf.
Außerdem findet am Sonntag, 15. September, ein Gottesdienst (11 Uhr) in der Johanneskirche in Speyer statt, mit einer Jubiläumsmatinee für geladene Gäste und Vereinsvertreter im Anschluss.
Der ehemalige Sängerkreis Germersheim wurde auf Initiative des Lehrers Josef Freiermuth (Bellheim) und des Musiklehrers und späteren Kreischorleiters Josef Gerbes (Germersheim) im September 1949 gegründet. Die Gründung des ehemaligen Kreis-Chorverbands Speyer im Januar 1950 geht auf den Rechner des Pfälzischen Sängerbundes, Valentin Sprengart aus Speyer zurück. Im Herbst 2015 haben sich die beiden Verbände zum Kreis-Chorverband Südliche Rheinpfalz zusammengeschlossen. Weitere Infos auf www.kcv-suedliche-rheinpfalz.de.

Hans Hofmann ist seit fast 20 Jahren Vorsitzender im Kreischorverband.
Hans Hofmann ist seit fast 20 Jahren Vorsitzender im Kreischorverband.
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