Kreis Kaiserslautern „Ein echtes Stück Friedensarbeit“

Uwe Benkel spürte am Samstag mit Hilfe von Zeitzeugen wieder einem Soldatenschicksal aus dem Zweiten Weltkrieg nach. 1944 wurde über Oberarnbach ein amerikanisches Jagdflugzeug abgeschossen.

Nebelschwaden hängen am Samstagmorgen über dem Tal von Oberarnbach. Darüber scheint eine strahlende Sonne vom wolkenlosen Himmel, es verspricht ein schöner Tag im frühen Herbst zu werden. Das Bild, das sich dem Betrachter von den Höhen über dem Wallhalbtal aus bietet, weckt am Samstag so gar keine Assoziationen zu den dramatischen Szenen, die sich vom Standpunkt des Beobachters aus vor etwas mehr als 70 Jahren beobachten ließen: Am 21. Juli 1944 – rund sechs Woche zuvor sind die alliierten Streitkräfte in der Normandie gelandet – wird über dem Dörfchen ein amerikanisches Jagdflugzeug abgeschossen. Das Flugzeug, eine zweimotorige „Lightning P 38“, bohrt sich in einen Hang nordöstlich des Dorfs. „Das Flugzeug wurde von der Kindsbacher Flak abgeschossen. Schon brennend flog es zunächst eine Schleife um das Dorf und stürzte dann ab“, berichtet Oswald Weis. Der damals Siebenjährige kann sich nach eigenen Angaben noch sehr gut an die Geschehnisse jenes Julitages erinnern. Zusammen mit Karlfried Weis, einem weiteren Zeitzeugen, schildern sie sehr plastisch, was sich damals zugetragen hat. Die beiden Senioren warten zusammen mit Ortsbürgermeister Arno Eckel und einer Gruppe Amerikaner, allesamt Angehörige der United States Air Force, am Ende der Maistraße auf den Vermisstenforscher Uwe Benkel, der wenig später eintrifft. Für Benkel, der 1989 eine Arbeitsgruppe für Vermisstenforschung ins Leben gerufen hat, deren Ziel es ist, vermisste Flieger zu bergen, zu identifizieren und würdig zu bestatten, hat der Besuch in Oberarnbach einen besonderen Charakter, sind doch die Daten des Fluges sowie der Verbleib der Leiche des Piloten, der bei dem Absturz ums Leben kam, geklärt: Captain Jack Grossenbacher steuerte die Maschine, die Geleitschutz für eine Bomberstaffel flog, die auf dem Weg nach München war. Dem 24-Jährigen war es noch gelungen, aus der brennenden Maschine abzuspringen, allerdings öffnete sich sein Fallschirm aufgrund der zu geringen Flughöhe nicht mehr. Die Leiche des Piloten fand man erst drei Wochen später, mehr zufällig in einem Busch nordwestlich der Straße nach Landstuhl. Entgegen der damals gebräuchlichen, unseligen und von den Nazis erzwungenen Praxis verscharrte man den Leichnam nicht an Ort und Stelle sondern bestattete ihn auf dem Dorffriedhof. Für die Oberarnbacher eine höchst lebensgefährliche Vorgehensweise. Helga Kruse – ihrer Familie gehört das Waldstück, in dem die Trümmer des amerikanischen Fliegers liegen – stößt zu der Gruppe. Sie zeigt alte, vergilbte Schwarz-Weiß-Fotografien herum, die das Grab des Fliegers zeigen, um das sich ihre Tante Emma Gros kümmerte. „Warum sie das tat und warum die Oberarnbacher den Toten auf dem Friedhof bestatteten, wir wissen es nicht“, sagt sie, auch die beiden Zeitzeugen und der Ortsbürgermeister können nur rätseln, was damals im Dorf vorgegangen war. Uwe Benkel berichtet, dass die Amerikaner den gefallenen Flieger nach 1945 umgebettet und auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof bei Saint-Avold beigesetzt haben. Die Schilderungen des Absturzes durch Oswald und Karlfried Weis sowie insbesondere der Bericht von Helga Kruse sorgen, unterstützt durch die Fotos des Grabs, für großes Erstaunen bei den Angehörigen der US-Air-Force. Unter ihnen befindet sich als ranghöchster Militär Colonel Rich Howard. Der Pilot wird im kommenden Monat in den Ruhestand versetzt. Zusammen mit Julia McGregor aus seinem Stab haben die Militärangehörigen auf Wunsch des Colonel die Geschichte des gefallenen Piloten recherchiert und Kontakt mit dessen Verwandten in den Vereinigten Staaten aufgenommen. Auf dem Weg zur Abschussstelle unweit des Dorfs zeigt sich Benkel froh darüber, dass die Amerikaner von sich aus auf ihn und seine Arbeitsgruppe zugegangen seien, um diesen Teil der gemeinsamen deutsch-amerikanischen Geschichte aufzuarbeiten. „Das ist ein echtes Stück Friedensarbeit, es dient der Völkerverständigung und der Deutsch-Amerikanischen-Freundschaft.“ Später sei unter anderem geplant, mit einer Gruppe Boy-Scouts (am Samstag sind wegen des Holiday-Weekends die meisten Familien verreist) an die Absturzstelle zu kommen, an der noch jede Menge Trümmerteile zu finden sind. Auch am Samstag graben die Amerikaner an dem Trichter und finden Metallteile, die Benkel einem Flugzeugmotor zuordnen kann. „Viele sagen immer, der amerikanische Bürgerkrieg sei ein Bruderkrieg gewesen. Wenn man sich des Namens des gefallenen Piloten erinnert, dann war auch der Zweite Weltkrieg ein Bruderkrieg“, meint Colonel Howard an einem noch immer sichtbaren Absturzkrater stehend. Er wird später eine ganze besondere Erinnerung an Oberarnbach mitnehmen können. Aus den Propellerflügeln der abgeschossenen Maschine hat ein Oberarnbacher, der in Kaiserslautern in einer Gießerei arbeitete, Töpfe gegossen, die in vielen Familien im Dorf jahrzehntelang in Gebrauch waren. „Wir haben darin immer ,Hawe-Dampnudele′ gemacht. Meinen Topf schenke ich den Amerikanern“, sagt Oswald Weis. (ink)

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