Kreis Kaiserslautern „Wir sind Lobby für die, die keine haben“

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Mit einem Besuch auf der Schernau startete Christian Schad gestern seine eintägige Visite im Kirchenbezirk Homburg, zu dem auch ein Teil des Landkreises Kaiserslautern gehört. Der Präsident der Evangelischen Kirche der Pfalz zeigte sich dabei „beeindruckt von der Arbeit, die Beschäftigte und Bewohner des Alten- und Pflegeheims tagtäglich gemeinsam leisten“.

Der Präsident ist etwas spät dran. Um Viertel nach neun soll Christian Schad mit seinen Begleitern auf der Schernau, jener kleinen „Pfälzer Arbeiterkolonie“ in Sichtweite von Martinshöhe, eintreffen. Doch der Weg von Speyer auf die Sickinger Höhe ist ziemlich weit, und dazwischen liegt das Autobahnkreuz Landstuhl. „Ziemlich heftige Baustelle mit allerhand Staus“, meint der Kirchenpräsident bei seiner Ankunft um kurz vor zehn mit einem bedauernden Lächeln, „also machen wir jetzt ein bisschen schneller.“ Anschließend scheint der hohe Kirchenfunktionär ganz Ohr zu sein. Aufmerksam lässt er sich von Direktor Dieter Müller Geschichte und Gegenwart der Einrichtung erläutern: Gegründet anno 1898, um Wandergesellen und stellungslosen Jungarbeitern ein Dach über dem Kopf zu bieten. In den frühen 1960er Jahren zwangsweise umgezogen, weil die US-Truppen das ursprüngliche Gelände für den Flugplatz in Ramstein brauchten. Heute ein Alten- und Pflegeheim „in freier Trägerschaft“ mit rund 210 Bewohnern und 110 Beschäftigten, von der Pflegekraft über den Koch bis zur Verwaltung. Hinter diesen dürren Fakten steht ein „Geist der Schernau“, den Direktor Müller so beschreibt: „Wir geben hier Menschen ein Zuhause, die in dieser Gesellschaft eigentlich niemand mehr haben will.“ Langjährige Suchtkranke, die oft zahllose Therapie-Versuche hinter sich haben. Frühere Kriminelle, die nach der Haft strafe ins Nichts gefallen sind. „Ursprünglich war die Schernau nur für Männer gedacht, inzwischen leben auch zehn Frauen bei uns“, berichtet Müller. Probleme zwischen den Bewohnern oder mit dem Personal gebe es dadurch nicht: „Das haben alle ganz gut im Griff.“ Schließlich gibt es noch einen geistlichen Hintergrund für die Arbeit der „Pfälzer Arbeiterkolonie“. Gegründet wurde sie damals von einem evangelischen Pfarrer, ganz im Geiste der Bodelschwinghschen Philosophie: Mitarbeit statt Almosen, Respekt vor den Menschen anstelle herablassender Mildtätigkeit. „Bei uns beteiligen sich viele Bewohner an der täglichen Arbeit, natürlich jeder nach seinen individuellen Möglichkeiten“, erklären der Direktor und seine Mitarbeiterinnen nicht ohne Stolz. Nicht zuletzt deshalb sei es möglich, „dass wir uns hier auch im Alltag auf Augenhöhe begegnen.“ Sichtlich beeindruckt macht sich der Kirchenpräsident abschließend auf den Weg durch die einzelnen Gebäude. Sucht hier das kurze Gespräch mit einem älteren Bewohner, der stolz seinen Platz im Doppelzimmer zeigt – geschmückt von zahllosen Kuscheltieren. Fragt dort den Pfarrer der zuständigen evangelischen Gemeinde, wie gut denn der Besuch der wöchentlichen Gottesdienste ausfalle. „Prozentual besser als in manchen anderen Gemeinden“, kommt als launige Antwort. Und schließlich ist Schad sehr angetan von der ebenso schlichten wie anmutigen Holzkapelle, die seit 1993 das Gelände bereichert: „Ein wunderbar spiritueller Ort.“ Zum Ende seiner Visite, die ihn noch den ganzen Tag durch den Kirchenbezirk Homburg und am Abend auch ins Landstuhler Jugendcafé „Quo Vadis“ führen wird, ordnet Christian Schad seinen Besuch auf der Schernau auch gesellschaftspolitisch ein: „Wir sind als evangelische Kirche auch eine Lobby für diejenigen, die keine Lobby haben. Und dass sich dieser Einsatz am Ende lohnt, dafür ist die Schernau ein besonders gutes Beispiel.“ |mibo

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