Kreis Germersheim Das Spiel um die Macht

„Politik ist die Summe der Mittel, die nötig sind, um zur Macht zu kommen und sich an der Macht zu halten und um von der Macht den nützlichsten Gebrauch zu machen.“ Diese Definition von Politik wird dem Florentiner Niccoló Machiavelli (1469 bis 1527) zugeschrieben. Eine Lehrstunde in Sachen Politik und Macht können Interessierte nun rund 500 Jahre später im Kreis Germersheim verfolgen – anhand der Personalie Ingrid Mendel. Ingrid Mendel war seit fast zwei Jahrzehnten Mitglied der SPD. 2008 trat sie nach ihrem Wohnortswechsel nach Rülzheim zusätzlich dort den Aktiven Bürgern (AB) bei. Grund war die Freundschaft zu Reiner Hör. „Wir kennen uns seit 1973“, sagt Mendel und blickt auf eine gemeinsame Zeit bei der Verbandsgemeindeverwaltung Kandel zurück. 2009 zog sich das Rülzheimer Gesicht der SPD, Helga Brust, nach 34 Jahren aus der Kommunalpolitik zurück. Ingrid Mendel sprang in die Bresche. Sie wurde in den Folgejahren Vorsitzende des Ortsvereins, stellvertretende Vorsitzende des Gemeindeverbands und war bis 10. November Beisitzer im SPD-Kreisverband. Zudem war sie für die SPD in verschiedenen Untergruppierungen aktiv. Bei den Kommunalwahlen dieses Jahres zog sie mit den meisten Stimmen für die SPD (1280 – davon sind rund 700 Personenstimmen und 500 Listenstimmen) in den Ortsgemeinderat ein, in den Verbandsgemeinderat als viertes Fraktionsmitglied und erstmals in den Kreistag. In Rülzheim wurde sie wieder 2. Ortsbeigeordnete, zuständig für Senioren, und füllte dieses Amt von Beginn an mit Leben. Der Kreisvorstand der SPD hat am 8. September den Unterbezirk darauf hingewiesen, dass Ingrid Mendel eine Doppelmitgliedschaft hat. Gemäß Paragraf 6 SPD-Organisationsstatut ist dies verboten: „Unvereinbar mit der Mitgliedschaft in der SPD ist die gleichzeitige Mitgliedschaft in einer konkurrierenden politischen Partei oder Wählervereinigung. ... Die Feststellung der Unvereinbarkeit trifft der Parteivorstand. Er kann die Feststellung wieder aufheben.“ Unterbezirksgeschäftsführer Herbert Berberich forderte Mendel zum Austritt bei den AB auf und stellte ein Ultimatum. Folge sie dem nicht, gebe es ein Parteiausschlussverfahren. Mendel argumentierte: „Ich möchte die SPD nicht verlassen, da ich hier in Rülzheim in den letzten fünf Jahren den Ortsverein wieder aufgebaut und sowohl als Ortsvereinsvorsitzende als auch als zweite Gemeindeverbandsvorsitzende gute Arbeit für die SPD geleistet habe. ... Meine Mitgliedschaft bei den AB ist der SPD seit 2009 bekannt und hat weder mir noch der SPD geschadet. ...“ Es gebe mehrere Mitglieder im Ortsverein, die beide Mitgliedschaften haben. Das sei der SPD zum Teil seit Jahrzehnten bekannt. Warum also sollte sie ihre Mitgliedschaft kündigen? Auf Nachfrage beim Unterbezirk sei sowohl ihr als auch einer weiteren Person am Telefon sinngemäß gesagt worden: Es gebe nur den Auftrag gegen sie vorzugehen. Das alles blieb ungehört. Mendel: „Dies ist ein gezielter Angriff einzelner Personen gegen mich.“ Der SPD-Kreisvorstand hat prüfen lassen, ob Ingrid Mendels Doppelmitgliedschaft ein Problem darstellt: „Im Juli hat uns die Justiziarin des Willy-Brandt-Hauses mitgeteilt, dass eine Doppelmitgliedschaft besteht“, sagt die SPD-Kreisvorsitzende Barbara Schleicher-Rothmund. Zuvor habe der Kreisvorstand nichts von der satzungswidrigen Situation gewusst. Die SPD-Kreisvorsitzende bestätigt, dass es weitere Doppelmitgliedschaften in Rülzheim geben soll, „doch weiß die SPD definitiv nur von Ingrid Mendel“. CDU, Grüne, AfD würden und müssten ebenso handeln, wie die SPD dies tut. Das teilten deren Kreisvorsitzenden auf Anfrage mit. Doppelmitgliedschaften sind bei allen nicht erlaubt, nach Einzelprüfung würde unter Umständen ein Parteiausschlussverfahren folgen. Für die Freien Wähler im Kreis stellt eine Doppelmitgliedschaft kein Problem dar: „Es gilt: Sachpolitik statt ideologisch geprägter Parteipolitik“, sagt Michael Braun. Ingrid Mendel hat inzwischen Rülzheims Verbandsbürgermeister Matthias Schardt und Landrat Fritz Brechtel darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie aus der SPD ausgetreten ist. Ihre Ratsmandate werde sie behalten. Im Orts- und VG-Rat Rülzheim wird sie sich den AB anschließen, im Kreistag sitzt sie als parteiloses Mitglied. Im Ortsgemeinderat verliert die SPD dadurch ihren Fraktionsstatus und ist in Ausschüssen nicht mehr vertreten. Wenn dies wirklich ein gezielter Angriff auf Ingrid Mendel war, im Ortsverein gab es während des Wahlkampfes Meinungsverschiedenheiten, erhält dessen Urheber vielleicht nicht das, was er sich erhofft hatte. Die SPD trägt einen Schaden davon. Machiavelli sagte: „Eine Veränderung bewirkt stets eine weitere Veränderung.“ Diese ist bereits erfolgt: Denn aus dem rund 22 Mitglieder zählenden SPD-Ortsverein sollen inzwischen sechs ausgetreten sein. Wie sich das alles bei künftigen Wahlen niederschlagen wird, wird die Zukunft zeigen. (wim/Fotos: Iversen)

x