Germersheim/Landau Bluttat am Friedhof: Prozess gegen möglichen Hells Angel eröffnet

Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass der Angeklagte Verbindungen zu den Hells Angels hat.
Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass der Angeklagte Verbindungen zu den Hells Angels hat.

Vergangenen Dezember stach ein Mann einem anderen am Rande einer Beerdigung ins Gesicht. Es wird vermutet, dass er den Hells Angels angehört. Nun beginnt der Prozess vor dem Landauer Landgericht. Das Opfer überrascht im Zeugenstand.

Die Tat hatte in der Südpfalz für Entsetzen und Kopfschütteln gesorgt. Am Rande der Beerdigung eines jungen Mannes war es gegen Ende des vergangenen Jahres auf dem Germersheimer Friedhof zu einer Bluttat gekommen. Ein Mann aus dem Raum Germersheim soll sein Opfer von der Trauergesellschaft weggelockt haben. Es kam zu einem Streitgespräch, einem Faustschlag, dann zückte der 39-jährige Angeklagte ein Messer. Seinem Gegner fügte er eine etwa 10 Zentimeter lange Wunde an der Wange zu. Während der Tat wurde der Verstorbene gerade ins Grab gelassen. An einen ruhigen Moment der Trauer war nicht zu denken, stattdessen mussten Polizei und Notarzt anrücken. Die Sanitäter mussten gleich noch die Mutter des Toten versorgen, die im Schock über das Geschehene zusammengebrochen war.

Große Sicherheitsvorkehrungen

Im Anschluss an die blutige Tat gingen Gerüchte herum, dass es sich bei dem Täter um ein Mitglied der Rockergruppierung Hells Angels handeln könnte. Das ließ den brutalen Angriff in einem noch viel bedrohlicheren Licht erscheinen. Die Frage, ob der Angeklagte Mitglied einer kriminellen Vereinigung ist, hängt auch beim Verfahren in der Luft, dass sich seit Mittwoch mit dem Fall beschäftigt. Das merkt man an dem großen Sicherheitsapparat, den das Landauer Landgericht für den Prozess auffährt: strenge Einlasskontrollen, begrenzte Plätze für Zuschauer und Presse, maskierte Polizisten im Flur.

Nur zwei Verwandte verfolgen Prozess

Als Richter Markus Sturm den Prozess eröffnet, ist von einem Bedrohungsszenario eigentlich nichts zu spüren. Statt einer Sitzbank voll tätowierter Biker sind nur zwei weibliche Verwandte des Angeklagten anwesend. Er selbst wirkt auch nicht wie ein Klischeerocker, ist ruhig und höflich. Er erzählt, wie er die letzten 20 Jahre damit verbracht habe, diverse kranke Familienmitglieder zu pflegen. Einer Arbeit ist er in dieser Zeit nicht nachgegangen. Mit Drogen und Alkohol habe er nichts zu tun, sei vielleicht einmal in einem Club gewesen. Zur Sache möchte er sich zunächst nicht äußern. Staatsanwalt Bastian Rotmann merkt an, dass eine Verbindung zu einem Motorradclub ja „durch die Akte geistert“. Ob er schonmal etwas mit einem solchen Club zu tun hatte? „Dazu macht er keine Angabe!“, antworten die Verteidigerinnen Carolin Hierstetter und Miriam Weis unisono. Die Anwältinnen geben bekannt, dass es im Vorfeld zu einem Täter-Opfer-Ausgleich gekommen sei, und dass der Geschädigte noch vor Ort 2500 Euro Entschädigungsgeld in bar ausgehändigt bekommen solle.

Opfer schweigt

Zu einer Überraschung kommt es, als die ersten Zeugen vernommen werden. Das Opfer macht von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gebrauch. Er verweist auf den Paragrafen 55 der Strafprozessordnung, der besagt, dass ein Zeuge eine Aussage verweigern darf, wenn er sich oder einen engen Verwandten der Strafverfolgung aussetzen könnte. Nachdem Täter und Opfer das Kriegsbeil öffentlich mit einem Handschlag begraben haben, verabschiedet sich der 34-Jährige mit den Worten: „Ich mach dann mal den Abgang.“ Ihm gleich tun es seine drei Brüder, die sich alle ebenfalls nicht äußern wollen. Damit bleibt der Tathergang und vor allem das Motiv zunächst im Dunkeln.

Wie hoch könnte Strafe sein?

Das Verfahren wird mehrmals für Rechtsgespräche zwischen Verteidigung, Kammer und Staatsanwaltschaft unterbrochen. Hierstetter und Weis versuchen abzuklopfen, wie weit die Vorstellungen vom Strafmaß auseinanderliegen, und ob es möglich sei, den Prozess abzukürzen. Richter Sturm lässt durchblicken, dass er nicht zu übermäßiger Milde tendiert. Immerhin gehe es hier um eine gefährliche, eventuell gar schwere Körperverletzung. Auch sei der Tatort am Rande der Beerdigung besonders bemerkenswert. Bei einem vollen Geständnis könnte er sich eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monate als Untergrenze und drei Jahren und drei Monaten als Obergrenze vorstellen.

Angeklagter will reden

Nach Rücksprache mit dem Angeklagten kündigten die Verteidigerinnen eine geständige Einlassung ihres Mandanten für Donnerstag an. Dann sollen auch einige Polizeibeamte gehört werden. Die möchte Sturm nun besonders detailliert befragen, hat er doch nach dem ersten Verfahrenstag noch nichts zum Tathergang gehört. Insgesamt sind noch sechs Folgetermine angesetzt, ein Urteil wird Mitte oder Ende August erwartet.

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