Kreis Germersheim „Kontakt zu Menschen, nicht zu Mickey Mouse“

Herr Schmitt, werden Sie es vermissen, künftig selbst bei Großeinsätzen auf der Straße zu sein?

Ja. Ich habe zehn Jahre lang Fußballeinsätze in Kaiserslautern geleitet. Im Präsidium Ludwigshafen waren es dann die großen Einsätze bei den Gasexplosionen in Harthausen und Edigheim sowie beim Demo-Einsatz letzte Woche. In diesen stressigen Situationen lernt man Menschen besser kennen als im Arbeitsalltag. Mit dem Ludwigshafener Feuerwehrchef Peter Friedrich ist aus der engen Zusammenarbeit schon fast eine Freundschaft entstanden. Und auch mit Ordnungsdezernent Dieter Feid sowie seinem Team, der Oberbürgermeisterin und dem Landrat habe ich sehr gerne zusammengearbeitet. Sind Sie als Inspekteur künftig mehr Politiker als Polizist? Nein, ich werde Polizist bleiben. Der Inspekteur ist so eine Art Chef-Lobbyist der Polizei. Was sind dessen Kernaufgaben? Die Tätigkeit hat viel mit größeren Polizeieinsätzen im Land zu tun, wie etwa bei der Hooligan-Demo in Ludwigshafen. Da müssen Polizeikräfte aus dem ganzen Land und den Nachbarbundesländern zusammengezogen werden. Ist man in diesem Amt noch vor Ort? In der Regel nicht. Bei besonderen Einsätzen lässt man sich aber auch am Einsatzort blicken, um Interesse an der Arbeit der Polizei zu zeigen. Inspekteur klingt irgendwie ungelenk und altbacken. Wie sieht der Job aus? Da haben Sie recht. Der Inspekteur vertritt die rheinland-pfälzische Polizei in bundesweiten Gremien, die sich mit der Zusammenarbeit der Länder und des Bundes in Polizeiangelegenheiten befassen. Der Inspekteur kümmert sich auch um die Innere Führung – das Leitbild der Polizei. Wie sieht denn Ihr Leitbild aus? Wir wollen eine Bürgerpolizei sein und Bürger miteinbeziehen. Auch die interne Menschenführung darf nicht mehr allein nach dem Prinzip Befehl und Gehorsam funktionieren, der Mensch muss im Mittelpunkt stehen. In Sachsen ist wegen des „Polizeinotstands“ (zu wenig Personal) die Leipziger „Legida“-Demonstration verboten worden. Was halten Sie davon? Mich hat das schon überrascht. Das Demonstrationsrecht ist ganz wichtig. Deshalb ist es problematisch, wegen Personalproblemen bei der Polizei eine Demo zu verbieten. Das sollte nur in Ausnahmefällen geschehen. Auch in Rheinland-Pfalz findet Polizeiarbeit zunehmend unter Spardruck statt. Die Folge sind Personalprobleme, räumliche Enge und fehlende Ausrüstung. Werden Sie daran als Mann der Praxis etwas ändern? Die räumliche Enge betrifft ganz besonders unser Polizeipräsidium, wir platzen hier bald aus allen Nähten. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, das Gebäude stammt aus dem Jahr 1930. Bei der Personalausstattung unterliegen wir als Polizei dem Primat der Politik. Ich bin aber sehr froh, dass das Innenministerium in den kommenden Jahren bis zu 500 neue Polizisten einstellen will. Das wird uns massiv helfen. Ich bin auch froh, dass wir zwei zusätzliche Islamwissenschaftler bei der Polizei bekommen. Bisher gab es nur einen. Warum ist das wichtig? Es gibt eine internationale Bedrohungslage durch islamistischen Terror. Wir brauchen Wissenschaftler, die uns erklären, was da überhaupt passiert und welche Auswirkungen das für die vielen Tausend friedlichen Muslime in unserem Land hat, die ihre Religion ausüben wollen. Die Wissenschaftler können uns viel erklären und Missverständnisse beseitigen. Noch mal zum Spardruck. Was würden Sie sich wünschen für die Polizei? Ich würde mir sehr viel mehr Personal wünschen. Ein Beispiel: Wir haben hier in Ludwigshafen Bezirksbeamte. Die Kollegen sollten ursprünglich weniger Ermittlungsarbeit übernehmen, stattdessen zu Fuß in ihrem Gebiet unterwegs sein und Kontakt zu den Menschen halten. Im Laufe der Zeit sind die Ermittlungsaufträge gestiegen, damit auch die Schreibarbeit im Büro. Die Folge: Die Bezirksbeamten sind viel weniger auf der Straße. Werden Sie als Inspekteur versuchen, an dieser Schraube zu drehen? Das sind Punkte, für die ich mich einsetzen will. Der Kontakt zum Bürger ist für die Polizei ganz wichtig. Es geht dabei auch um Vertrauen. Und als Polizei sind wir auch bei der Aufklärung von Straftaten auf Hinweise der Bevölkerung angewiesen. Ihre Amtszeit in Ludwigshafen war kurz, aber intensiv – war das Präsidium Rheinpfalz letztlich nur ein Durchlauferhitzer für Ihre Karriere? Nein, das glaube ich nicht. Das lässt sich nicht vorplanen. Ich war sehr froh, als ich als Präsident nach Ludwigshafen kam. Ich habe hier als ganz junger Mann als Streifenbeamter begonnen. Und hier gibt es immer noch viele junge Leute. Das Präsidium ist im Umbruch. In den 16 Monaten meiner Amtszeit sind insgesamt 28 Leitungsfunktionen neu besetzt worden. Viele ältere Kollegen sind gegangen, jüngere nachgerückt. Die Jungen haben viele Ideen. Die gilt es zu fördern. Sie haben in Ludwigshafen Dinge angestoßen wie den „Arbeitskreis SOS“ (Sicherheit, Ordnung, Sauberkeit) mit der Stadt, das Pilotprojekt gegen Gewaltexzesse in Familien oder den Einsatz neuer Medien wie Twitter bei der Polizeiarbeit. Was wird bleiben? Nehmen wir als Beispiel das landesweite Projekt zur Verhinderung von Gewaltexzessen und Tötungsdelikten in Familien. Das wird in der ganzen Republik beobachtet. Es wird mit Sicherheit bleiben. Meine Aufgabe war, das anzustoßen. Da werde ich auch als Inspekteur ein Auge drauf haben. Polizisten werden in ihrem Arbeitsalltag zunehmend Opfer von Gewalt. Sie haben das Thema als Polizeipräsident in den Fokus gerückt. Werden Sie das auch als Inspekteur tun? Diese Aufgabe gehört elementar zum Job des Inspekteurs. Ich werde mich sicher weiter damit beschäftigen. Respektlosigkeit und Gewalt sind ein gesamtgesellschaftliches Problem. Das spüren nicht nur Polizisten, sondern auch Institutionen wie Arbeitsämter oder Schulen. Für die Polizei heißt das: Wir müssen uns gut schützen, da wird es im Einsatz künftig auch Kameras am Körper geben, die alles filmen, Stichwort „Bodycam“. Aber das ist nur ein Punkt. Ein anderer ist die Kommunikation in den unterschiedlichen Einsatzlagen. Was meinen Sie damit? Wir wollen etwa versuchen, die Sprachkompetenz bei einem Einsatz bei Familien mit Migrationshintergrund zu verbessern. Wir brauchen bessere Kulturkenntnisse. Ein Beispiel: Wenn Leute verlangen, dass wir beim Betreten der Wohnung die Schuhe ausziehen, dann müssen wir wissen, das ist kein Affront, sondern gehört in diesem Kulturkreis einfach dazu. Deshalb haben wir ein entsprechendes Projekt in Germersheim gestartet. Das wird von der Uni Landau wissenschaftlich begleitet. In Frankreich gibt es ein Burka-Verbot, das die Polizei dort vor erhebliche Probleme stellt. Wie stehen Sie dazu? Ich sehe hier in Ludwigshafen so gut wie niemanden mit einer Burka. Ich kann aber schon nachvollziehen, dass man ein ungutes Gefühl hat, wenn das Gegenüber komplett verhüllt ist. Eine klare Antwort ist das nicht. Das ist ein ganz schwieriges Feld. Zu unserer Kultur und unserem Menschenbild in Deutschland gehört eine Burka nicht unbedingt dazu. In Deutschland darf aber niemand wegen seines Glaubens benachteiligt werden, Toleranz und Respekt sind hier die Garanten für ein friedliches Zusammenleben. Ich setze mehr auf Überzeugung und Dialog, glaube aber nicht, dass ein Verbot eine richtige Maßnahme bei uns wäre. Themenwechsel: Ihr Arbeitsweg von Ihrem Wohnort im Saarland nach Mainz wird jetzt noch länger. Bleiben Sie Pendler? Ja. Ich hätte sonst schon sieben- oder achtmal umziehen müssen. Von Saarländern weiß man ja, dass sie nur ungern die Heimat verlassen? Wir sind schon standorttreu (lacht). Aber ich werde künftig auch nicht wesentlich länger zu meinem neuen Arbeitsplatz nach Mainz brauchen. Apropos Mainz: Heißer Kandidat für Ihre Nachfolge ist Thomas Ebling (55), der Bruder des Mainzer Oberbürgermeisters. Wird er der „Neue“ im Präsidium Rheinpfalz? Die Stelle wird ausgeschrieben. Da können sich alle Kollegen mit entsprechenden Voraussetzungen Hoffnungen machen. Ich kenne Thomas Ebling ganz gut und weiß, dass er sich bewerben wird. Er ist ein ganz erfahrener Polizeibeamter. Er war Stellvertreter im Mainzer Präsidium, war im Innenministerium – er hätte also die Erfahrung, die man braucht. Ludwigshafen hat in Ihrer Laufbahn eine wichtige Rolle gespielt. Wie behalten Sie das Präsidium im Vergleich mit anderen Dienstorten wie Trier oder Kaiserslautern in Erinnerung? Ludwigshafen hat mich geprägt. Als ich mit 18 hierher kam, erlebte ich eine unglaublich gute Zusammenarbeit mit jungen Kollegen. Da gibt es auch heute noch einen besonderen Teamgeist. Das habe ich andernorts selten erlebt. Ein Beispiel: In der Silvesternacht haben in den Inspektionen der Innenstadt und in Oppau alle Beamten Dienst geschoben. Keiner hat sich freigenommen. Die haben zusammen was gekocht. Das macht den Dienst für alle leichter. Das imponiert mir. Wie werden Sie die Stadt Ludwigshafen in Erinnerung behalten? Trier und Ludwigshafen sind nicht so verschieden: beide liegen an einem Fluss, beide haben höchst bemerkenswerte Oberbürgermeister und auffallende Stadttore. In Trier die Porta Nigra der Römer, in Ludwigshafen das Tor 2 der BASF (lacht). Aber Spaß beiseite: Ludwigshafen ist eine Industriestadt, die sich unglaublich verändert hat. Nehmen Sie etwa das Gewerbegebiet „Westlich B 9“ und das Rheinufer Süd. Was sich da getan hat, ist unglaublich. Leider hat sich die Innenstadt speziell in der Ludwig- und der Bismarckstraße negativ verändert. Da ist viel zu wenig Leben. Sie werden noch bis Ende Mai in Ludwigshafen sein. Gibt es da noch Dinge, die Sie anstoßen werden? Wir wollen mit der Bürgerbeteiligung im Internet starten. Die Leute können sich dort künftig etwa zum Schutz vor Wohnungseinbrüchen beraten lassen. Die Bürger müssen sich vorher mit ihrem richtigen Namen auf der Plattform anmelden – wir wollen ja mit Menschen und nicht mit Mickey Mouse 123 diskutieren. Damit wollen wir eine Rückmeldung zu unseren Service bekommen und unser Angebot verbessern. Bürger können zudem Tipps geben, wo es Geschwindigkeitsmessungen geben sollte. Etwa in der Nähe von Schulen oder Kindergärten. Da wollen wir mit der Stadt zusammenarbeiten. Los geht es am 16. April. Das Ganze nennt sich „Polizei im Dialog“ (PID). Das Projekt ist mir wichtig. Auch mit der Verkehrsprävention „BOB“ werden wir im April starten: Es geht darum, dass wir den herausstellen wollen, der im Kreis seiner Freunde nüchtern bleibt und sie nach Hause fährt. Zum Schluss eine Satzergänzung: Ein guter Polizist ist für mich jemand, … … der sich ständig kritisch hinterfragt und sich so verhält, wie er es von anderen ihm gegenüber erwartet. und Steffen Gierescher

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