Kreis Kaiserslautern Eine nicht nur musikalische Zeitreise

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„Musik einmal anders“, kündigte Manfred Kirch vom Gesangverein Harmonie Neuhemsbach dem Publikum an. „100 Jahre Herrschaft Sayn-Wittgenstein“ lautete das Konzertmotto. Mit Musik, Vorträgen und Spielszenen beleuchtete der Verein damit die Zeit der Renaissance zwischen 1550 und 1650.

Seine Durchlaucht Richard Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg, Unternehmer und Chef des Gesamthauses Sayn-Wittgenstein, ließ sich entschuldigen: „Es ist eine besondere Ehre, dass Sie aufgrund der geschichtlichen Verbindungen zwischen dem Fürstenhaus … und der Stadt Neuhemsbach an ihn gedacht haben. Leider wird es Prinz Richard nicht möglich sein, zum Konzert zu erscheinen.“ Neugierig machte schon der Programmabdruck eines Schreibens der Wittgenstein-Berleburg’schen Rentkammer. Ausverkaufte Reihen und viel Lob bestätigten das Konzept. Mit barocker Spielmusik von Henry Purcell führte das Blockflötentrio Wolfgang Rink, Brian Jefferies und Hartmut Weisbrod ins Thema ein. Im Frage- und Antwort-Stil und mit synchronisierendem Flötenspiel gefielen zwei Sätze aus der 1692 uraufgeführten Semi-Oper „The Fairy Queen“. Polyphone Liedkunst, a cappella oder mit Cembalo-Begleitung, legte der gemischte Chor des Gesangvereins mit seinen 21 Sängerinnen und zehn Sängern vor. „Viel Spaß“ hatten die Mitwirkenden und Chorleiter Hartmut Weisbrod schon während der Proben. Spürbar wurde die Begeisterung beim Konzert. Sicher wandelte der Chor auf der Skala melodisch-rhythmischer und dynamisch ausgewogener Effekte. Informatives zum zeitlichen und gesellschaftlichen Umfeld lieferte Toni Redds Moderation. Interessantes förderte der historische Rückblick von Bürgermeister Andreas Alter zu Tage. Basierend auf Hans-Jürgen Haucks Recherchen beschrieb er die Geschichte ab 1200. Geschlechter der Flersheimer, Sponheimer und von der Leyen hätten Spuren hinterlassen, bis nach 1655 Besitztümer an die Sayn-Wittgenstein fielen. Die neue Herrschaft errichtete ein neues Schloss und zog zur Belebung von Wirtschaft und Kultur neue Siedler an. Genau an dieser Stelle setzte Hans-Jürgen Haucks historische Spielszene ein. „Wie, wo, er is schun do?“ Im fürstlichen Salon wird die Ankunft des Grafen von Sayn-Wittgenstein (Olaf Liebetrau) erwartet. Gefällig und begeisternd probt der Kinderchor „Bambinis“ (Leitung Daniela Fritz) seine Lieder. Im Stress befindet sich der Schlossverwalter (Hans-Jürgen Hauck), im Putzwahn die Zimmermädchen (Ulrike Jelonnek, Daniela Fritz). Ein Wachmann (Vilnis Vachers) ruft „Habt Acht“. Alle Hände voll zu tun hat die gräfliche Haushälterin (Sabrina Liebetrau). Der Jagdaufseher (Manfred Kirch) probt den kleinen Aufstand, als es darum geht, eine fürstliche Depesche nach Schloss Berleburg zu bringen, um Siedler anzuwerben. Graziös und temporeich spielte Hartmut Weisbrod auf dem Cembalo Domenico Scarlattis Sonate G-Dur ein. Neuland betrat der Gesangverein mit dieser ebenso lustigen wie spannungsreichen Inszenierung. Der Applaus sprach für sich. Ein Intermezzo lieferte mit drei ausdrucksvollen Darbietungen ein weiteres Mal der gemischte Chor. Mit tänzerisch neckenden Madrigal-Melodien, lockendem Übermut und tonmalerischem Stilgefühl gelang dem gemischten Chor ein Spiegelbild der Zeit. Orlando di Lassos „Landsknechtsständchen“ war als Zugabe mehr als verdient. Deftiges aus der Schlossküche bot Beate Jelonnek an. Selbst das Wetter spielte mit. Info Die Chronik von Neuhemsbach ist über Bürgermeister Andreas Alter erhältlich. |jst

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