Geschichten aus der Geschichte Als die Schnakenbekämpfung vom Gemeinderat vorgeschrieben wurde

Eine mit Blut vollgesaugte Stechmücke. Schon 1910 versuchte man sich in Leimersheim an der Bekämpfung der „Schnooke“.
Eine mit Blut vollgesaugte Stechmücke. Schon 1910 versuchte man sich in Leimersheim an der Bekämpfung der »Schnooke«.

Die Leimersheimer litten stets nicht nur an „nassen Füßen“, sondern auch unter Schnaken. 1911 versuchte der Gemeinderat gegenzusteuern. Jedoch ohne Erfolg.

Die Geschichte von Leimersheim ist nicht ohne den Rhein zu denken. Vor seiner Begradigung im 19. Jahrhundert wechselte der kurvenreich sich dahinwindende, „mäandernde“ Fluss öfter sein Bett und überflutete die umliegenden Wiesen und Äcker. Die Leimersheimer bekamen deshalb ständig nasse Füße, weshalb man ihnen den Uznamen „Lämerscher Wasserhinkel“ gab.

Da hatten es die Nachbarn in Kuhardt, Hördt und Rülzheim, die auf dem Hochufer außerhalb der Mäander lagen, doch viel besser. Sie blieben von den häufigen Hochwassern und den dadurch bedingten Missernten verschont. Ein Grund dafür, dass aus den Nachbardörfern nicht so viel Bauern nach Russland, Algerien und Amerika auswanderten wie aus den tiefer gelegenen Rheindörfern Leimersheim und Neupotz.

Das Wasser trieb die Leimersheimer jedoch nicht nur in die Ferne, sondern oft genug auch zur Verzweiflung, weil die überfluteten Felder und Wälder Brutstätten der „Pfälzischen Moskitos“ alias „Schnooke“ waren. Die regenreichen Monate des laufenden Jahres haben mal wieder zu besonders vielen Schnaken geführt. Doch die Schnakenplage im Rheingraben gibt es seit Menschengedenken. Erst mit dem seit rund 100 Jahren zunehmenden Wissen über die Biologie der Stechmücken konnte mit Gegenmaßnahmen begonnen werden.

Vorschriften zur Schnakenbekämpfung

1910 wurde eine „Vereinigung zur Bekämpfung der Stechmücken- und Schnakenplage“ gegründet. Sie unternahm beträchtliche Aktivitäten bei der Schnakenbekämpfung. Diese wurden zum Teil auch über Polizeiverordnungen angeordnet.

Im März 1911 beschloss der Leimersheimer Gemeinderat auf der Grundlage damaligen Wissens eine ortspolizeiliche Vorschrift zur Bekämpfung der Schnakenplage: Die Hauseigentümer und deren Stellvertreter wurden verpflichtet, die in den Kellern, Schuppen, Ställen und ähnlichen Räumlichkeiten überwinternden Schnaken durch Ausräuchern der Räumlichkeiten mit einem geeigneten Räucherpulver oder durch Abflammen der Wände und Decken, durch Zerdrücken mit feuchten Tüchern oder in sonstiger wirksamer Weise zu vernichten. Beim Abflammen war zur Vermeidung von Feuergefahr mit der nötigen Sorgfalt zu verfahren; ein Eimer Wasser und ein Reisigbesen waren zum Ablöschen und Ausschlagen eines etwa entstehenden Brandes bereit zu halten.

Mit den Vernichtungsarbeiten war erst zu beginnen, wenn durch öffentliche Bekanntmachung der Ortspolizeibehörde dazu aufgefordert wurde. Die Arbeiten sollten spätestens am 15. Dezember beendet sein. Wenn sie nicht zum Erfolg führten, wären sie zu wiederholen bis spätestens 15. Januar und erforderlichenfalls nochmals vorzunehmen bis spätestens 15. Februar, ohne dass es einer amtlichen neuerlichen Aufforderung bedarf. Die Gemeinde war befugt, sich von der richtigen Ausführung der vorgeschriebenen Maßnahmen durch besonders dafür aufgestellte Personen zu vergewissern; diesen Personen war das Betreten der Räume bei Tage jederzeit zu gestatten. Zuwiderhandlungen wurden bestraft. Doch wegen Aussichtslosigkeit wurden diese Bemühungen bald darauf wieder beendet.

Öl war schwer zu dosieren

Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Maßnahmen oder Organisationen mehr, die die Bekämpfung der Plagegeister zum Ziel hatten. Erst nach den verheerenden Schnakenplagen in den 1970er Jahren wurde der Ruf nach einer effektiven Bekämpfung immer lauter. Erfolgsaussichten versprach zunächst das Abdecken der Brutstätten für Schnaken mit einer Ölschicht (Liparol). Die Schnaken, aber auch die meisten anderen Larven und Käfer mussten darunter verenden. Ein Hauptproblem bei diesem Vorgehen war die schwierige Dosierung. Oft wurde zu viel Liparol versprüht, sodass alle Insektenlarven damit getötet wurden.

Mit der Entdeckung des Bacillus thuringiensis israelensis (BTI) im Jahr 1976 fand man ein neues, mächtiges Werkzeug zur Stechmückenbekämpfung, welches seit 1978 in zahlreichen Labor- und Feldversuchen für den Großeinsatz am Oberrhein untersucht und vorbereitet wurde. Heute wird die Bekämpfung ausschließlich mit Produkten durchgeführt, die auf dem umweltfreundlichen und hoch spezifisch wirkenden BTI basieren. BTI führt in den frühen Entwicklungsstadien nach der Einnahme zum Aufplatzen der Schnakenkörper. Die Erfolge dieser modernsten Maßnahmen bekommen die Leimersheimer und ihre Nachbarn seit nunmehr 40 Jahren angenehm zu spüren. Zuständig für die Schnakenbekämpfung ist die „Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage“, kurz KABS.

Ende 2023 teilte die KABS mit, dass ihr Einsatz um rund 20 Prozent teurer wird. Gleichzeitig erlebt die Südpfalz seit Anfang 2024 anhaltende Hochwasser mit ungezählten Schnakenbrutstätten, was die Schnakenbekämpfer an den Rand ihrer Möglichkeiten bringt. Deshalb wurde von der KABS schon im Frühsommer für 2024 ein „Schnakenjahr“ ausgerufen.

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