Lustadt Mit Stolpersteinen ein Zeichen gegen das Vergessen setzen

Hier verlegt der Künstler Gunter Demnig Stolpersteine in Germersheim.
Hier verlegt der Künstler Gunter Demnig Stolpersteine in Germersheim.

Die Geschichten jüdischer Familien in der Südpfalz ähneln sich. Vor, in und nach der Reichspogromnacht wurden von Mitbürgern und Nachbarn fürchterliche Dinge getan. Am Samstag werden in Lustadt die ersten Stolpersteine verlegt – als Aufforderung, niemals zu vergessen.

Es ist die Geschichte von Wilhelmina und Jakob Weil, die in der Hauptstraße 203 in Lustadt bis zum 10. November 1938 wohnten. Für die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 gibt es viele Namen – Reichskristallnacht, Kristallnacht oder Reichspogromnacht. Von dieser Nacht an war in der Südpfalz, war in Deutschland alles anders; Nationalsozialisten zeigten ihr wahres Gesicht. Jüdische Synagogen brannten, Menschen verloren ihr Hab und Gut und wurden aus ihren Häusern verjagt – so auch in Lustadt.

Schon vor der Pogromnacht, dem offiziellen Signal für den dann folgenden Völkermord, wurde das Haus der Familie Weil an den Großvater von Birgit und Jochen Emnet verkauft. „Wir haben einen Kaufvertrag unseres Großvaters, beurkundet von einem Nazi-Notar“, sagt Birgit Emnet. Jakob Weil habe wohl geahnt, dass die Zeiten für jüdische Familien noch schlechter würden und hat den Großvater gebeten, der jung verheiratet war, das Haus zu kaufen. Nach dem Krieg sei an die Familie noch eine Entschädigung gezahlt worden, erzählt die Enkelin des Käufers. Ihr Bruder Jochen habe in den vergangenen Jahren das Haus übernommen und vermietet. Und über einen der Mieter sei der Kontakt zu den Urenkeln von Jakob und Wilhelmina Weil zustande gekommen. Denn diese recherchierten, wo ihr Urgroßvater, der im Exil verstorben ist, und ihre Urgroßmutter, die in Auschwitz getötet wurde, einst gewohnt haben.

Die Verlegung der ersten Stolpersteine durch den Künstler Gunter Demnig in Lustadt erfolgt nun am Samstag, 5. Oktober, 11 Uhr, vor dem Anwesen 203 in der Oberen Hauptstraße. Neben Ortsbürgermeister Volker Hardardt werden auch die Urenkel der Familienzweige aus Israel, England und Amerika sprechen. Birgit und Jochen Emnet haben die Patenschaft über die Stolpersteine übernommen. Diese Steine sind ein Zeichen und Aufruf für alle Hinterbliebenen, niemals zu vergessen.

Birgit Emnet wurde inzwischen auch von weiteren Verwandten einer jüdischen Familie, die einst in Lustadt gelebt hatte, angeschrieben. „Lustadt hatte eine große jüdische Gemeinde“, sagt die Journalistin, die in Wiesbaden lebt. Als Kinder habe sie mit ihren Freunden in deren Ruinen gespielt, obwohl dies ihre Eltern verboten hatten. Die Synagoge sei in der Kristallnacht abgebrannt. Vielleicht wird es durch diese neuen Kontakte irgendwann zu einer weiteren Verlegung von Stolpersteinen kommen.

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