Kusel Landrat? „Derzeit keine Option!“

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Wir machen heute ein Abschlussinterview – lassen Sie das kurz auf sich wirken. Wie fühlen Sie sich dabei?

Meine Gefühlslage habe ich in den letzten Tagen so richtig definiert, und da kam mir das Motto des Lutherjahres im Saarland gelegen: der Titel eines Gedichts von Hans Dieter Hüsch, „Vergnügt, erlöst, befreit“. Das habe ich gelesen und gedacht: Mensch, Karl-Heinz, das ist es. Alles positive Schlagworte ... Vorm 1. September dachte ich, sobald die Erklärung raus ist, dass ich nicht mehr antrete, fällt mir ein Stein vom Herzen. So war es aber nicht – es wurde erst nach und nach jeden Tag ein Stück leichter. Als Sie vor 16 Jahren erstmals angetreten sind, waren Sie für einen Verbandsbürgermeister recht jung. Warum wollten Sie damals die Aufgabe übernehmen? Das war keine lange geplante Aktion. Es war einfach die Überlegung: Wer wird mein neuer Chef? Es gab drei Kandidaten, und ich war nicht sicher, ob die für mich eine super Lösung sind. Dann wurde ich von meinem Vorgänger Manfred Hofstätter angesprochen, ob ich mich nicht bewerben wolle. Und ich dachte mir: Das mache ich! Es war eine sehr spontane Entscheidung. Das mit dem Alter wird mir jetzt bewusst: Christoph Lothschütz ist mit 47 auch noch ein junger Mann, und da begann schon fast meine zweite Amtszeit. Inwieweit haben Sie in den 16 Jahren das umgesetzt, was Sie machen wollten? Meine Zusagen waren, keinen Büroleiter zu installieren und meine überparteiliche Einstellung beizubehalten. Beides habe ich erreicht. Was haben Sie geschafft, worauf Sie stolz sind? Schwerpunkt für mich und den Rat waren die Schulen. Wenn man die in den 90er Jahren und heute betrachtet, dann hat sich gravierend viel verändert. Sie sind baulich in einem Top-Zustand und pädagogisch zeitgemäß – insbesondere durch die Nachmittagsbetreuung. Dazu haben wir die IGS geschaffen, an der wir in zwei Jahren ein vollwertiges Abitur bekommen. Beim Hochwasserschutz, vor allem in Brücken und Schönenberg, haben wir deutliche Verbesserungen herbeigeführt. Als spektakulär ist zu bezeichnen, dass wir in einer strukturschwachen VG in einer strukturschwachen Region mit dem Gewerbegebiet in Schönenberg-Kübelberg einen Wandel herbeiführen konnten – auch daran waren aber natürlich ganz viele beteiligt. Das war das Wichtigste? Und dann zum Abschluss, was auch nicht unbedingt zu erwarten war: Wir haben einen soliden Haushalt, die VG und ich verabschieden uns mit einer kräftigen Umlagesenkung von den Ortsgemeinden und mit einer Senkung des Wasserpreises in 2016 von den Bürgern. Das ist dann sozusagen unsere Erfolgsgeschichte in Zahlen ausgedrückt. Was bleibt negativ hängen? Eigentlich weniger. Es gibt sehr schlimme, unangenehme Momente, die bleiben; gescheiterte Projekte aber eher weniger. Außer: Mein Wunsch zu Beginn meiner Amtszeit war, dass wir eine Förderung in Anspruch nehmen für nachhaltiges Wirtschaften. Das wurde vom Rat damals abgelehnt mit dem Hinweis, die nachhaltige Politik finde in den Ortsgemeinden statt. Das hat mich überrascht und ein bisschen verbittert, dass man der VG diese Betrachtungsweise entzogen hat. Ich hab’s dann trotzdem gemacht, auch ohne Ratsbeschluss, aber nicht im Rahmen eines Projektes. Was sind diese schlimmen oder unangenehmen Momente? Das ist der Verlust von Menschen, etwa unseres Beigeordneten Ernst Molter. Dann gab es Naturkatastrophen wie vor zwei Jahren den Tornado, der Häuser abgedeckt und am Ohmbachsee eine Schneise der Verwüstung hinterlassen hat. Oder der Brand bei der Firma Closter. Gibt’s andere Dinge, von denen Sie sagen: Die haben mich geprägt? Man lernt Demut als Bürgermeister: vor dem Willen des Bürgers, vor den Entscheidungen des Rates, und weil es Sachen gibt, die man einfach nicht ändern kann. Das ist auch etwas, was das Amt so anstrengend macht: dass Höhenflüge und schlimme Ereignisse sehr dicht aufeinander folgen. Das ist auf Dauer sehr zermürbend. Das ist aber nichts, was Bürgermeister exklusiv betrifft. Aber in dieser Dichte und in dieser Höhe der Amplitude schon, so habe ich es empfunden. Dieses Auf und Ab hat bei mir den größten Verschleiß verursacht. Sie haben bei den negativen Erlebnissen nicht die Zeit angesprochen, in der gezankt wurde, wer fürs letzte halbe Jahr Beauftragter der VG wird. Da ist die Frage, welches Stadium. Zuerst war es eine schöne Sache, dass ich vom Gesetz her die Möglichkeit hatte, über das Ende meiner Amtszeit hinaus die VG zum Abschluss zu führen. Diese Provinzposse von Dr. Hirschberger war ein Misston, aber dann zu erleben, dass die Bevölkerung geschlossen hinter ihrem Bürgermeister steht, das war ein gutes Gefühl. Diese Bestätigung hat die kurze Zeit der Enttäuschung übertüncht. Sie sagen, die Entscheidung, erstmals zu kandidieren war sehr spontan gefallen. Wie lange musste die Entscheidung reifen, jetzt nicht mehr anzutreten? Es stand von Anfang an fest, dass zwei Amtszeiten genug sind. Demokratie verleiht Macht und Ämter auf Zeit, mir erscheint der Zeitraum von 16 Jahren als optimal. Dann kam aber die Fusion und mit ihr die Überlegung: Wäre das nicht doch ein Anlass weiterzumachen? Das war ein langer innerer Kampf: die einmalige, spannende Herausforderung, dieses riesige Gestaltungspotenzial mit Leben zu füllen, oder aber bei meinem Grundsatz zu bleiben. Wir wissen, wie der Kampf ausging ... Da war die Erkenntnis, die Fusion geht in eine gute Richtung. Wir konnten uns gegen das Land durchsetzen, gegen den Professor (Gutachter Junkernheinrich, Anmerkung der Redaktion) und gegen den Landrat. Wir haben nun eine gute Konstellation, wir haben den richtigen Zeitpunkt, und wir haben alle Schritte eingeleitet, damit alles gut funktionieren kann. Wir waren uns mit Klaus Schillo und Rudi Agne einig über das weitere Vorgehen. Politisch war es akzeptiert, die Bevölkerung hat es akzeptiert, und als dann noch ein geeigneter Nachfolger bereit stand, war klar: Das ganze Schiff fährt auch ohne mich. Auch ohne Fusion wären Sie also nicht noch mal angetreten? Nein, es gibt zu viele Beispiele, die dem Fluch der langen Amtszeit erliegen. Das wollte ich mir und den Leuten nicht zumuten. Sie sprachen von Ihrem Nachfolger. Sie haben ein sehr enges Verhältnis, Christoph Lothschütz sagt auch, dass er durch die Arbeit bei Ihnen geprägt ist und vieles so weitermachen möchte – vor allem Bürgernähe und offene Türen für alle. Das hatten Sie sich ja auch von Anfang an auf die Fahnen geschrieben, hat es aus Ihrer Sicht funktioniert? Ja, ohne Einschränkung. Und wird das Ihr Nachfolger in einer viel größeren VG problemlos fortsetzen können? Ich denke, ja. Offene Türen sind eine Frage der Haltung. Wenn man sich mit so etwas schwertut, dann scheitert es; aber wenn man es möchte, ist es ganz leicht. Es ist besser, mit den Menschen zu arbeiten, als sich zu verstecken. Christoph Lothschütz ist ein aufgeschlossener Mensch, der Kritik verträgt, der spontan ist – der schafft das. Wie stellen Sie sich jetzt die Zeit als Ruheständler vor? Am Anfang sind wir erstmal viel unterwegs. Wir sind in Amerika, in Malta, in Andalusien. Ab März werden wir uns Gedanken machen um unsere neue Wohnung in Schönenberg-Kübelberg ... Sie gehen nicht zurück nach Berlin? Nein, wir kaufen uns hier eine Wohnung. Da müssen wir Bad und Küche planen, das wird Energie saugen. Das Schöne ist: Ich muss nichts tun, ich kann. Wenn ich den Wunsch habe, etwas zu tun, will ich an drei, vier Tagen im Monat als Mediator oder Coach arbeiten. Ich bin Repräsentant in Rheinland-Pfalz der deutschen Stiftung Mediation, das ist ein dankbares Ehrenamt. Außerdem bin ich Vorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins, das musste ein bisschen zurückstehen in den vergangenen Monaten. Nicht zu vergessen meine Familie, insbesondere meine Frau musste in den letzten 16 Jahren auf einiges verzichten. Ich glaube, es gibt ein Leben außerhalb des Rathauses, und darauf freue ich mich. Sie bleiben also im Kreis Kusel. Dort gibt es ja noch andere lohnende Aufgaben außer Baumschnittkursen ... Zum Beispiel ...? Da kann ich mir nichts vorstellen (lacht). Nein, ernsthaft: Ich kann mir derzeit nicht vorstellen, mich noch mal in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu begeben. Morgens um 8 raus zu müssen, auf Termine hetzen zu müssen, Sitzungen besuchen zu müssen. Da ist mein Bedarf gedeckt. Sie wollen mir aber nicht weismachen, sie hätten nie darüber nachgedacht, ob es politisch weitergeht? Als Landrat zum Beispiel? Nachgedacht ja, natürlich. Auf VG-Ebene ist klar, da ziehe ich mich zu 100 Prozent raus, habe auch keine Verlustängste oder ähnliches. Die politischen Ämter, die demnächst zu besetzen sind – im Kreis zum Beispiel –, hätten bestenfalls Charme als Konkursverwalter oder als Verantwortlicher, um einen Fusionsprozess voranzubringen. Aber das steht, glaube ich, derzeit nicht auf der Tagesordnung, insofern ist das auch keine Option für mich. Sie haben aber vor 16 Jahren schon mal eine nicht unbedingt florierende Kommune übernommen. Sie scheinen also Spaß daran zu haben. Das hat mir damals sehr großen Spaß gemacht, ja. Heute nicht mehr. Ich bekomme von Ihnen aber auch kein eindeutiges und endgültiges Nein zur Kandidatur als Landrat? Ich kann sagen: Momentan ist es keine ernsthafte Option. Sie wollen also nur noch interessierter Beobachter sein, etwa bei der Entwicklung der neuen VG? Ich wohne im Oberen Glantal und bin sehr interessiert an der Entwicklung. Als ganz normaler Bürger, einer von 30.000. Und Sie können Ihrem Nachfolger guten Gewissens versprechen, dass Sie nicht im Rathaus anrufen? Wenn ich gefragt werde, gebe ich gerne Antwort, ansonsten halte ich mich raus. Ich werde mal sehen, was das Leben sonst noch so zu bieten hat ... |tmü

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