Hagenbach Zeitungsausträger strampelt sich für Leser ab

Im ersten Morgengrauen ist Ernst Niederer mit der RHEINPFALZ in Hagenbach unterwegs.
Im ersten Morgengrauen ist Ernst Niederer mit der RHEINPFALZ in Hagenbach unterwegs.

Egal, ob’s regnet, stürmt oder schneit, sommers wie winters macht sich Ernst Niederer in aller Herrgottsfrüh auf den Weg, um den RHEINPFALZ-Lesern pünktlich ihre Zeitung zuzustellen – und das schon seit 17 Jahren.

Wenn sich das Morgengrauen unterm sommerlichen Sternenhimmel erst nur erahnen lässt, packt Ernst Niederer in Hagenbach um drei Uhr sein Fahrrad mit den frisch gedruckten RHEINPFALZ-Exemplaren, die ihm zuvor – meist pünktlich – angeliefert wurden. Hoch aufgetürmt liegt ein Stapel im Korb, und zwei Stofftaschen hängen am Lenker. Seine Tour mit 15 Straßen und über 100 Zeitungen kennt er auswendig. Immerhin ist der 86-Jährige bereits seit 17 Jahren morgens für die Zustellung verantwortlich. Damals ist er eingestiegen, um für seine kranke Tochter Alexandra auszuhelfen. „Aufwachen und Aufstehen geht automatisch“, meint der Senior, und „es ist garantiert keine senile Bettflucht.“ Das erklärt er auch immer wieder auf skeptische Bemerkungen von Bekannten: „Des hasch du doch nemme nedich.“ Doch Niederer versichert: „Bewegung und die frische Luft, das hält gesund.“ Tatsächlich kann man beim gemeinsamen Austragen bewundern, wie gelenkig und sicher der rüstige Senior das ständige Auf- und Absteigen des Fahrrads meistert, und je nach Lage des Briefkastens steigt er nicht mal ab.

Eine rechts, eine links

Hier steckt er ein Exemplar auf die rechte Straßenseite der Einzelhäuser, dort links; und in den Mehrfamilienhäusern ist die Tageszeitung gar nicht mehr gefragt? „Na ja, manche Leser sind wohl online“, meint er. Denn die meisten seiner regelmäßigen Kunden kennt er, auch wenn er ihnen kaum nachts begegnet. Die Nachtarbeit ist einsam, erst gegen morgen fahren die ersten „Schichtler“ und marschieren die Hundespaziergänger. Ansonsten ist die Ruhe gut für die Konzentration, schließlich muss er auf Unterbrechungen wegen Urlaub achten, es gibt öfter Probeabos, seltener Neukunden, und leider fast mehr Abbestellungen.

Samstags muss Niederer früher los, denn er braucht länger, da meist bereits die dicken Werbeprospekte im Kasten oder im Zeitungsrohr stecken. Das Bündel muss er rausnehmen und zusammen mit der dicken Wochenendzeitung wieder in den Kasten „quälen“. „Weil die Zeitung keinesfalls nass werden darf.“ Sonst gebe es ärgerliche Anrufe, ebenso wenn die Zeitung zu spät sei oder gar wegen Krankheit ausfalle. Doch Ernst Niederer versichert, dass dies noch kaum vorgekommen sei, schließlich können seine Leser pünktlich zum Frühstück ab sechs Uhr ihre gedruckten Neuigkeiten erwarten.

Dank für hohe Zuverlässigkeit

Für die hohe Zuverlässigkeit übers Jahr bedanken sich viele Kunden an Weihnachten bei ihm, manchmal mit der Frage „Wie lang machsch des denn noch?“. Das ist für Niederer keine Frage. Zweifellos ist es im Winter, gar bei Kälte, Dunkelheit und Glatteis schwieriger als im freundlichen Juni, in dem er nachts kurzbehost loszieht und morgens den Sonnenaufgang genießt. Denn Ernst Niederer ist mit Arbeit aufgewachsen, das prägt auch heute noch seinen Lebensrhythmus. Als Jugendlicher lernte er das Schneiderhandwerk, was allerdings keine Zukunft versprach. „Die Leute haben dann Anzüge in den Geschäften gekauft, nur noch die ’Krummen’ haben sich schneidern lassen.“ Bis zum Ruhestand arbeitete er danach in der Linoleum- und der Papierfabrik in Maximiliansau. Und auch heute wartet nach dem Ende der Morgenschicht gegen sechs Uhr und kurzem „Nickerchen“ anschließend auch genug Arbeit im großen Hausgarten und auf dem „Grumbeeracker“, während Ehefrau Helga das Haus versorgt. Zum Ausgleich gibt’s abends den geliebten Fußball im Fernsehen und seit 70 Jahren das Singen im Gesangverein „Liederkranz“, bis dann etwas früher auch schon wieder das Bett ruft. „Schließlich wartet nachts bereits die nächste RHEINPFALZ am Morgen.“

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