Kreis Germersheim Bürger wollen B9-Nachtfahrverbot kippen

Stören sich am Lastwagenverkehr durch Lingenfeld: (von links) Volker Wollensah, Michael Quinten und Bertram Steinbacher. Auf der
Stören sich am Lastwagenverkehr durch Lingenfeld: (von links) Volker Wollensah, Michael Quinten und Bertram Steinbacher. Auf der Karte zeigen sie, dass die Lastwagen durch das Nachtfahrverbot auf der B 9 gar keine andere Möglichkeit haben, als durch den Ort zu fahren.

Lingenfeld: Eine Interessengemeinschaft (IG) von Anwohnern der Schwegenheimer Straße stört der Lkw-Durchgangsverkehr und die Geschwindigkeit, mit der die Autofahrer in die Straße hineinfahren. Sie fordern, das Nachtfahrverbot für LKW auf der B 9 bei Lingenfeld aufzuheben und eine Fahrbahnverschwenkung am Ortseingang zu bauen. Leuthner und Leibeck unterstützen das.

«Lingenfeld.»„Der Verkehr macht wahnsinnig“, sagt Volker Wollensah. Er wohnt mit seiner Familie in der Schwegenheimer Straße. Sein Nachbar Günter Westermann lebt seit 50 Jahren in Lingenfeld und berichtet, dass das Verkehrsaufkommen enorm zugenommen habe. „Der LKW-Verkehr hat hier nichts verloren“, sagt Westermann. Dass unter den Lastwagen auch einige Gefahrguttransporte seien, sieht Ortsbürgermeister Erwin Leuthner (CDU) mit großer Sorge. Er wolle den Worst Case – einen Unfall mit einem Gefahrgut-LKW im Ort – nicht erleben. „Das wäre fatal“, sagt Leuthner, der die IG unterstützt. Als Grund, warum die Lastwagen nachts durch den Ort fahren, hat die IG das Fahrverbot für LKW ab zwölf Tonnen von 22 bis 6 Uhr auf der B 9 ausgemacht. Ihr Ziel ist es, dass das Verbot bei Lingenfeld aufgehoben wird. Der Vorstoß des Bürgermeisters stößt auf Ablehnung Verbandsbürgermeister Frank Leibeck (SPD) unterstützt die IG ebenfalls und hat deshalb Kontakt mit Landrat Fritz Brechtel (CDU) und Andy Becht (FDP), Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Verkehrsministerium, aufgenommen. Er bat sie, das LKW-Nachtfahrverbot aufzuheben. Die Antworten beider Politiker waren für die IG sowie die Bürgermeister ernüchternd: Der Landrat teilte nach einer Rücksprache mit dem Landesbetrieb Mobilität (LBM) mit, dass bei der Behörde keine Bereitschaft zur Aufhebung des Verbots bestehe. Eine ähnliche Rückmeldung bekam die IG vom Staatssekretär. Wegen Mautflüchtigen wurde das Nachtfahrverbot eingerichtet Hintergrund des Nachtfahrverbots auf der B 9 ist die LKW-Maut, die 2005 auf Autobahnen eingeführt wurde. Wie Staatssekretär Becht der IG mitteilte, gab es anschließend LKW-Verkehr, der sich auf Bundes-, Landes- und Kreisstraßen verlagert hat, um Mautzahlungen zu vermeiden. Er spricht von fast 2000 mautflüchtigen Lastwagen pro Tag auf der B 9. Das Nachtfahrverbot auf der B 9 wurde 2006 eingerichtet, um die Bevölkerung vor Lärm und Abgasen zu schützen. Danach sei auf der B 9 bei Schwegenheim 40 Prozent weniger LKW-Verkehr gezählt worden, so Becht. Für die IG ist ein Argument nicht plausibel Die IG sowie Leibeck und Leuthner geben sich mit den Rückmeldungen nicht zufrieden. Leibeck kann die Argumente für die Einführung des LKW-Nachtfahrtverbots nachvollziehen, allerdings habe sich die Situation geändert. Seit 1. Juli müssen LKW auch auf der B 9 Maut zahlen. Zudem sei die Argumentation, dass das Nachtfahrverbot im Sinne der Verkehrssicherheit und zum Schutz der Anwohner vor Lärm und Abgasen sei, widersinnig. LKW-Fahrer, die am Tankhof bei Schwegenheim halten, könnten nicht unbedingt erst um 6 Uhr losfahren. „Entweder sie handeln gesetzeswidrig und fahren über die B 9 oder sie fahren gesetzeskonform durch Lingenfeld und sorgen dort für Lärm und Abgase“, sagt Leibeck. Der LBM lenkt ein – nun sollen objektive Daten erhoben werden Die RHEINPFALZ fragt beim LBM nach und bringt auch das Argument mit der Maut auf Bundesstraßen vor. Die Behörde teilt mit, dass sie in Abstimmung mit dem Kreis eine Verkehrszählung in der Schwegenheimer und der Germersheimer Straße durchführen wird, um objektive Zahlen zu bekommen. Die Zählung solle stattfinden, wenn die Bauarbeiten auf der B 9 zwischen Germersheim und Lingenfeld beendet sind. Das wird laut LBM Mitte August der Fall sein. Landrat Fritz Brechtel teilt auf Anfrage mit, dass er das Argument, dass sich die Sachlage mit Einführung der Maut auf der B 9 deutlich geändert habe, für plausibel halte. Aus Sicht der Kreisverwaltung bestehe Handlungsbedarf, sollte die Verkehrszählung eine deutliche Zunahme des innerörtlichen Schwerverkehrs belegen. Nach Meinung der Kreisverwaltung müsse geprüft werden, ob das Verbot auf dem gesamten Abschnitt zwischen Ludwigshafen und Wörth aufgehoben werden kann und Bürger, die an anderen Stellen in der Nähe der B 9 wohnen, vor Lärm und Abgasen geschützt werden können. Dass das Verbot nur im Bereich der VG Lingenfeld aufgehoben wird, ergebe wenig Sinn. Von der Pressestelle des rheinland-pfälzischen Verkehrsministeriums heißt es, dass es sich bei der nächtlichen Streckensperrung um ein seit zwölf Jahren funktionierendes System handele, das von breiter Basis der Beteiligten als sinnvoll empfunden worden sei. Durch die Einführung der Maut auf Bundesstraßen ist denkbar, dass LKWs künftig wieder die Autobahnen nutzen. Weitere Sorge der IG: Die Straße sei eine Rennstrecke Was der IG außerdem Sorge bereite, ist, dass sich die Schwegenheimer Straße zur „Rennstrecke“ entwickelt habe. Bei wenig Verkehr würden die Autofahrer mindestens 75 Stundenkilometer schnell fahren, häufig auch 100 Kilometer pro Stunde, sagt Anwohner Bertram Steinbacher. Wollensah appelliert an die Polizei, dass die Geschwindigkeitskontrollen unauffälliger vonstatten gehen sollen. Laut IG-Mitglied Michael Quinten habe es vor etwa einem Jahr ein Treffen zwischen der Kreisverwaltung und dem LBM gegeben, in dem über eine Fahrbahnverschwenkung am Ortseingang gesprochen worden sei. „Was und dass etwas gemacht wird, ist aber nicht erkennbar“, beklagt Quinten. Beim Blitzen müssen Vorgaben eingehalten werden Eva Eichenlaub von der Polizeiinspektion Germersheim teilt auf RHEINPFALZ-Anfrage mit, dass seit 2017 in der Schwegenheimer Straße auf Bitte der Bürger dreimal die Geschwindigkeit gemessen worden sei. Von insgesamt 70 Fahrzeugen fuhren sieben schneller als das erlaubte Tempo 50. Bei den Kontrollen lagen die Spitzengeschwindigkeiten laut Eichenlaub bei 62 beziehungsweise 70 Kilometern pro Stunde. Außerorts – also auf der K 31 – überschritten von 93 Fahrzeugen sieben das zulässige Tempo 70. Der schnellste sei mit 114 Stundenkilometern geblitzt worden, sagt Eichenlaub. Die Beanstandungsquote in der Schwegenheimer Straße/K 31 liege deutlich unter der Beanstandungsquote im ganzen Dienstbezirk. Außerdem müsse die Polizei beim Blitzen bestimmte Vorgaben einhalten, damit das Knöllchen vor Gericht Bestand habe. So müsse bei einer Lasermessung die gesamte Messstrecke einsehbar sein. Sich unauffälliger zu positionieren, wie es die IG fordert, sei somit nicht möglich. Die Planungen befinden sich laut LBM im Anfangsstadium Auf RHEINPFALZ-Anfrage teilt der LBM mit, dass sich die Planungen für eine Fahrbahnverschwenkung am Lingenfelder Ortseingang von Schwegenheim kommend im Anfangsstadium befänden. Derzeit werde unter anderem untersucht, welche baulichen Elemente zur Geschwindigkeitsreduzierung möglich seien – zum Beispiel eine Fahrbahnverschwenkung mit Fahrbahnteiler oder eine Fahrbahnverengung. Laut LBM befinden sich am Ortseingang beidseitig der Fahrbahn Grundstücke im privaten Besitz. Wenn eine Fahrbahnverschwenkung gebaut werden soll, müssten private Flächen in Anspruch genommen werden. Die möglichen Varianten wird der LBM mit der Kreisverwaltung und der Gemeinde abstimmen.

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