Kusel „Bei dem Zustrom muss man neu reden“

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Spontan hat die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer am Samstagnachmittag die provisorische Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Kuseler Windhof besucht. So felsenfest wie beim Rundgang mit Integrationsministerin Irene Alt (wir berichteten), steht die Zahl von 700 Flüchtlingen in Kusel nicht mehr.

Kurz vor 14 Uhr haben die Verantwortlichen der Erstaufnahmeeinrichtung von dem Besuch der SPD-Ministerpräsidentin erfahren, um 15.50 Uhr fahren die schwarzen Limousinen vor. „Sie war in der Gegend und wollte sich ein Bild der Situation vor Ort machen“, erklärt später einer ihrer Mitarbeiter. An der neuen Turnhalle, die seit Freitag vorvergangener Woche als Notunterkunft genutzt wird, scharen sich schnell Flüchtlinge um die Landeschefin. Auf einem Blatt steht auf Englisch: „Die syrischen Flüchtlinge bedanken sich bei der deutschen Regierung.“ Auf englisch unterhält sich Dreyer mit einigen Menschen. Small Talk. Lob für Helfer und Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) gibt’s auch: „Wir wüssten nicht, was wir ohne DRK tun würden.“ Nach kurzen Gesprächen mit den Flüchtlingen geht’s in die Spielstube. Die Kinder dort staunen nicht schlecht, als die Gruppe um die Ministerpräsidentin, unter anderem mit DRK-Geschäftsführer Volker Zimmer, Einrichtungsleiter Martin Ziemer und Landrat Winfried Hirschberger, dort einläuft. Nur kurz hat Dreyer die Gelegenheit, mit ehrenamtlichen Helfern zu sprechen, zu drängend sind die Probleme, die den Verantwortlichen vor Ort auf den Nägeln brennen: Die ankommenden Flüchtlinge sollen möglichst schnell in Kusel registriert werden können – doch dazu fehlt momentan die notwendige Ausstattung. Derzeit müssten die noch nicht in Deutschland registrierten Flüchtlinge, davon gibt es etliche auf dem Windhof, vom DRK in Bussen nach Trier gefahren werden. Später wird das Thema im Schulzelt der Einrichtung erneut aufgegriffen. „Keine Registrierung bedeutet auch kein Taschengeld“, sagt Volker Zimmer. Und ohne Taschengeld können sich die Flüchtlinge weder Tabak noch Handykarten kaufen. Die Befürchtung ist, dass dieser Umstand sich auf die Stimmung auf dem Windhof auswirkt. Hirschberger fordert: „Wir brauchen eine Identifikation, damit die Leute hier Geld kriegen.“ Die Gesundheitsuntersuchung könne übergangsweise ja weiter in Trier stattfinden. Hirschberger spricht ein weiteres Problem der fehlenden Registrierung an: Familienzusammenführungen würden deutlich erschwert. Die auf der Flucht oder in Deutschland auseinandergerissenen Familien müssten sich dringend schneller finden. In Kusel sei beispielsweise ein Zehnjähriger angekommen – ohne Vater, Mutter oder Verwandte. Immer wendet sich Dreyer an den Mann an ihrer Seite: Detlef Placzek, Leiter des vergangene Woche ins Leben gerufenen „Führungsstabs Flüchtlinge“. Er macht sich schon die ganze Zeit über Notizen. Am Rande erklärt er: „Wir im Führungsstab versuchen, das Thema Flüchtlinge über die verschiedenen Ministerien hinweg zu koordinieren.“ Im Schulzelt spricht Dreyer offen: „Wir werden permanent mit neuen Dingen konfrontiert“ und: „Wir müssen jeden Tag neue Prioritäten setzen.“ Für das Wochenende seien wieder 300 bis 400 Flüchtlinge in Rheinland-Pfalz erwartet worden, einige von ihnen auch in Kusel. Bleibt es angesichts der aktuellen Flüchtlingszahlen bei maximal 700 Flüchtlingen auf dem Windhof? Dreyer: „Wir werden alles daran setzen, unsere Zusagen einzuhalten. Aber bei dem Zustrom muss man neu reden.“ Noch immer seien auf der sogenannten Balkan-Route viele Menschen mit Ziel Deutschland unterwegs. Zum Abschied lobt Dreyer: „Toll, dass sie alle so positiv sind.“ (bgi)

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