Jockgrim Einwanderung: Syrische Familie findet Arbeit und ein neues Leben

Renate Schwarz und die syrische Mutter beim Spaziergang zu einem ihrer Jockgrimer Lieblingsorte, dem Lina-Sommer-Platz im Hinter
Renate Schwarz und die syrische Mutter beim Spaziergang zu einem ihrer Jockgrimer Lieblingsorte, dem Lina-Sommer-Platz im Hinterstädtel.

2015 kamen Tausende Flüchtlinge nach Deutschland. Ein Ehepaar mit Kindern erzählt, wie sie im Landkreis eine neue Heimat und Hoffnung fanden – und jetzt deutsche Staatsbürger wurden

Ein Fragenkatalog mit 33 Fragen war eine der letzten, beileibe nicht die schwierigste Hürde, die Ferass und Shaza überwinden mussten, um Anfang Mai mit ihren Kindern eingebürgert werden zu können. Das Ehepaar flüchtete im Oktober 2015 mit Sohn und Tochter aus der alten Heimat, der syrischen Stadt Aleppo. Dort schwebten sie wegen des Bürgerkrieges in ständiger Lebensgefahr. Sie gaben ihr Haus und ihre Berufe als selbstständiger Elektroniker und Inhaber einer Werbeagentur und als verbeamtete Englischlehrerin auf.

Über Land flohen sie in den Libanon, von dort ging es mit aus dem Schiff in die Türkei und dann weiter mit einem kleinen Schlauchboot auf eine nahe gelegene griechische Insel. Es ging weiter nach Athen, dann mit regulären Bustickets für alle nach Wien. Von dort aus sollte sie ein Zug bis nach Speyer bringen, weil in der Region bereits Familienangehörige der Flüchtlinge lebten. In Passau wurde die Familie jedoch aus dem Zug geholt, verhaftet wegen illegaler Einreise und nach Hannover geschickt. Am 5. November 2015 kamen die vier in Ingelheim bei Mainz an, im zentralen Auffanglager für Flüchtlinge in Rheinland-Pfalz, wo sie drei Wochen blieben. Von dort aus wurden sie Jockgrim zugewiesen. Dort, in der Pfalz, fand die Familie ein neues Zuhause.

Der Glücksfall: Es findet sich eine Mentorin

Der heute 47 Jahre alte Familienvater Ferass und seine heute 42 Jahre alte Ehefrau Shaza empfinden es immer noch als großes Glück, mit ihrem Sohn Saleh (bei der Flucht sechs Jahre alt) und ihrer Tochter Amal (bei der Flucht 2,5 Jahre alt) nach der selbst organisierten Odyssee durch Europa in Jockgrim gelandet zu sein. Denn nur einen Tag später, am 2. Dezember, stellte sich ihnen Renate Schwarz vor. Sie hatte sich als ehrenamtliche Betreuerin für Flüchtlinge bei der Verbandsgemeinde gemeldet und ist seit 2015 eine der syrischen Familie freundschaftlich verbundene Mentorin. Sie half den Neuankömmlingen bis jetzt, sich in Deutschland zurechtzufinden, schnell und gut zu integrieren. Die Brüder von Shaza leben und arbeiten mit ihren Familien in Ludwigshafen und Mannheim. Nach Gesprächen mit ihnen und anderen syrischen Flüchtlingen wurde der früheren Lehrerin bewusst, dass dieses ehrenamtliche Engagement von Menschen wie Renate Schwarz nicht in allen deutschen Städten und Dörfern zu finden ist. Für Shaza, Ferass und ihre Familie ein großer Glücksfall war, damit der Neuanfang in dem anfangs fremden Land besser und schneller gelinge.

„Mir ist es extrem wichtig, dass unsere Kinder sagen können, dass sie Deutsche sind, dass hier ihr Zuhause ist, dass sie in Sicherheit leben.“ Ein Wunsch, dessen Realisierung die mehrfache Mutter zusammen mit ihrem Ehemann zielstrebig umsetzte. Die Kinder kamen in den Kindergarten und in die Grundschule, die Eltern besuchten fleißig Deutschkurse beim CJD in Maximiliansau. Und sie nahmen alle an den Angeboten der Verbandsgemeinde zum Fördern der Integration teil, wie dem „Café Bunt“, dessen Ende die Familie genauso wie Renate Schwarz sehr bedauern. Nach sechs Monaten waren die Familienmitglieder, die zum Schutz von noch in Syrien lebenden Verwandten ihren Nachnamen nicht nennen möchte, als Flüchtlinge anerkannt. Vor drei Jahren waren die Deutschkenntnisse von Vater Ferass soweit fortgeschritten, dass er endlich Arbeit, mit einem festen Vertrag, als Elektroniker bei einer Firma fand, die für Vodafone arbeitet. Vor zweieinhalb Jahren kam das dritte gemeinsame Kind, „Glückskind“ Sohn Asser, zur Welt. Mutter Shaza arbeitet wegen der Betreuung des Nachzöglings noch nicht, möchte aber sobald wie möglich wieder ins Arbeitsleben zurückkehren, ihre Englischkenntnisse wieder anwenden können. „Unser jüngstes Kind kennt nur Deutschland, unsere beiden anderen Kinder leben schon länger hier als in Syrien, sprechen schon richtig gut Deutsch.“

Tochter arbeitet im Krankenhaus

Komplett wurde die Familie, als vor zwei Jahren die zu dem Zeitpunkt fast 18-jährige Tochter Sidra, sie stammt aus Shazas erster Ehe, eine Einreisebewilligung für Deutschland erhielt. Ohne Renate Schwarz hätte das beinahe nicht geklappt. Aber die Mentorin schrieb an Behörden bis hoch zur ADD, führte komplizierte Telefongespräche mit Ämtern und begleitete die Abiturientin sogar beim Bewerbungsgespräch. Sidra absolviert derzeit ein freiwilliges soziales Jahr in einem Krankenhaus, verbessert ihr Deutsch und beginnt danach eine Ausbildung als operations-technische Assistentin.

Im November 2021 stellten die Zuwanderer ihren Antrag auf Einbürgerung bei der Kreisverwaltung, konnten alle dafür benötigten Dokumente vorlegen, die erforderlichen Deutsch-Zertifikate vorweisen und schließlich im Einbürgerungstest beweisen, dass sie ihr neues Heimatland Deutschland gut kennen.

Weil die Familie bis heute viel Hilfe von ihrer Mentorin oder durch Mitarbeiter bei der Kreisverwaltung erfahren durfte, bedankte sich Shaza mit einer emotionalen Rede während der Einbürgerungsfeier. „Das Größte ist es, einen Menschen aufzubauen und ihn in die Zukunft zu führen, ihn zu einem Menschen zu machen, der sich gesellschaftlich einbringt und mitarbeitet.“ Sie und ihre Familie wollen gute Bürger sein und helfen, Deutschland voranzubringen.

x