Südpfalz/Kasane UNESCO: Queichwiesenbewässerung ist immaterielles Kulturerbe

Die mal mehr mal weniger feuchten Queichwiesen bieten dem Weißstorch einen guten Lebensraum.
Die mal mehr mal weniger feuchten Queichwiesen bieten dem Weißstorch einen guten Lebensraum.

Ein landwirtschaftliches Kulturgut soll geschützt werden. Diente die Bewässerung früher der Nahrungsmittelversorgung, rücken nun die Folgen der Trockenheit in den Mittelpunkt.

Am Dienstagabend knallten bei der Interessengemeinschaft (IG) Queichwiesen die Sektkorken. Kurz zuvor hatte die UNESCO, die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung und Kultur in Kasane/Botswana einen Beschluss gefasst. Demnach soll die traditionelle Bewässerung in Europa, also auch die Queichwiesenbewässerung in der Südpfalz, immaterielles Kulturerbe der Menschheit werden. Das teilte Pirmin Hilsendegen mit, der Koordinator der IG.

Natürliches Gefälle genutzt

Bei der traditionellen Bewässerung wird nur mittels des natürlichen Gefälles Wasser aus einem Bach oder Fluss über Gräben und Kanäle in die Fläche verteilt, berichtet Hilsendegen. Diese Form der Wiesenbewässerung sei bis Mitte des letzten Jahrhunderts in Europa weit verbreitet gewesen, seither aber fast völlig verschwunden. In sieben Gemeinden entlang der Queich zwischen Landau und Germersheim wird sie laut Hilsendegen noch praktiziert. „Hier befindet sich heute mit rund 450 Hektar das größte zusammenhängende noch aktive Wiesenbewässerungssystem Deutschlands.“ Diese landwirtschaftliche Kulturtechnik sei seit 2018 als immaterielles Kulturerbe in Deutschland anerkannt. Trägerin des Kulturerbes sei die IG Queichwiesen, in der rund 60 Landwirte, Naturschützer und Vertreter der beteiligten Gemeinden zusammenarbeiteten.

Mit solchen Schließen wird die Wasserzufuhr aus Bächen wie der Queich in die Wiesen gesteuert.
Mit solchen Schließen wird die Wasserzufuhr aus Bächen wie der Queich in die Wiesen gesteuert.

Größeren Viehbestand ermöglicht

Die Wiesenbewässerung sei in den vergangenen Jahrhunderten existenziell für die Bevölkerung gewesen, da sie für einen sicheren Heuertrag gesorgt habe, der wiederum einen entsprechend großen Viehbestand ermöglicht und damit Milch, Käse, Fleisch, Dünger und tierische Zugkraft geliefert habe. „Neuerdings rückt die ökologische Funktion mehr in den Blick: Die wechselfeuchten Wiesen bieten einer großen Anzahl von Tier- und Pflanzenarten Lebensraum und beispielsweise für durchziehende Vogelarten einen Rastplatz.“ Das Mosaik von bewässerten und nicht bewässerten, intensiv oder weniger intensiv genutzten Wiesen schaffe eine große Strukturvielfalt und damit eine hohe Artenvielfalt. „Gleichzeitig erfährt der Beitrag der Wiesenbewässerung zum Landschaftswasserhaushalt angesichts zunehmender Trockenheit erhöhte Aufmerksamkeit.“

Europaweiter Austausch

Im Frühjahr und im Sommer werden laut Hilsendegen in Landau, Offenbach, Hochstadt, Ottersheim, Zeiskam, Knittelsheim und Bellheim die Wiesen bewässert. Zudem finde seit Jahren europaweit ein reger Austausch mit ähnlichen Initiativen statt. Das habe 2022 zu einem gemeinsamen Antrag von sieben europäischen Ländern an die UNESCO geführt, neben Deutschland die Niederlande, Belgien, Luxemburg, die Schweiz, Österreich und Italien.

Fürs kommende Frühjahr, wenn offiziell die Urkunde übergeben werden soll, ist nach Aussage Hilsendegens „ein angemessener Festakt“ vorgesehen. Federführend sei das Auswärtige Amt. Außerdem sollen mehrere geführte Exkursionen während der Bewässerung angeboten werden.

Und was bringt diese Auszeichnung der IG? Die Anerkennung ist laut Hilsendegen zwar nicht direkt mit Zuschüssen verbunden, aber sie dient der öffentlichen Wahrnehmung. „Und sie ist ein Türöffner bei Projekten, die öffentliche beziehungsweise behördliche Unterstützung brauchen.“ Diese Unterstützung sei in der Vergangenheit wiederholt vom Land geleistet worden als es galt, zahlreiche Schließen und Wehre instand zu setzen sowie Gräben der Queich neu zu profilieren. Aktuell mache man sich bei der IG Gedanken darüber, inwieweit das Bewässerungssystem für Hochwasserereignisse geeignet ist.

Hilsendegen bedauert, dass der vor zwei Wochen verstorbene Professor Christian Leibundgut die Anerkennung nicht mehr erleben durfte. Schließlich habe der Hydrologe den Anstoß für die Bewerbung für den Kulturerbe-Status gegeben, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Seit 2008 sei die IG mit Leibundgut in Kontakt gewesen, der auf dem Gebiet der Bewässerung wissenschaftlich gearbeitet habe. „Das war sein Lebenswerk.“

„Lebendiges Erbe“

„Die traditionelle Bewässerung ist ein lebendiges Erbe, das einen entscheidenden Beitrag dazu leistet, die biologische Vielfalt unserer Kulturlandschaften zu erhalten“, so der Vizepräsident der Deutschen UNESCO-Kommission, Christoph Wulf, in einer Pressemitteilung. Im Lauf der Beratungen sei die Erkenntnis gereift, dass die traditionelle Bewässerung „nicht nur in der Vergangenheit eine existenzielle Bedeutung hatte, sondern auch wesentlich zur Lösung von gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen beitragen kann, wie zum Beispiel beim Hochwasserschutz, beim Klimaschutz, beim Landschaftswasserhaushalt und beim Schutz der Biodiversität“. In Deutschland böten diese Kulturlandschaften etwa dem Weißstorch Nahrung und Lebensraum.

Zum immateriellen Kulturerbe zählen lebendige Traditionen aus Bereichen Tanz, mündliche Überlieferungen, Naturwissen und Handwerkstechniken. Einzelne Elemente aus den nationalen Verzeichnissen des immateriellen Kulturerbes der Vertragsstaaten können für eine von drei internationalen UNESCO-Listen vorgeschlagen werden. Über die Aufnahme entscheidet jährlich der zwischenstaatliche Ausschuss zum immateriellen Kulturerbe. Das Gremium setzt sich aus 24 gewählten Staaten zusammen, darunter Deutschland.

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