Rheinzabern Jugendtreff-Gründer kommen wieder zusammen
Auf den ersten Blick hätten Außenstehende fast meinen können, dass es sich bei der Gruppe, die sich an einem Samstag Mitte Juni im Rathaushof trifft, um Schulkameraden handeln könnte. Doch es war kein Klassentreffen, das gut 30 Frauen und Männer zusammenführte. Es war eine Art „Veteranentreffen“, an dem die Gründer des ersten Jugendtreffs in Rheinzabern zusammen kamen. Der Treff hieß damals „Club 27“ oder kurz „C 27“. Die Idee, die Protagonisten der „C 27“- Anfangszeit zu einem Treffen an der alten „Wirkungsstätte“ einzuladen, hatten zwei Männer der ersten Stunde.
27 Jugendliche der ersten Stunde
Es waren Michel Boltz, der aus Neupotz stammt und heute in Neustadt lebt und Klaus Bürkmann, der heute in Berlin wohnt. Beide Männer sind „Anfang bis Mitte der 1950er Jahre“ geboren. Bei ihren regelmäßigen Kontakten sprachen sie immer wieder über ihre Jugendzeit in der Südpfalz und über die Zeiten im „C 27“. Mit Hilfe von einigen anderen Machern der ersten Stunde konnten schließlich „fast 50 Adressen ausfindig gemacht werden. Alle wurden eingeladen und rund 30 sagten zu“, erzählte Boltz. Eine Station des gemeinsamen Nachmittags war der Hof zwischen Rathaus und Terra-Sigillata-Museum. Sie wurde auch gewählt, weil in diesem Hof der Abgang in den Rathauskeller liegt, in dem der Jugendtreff jahrzehntelang in alten Sandstein-Gewölberäumen untergebracht war.
Keine Leitung, kein Jugendpfleger
Der Startschuss des „C 27“ fiel jedoch in einem vernachlässigten Schuppen, der ausgerechnet im Hof des katholischen Pfarrhauses in der Friedhofstraße stand. Das kam nicht von ungefähr. Der damalige Pfarrer Heribert Vogelgesang, bekannt für seine unorthodoxen Denkansätze, war nach den Erzählungen der „ersten Generation“ die treibende Kraft beim Gründen eines Jugendtreffs. Daran erinnert sich gut Walburga Wiegerling genauso wie Bernd Hassert oder Manfred Nicola. Pfarrer Vogelgesang hätte Jugendliche angesprochen, ob sie Interesse an einem Ort hätten, wo sie sich unter ihresgleichen treffen und ihren Interessen nachgehen könnten. „Das fanden wir gut, denn wir konnten ja im Dorf nichts machen. Von den Vereinen abgesehen. Und raus kamen wir auch nicht“, erinnern sich die drei. Und so wurde 1970 mit 27 Jugendlichen, daher auch der Name des Treffpunktes, das „erste autonome Jugendzentrum in der Region“ gestartet. Der Umzug in den Rathauskeller war ungefähr zwei Jahre später.
Viele in sozialen Berufen gelandet
Nicola ergänzt: „Wir hatten keine Leitung, kein Jugendpfleger passte auf uns auf. Bei uns ging es Basis-demokratisch zu“. Die Gruppe bestand aus Mädchen und Jungen, die zwischen 1952 und 1958 geboren wurden. Boltz hat in seinen alten Unterlagen noch Schriftstücke aus den Anfangsjahren gefunden. Dazu gehört ein Wochen-Planer, in dem die vielen unterschiedlichen Arbeitskreise, im „C 27“ hießen sie auch „Fachschaften“, sorgfältig eingetragen waren. Die Besucher des Treffs interessierten danach Themen wie „Zeitgeschehen, Musik, Theater und Literatur oder Soziales, dazu gehörten auch die Wehrpflicht und das Verweigern.“ „Wir haben alles selbst organisiert, hin und wieder kam in der Startphase der Pfarrer noch vorbei und zeigte uns zum Beispiel Filme über Jugendproteste in den großen deutschen Städten“, so Boltz. Auch eine handschriftliche Einladung an alle Jugendlichen für eine typische Fete gibt es noch, geschrieben von Bernd Hassert. Dort wird eingeladen zu „Cola und Bluna ca. 60 Pfennige, Bier für 80 Pfennige und Wurst für 60 Pfennige.“ Die Musik, also Schallplatten, müsse jeder mitbringen.
Ungewollter „Toiletten-Beauftragter“
Im Treff gab es einen Schallplattenspieler, eine Küche und eine Theke, denkt Karl-Heinz Lugscheider gerne zurück. Er gehörte gut fünf Jahre zum festen Besucherstamm. Wie er schieden gerade die jungen Männer meist erst ab ihrem Wehr- oder Ersatzdienst aus. Walburga Wiegerling ergänzt: „Unsere ganzen Möbel haben wir entweder beim Sperrmüll gefunden oder sogar selbst gebaut.“ Sie wundert sich heute noch, wie viel Freiheit die Jugendlichen im Treff hatten. Selbst die Ortsgemeinde haben alle als ausgesprochen tolerant in Erinnerung. Klaus Bürkmann schmunzelt dabei und erzählt, dass er ungewollt zum „Toiletten-Beauftragten“ wurde. Im Rathauskeller gab es keine Toiletten, deshalb erhielt der Club 27 den Schlüssel für das Haus nebenan. Es war die alte sogenannte Einnehmerei, deren Chef der Vater von Bürkmann war. Wehe, die Klos waren nicht sauber, dann wurde der Sohn vom Vater ins Amt zum Putzen einbestellt. Auf jeden Fall habe die Zeit in dem selbst organisierten Jugendzentrum die meisten stark geprägt und manchen dazu bewogen, einen Beruf im sozialen Bereich zu wählen, waren sich an diesem Tag viele einig. Auch, dass der Kontakt zwischen den Club-Pionieren künftig weiter gepflegt werden solle.