Kusel Westpfalz-Gedanke muss stark werden

Verabschiedet sich in den Ruhestand: Chef der Arbeitsagentur Kaiserslautern, Hans-Joachim Omlor.

Interview: Zehn Jahre lang war Hans-Joachim Omlor Chef der Arbeitsagentur in Kaiserslautern. Davor war er unter anderem zwölf Jahre lang in der Führung des Arbeitsamts Pirmasens. Morgen geht er in Ruhestand. Er und unser Redakteur Wolfgang Pfeiffer kennen sich beruflich seit mehr als 20 Jahren. Herausgekommen ist ein etwas anderes Abschiedsinterview.

Herr Omlor, man redet über die Rente mit 70 und Sie gehen mit 62 in Ruhestand. Sie hätten doch noch ein Weilchen was arbeiten können ...

Moment, ich bin schon 63. Ich bin sozusagen bereits im 64. Jahr. Ändert nichts daran, dass Sie länger hätten arbeiten können. Können schon, aber nicht müssen. Ich war immer so unterwegs, dass ich das Ende selbst bestimmen wollte. Der richtige Zeitpunkt für mich ist jetzt. Man darf nicht vergessen, dass man ein wenig in die Jahre kommt und noch andere Pläne hat. Aber Sie sind doch bei einer Behörde, nicht in der freien Wirtschaft. So stressig ist es da doch nicht ... Ich hab’s geahnt, dass Sie mit solchen Fragen kommen. Ich wusste, dass unser Gespräch anders verläuft als bei Ihren Kollegen ... Wieso? Na ja. Wir kennen uns schon so lange und haben so viele Gespräche über Arbeitsmarkt geführt. Das war immer etwas anders, wenn wir uns getroffen haben. Ich habe mich gefreut, weil ich wusste, dass bei aller Sachlichkeit unser Gespräch immer von gegenseitiger Wertschätzung und sehr viel Humor geprägt sein würde. Und ich war bei Ihnen immer besonders angespannt, weil ich nie wusste: Was packt denn der Pfeiffer wieder für überraschende Fragen aus? Das können Sie ruhig auch so schreiben. So schlimm war’s doch nicht mit den überraschenden Fragen ... O doch. Ich erinnere mich an einen Termin zum Ausbildungsmarkt in Pirmasens, als Sie die Zahlen hinterfragt und den dortigen Arbeitsamts-Chef Kratz, der sonst immer so cool war, derart ins Schwitzen gebracht haben, weil statistisch plötzlich Bewerber fehlten. Wir hatten das selbst so noch nicht hinterfragt, und ich war damals heilfroh, dass ich mich zurücklehnen und mir denken konnte: Gottseidank ist das nicht mein Thema ... Der Termin ist bei mir im Gedächtnis hängengeblieben. Was hält Sie denn vom weiteren Arbeiten ab und zieht Sie vorzeitig in den Ruhestand? Vor allem die Familie. Die Kinder und die Enkelkinder. Drei sind schon da, das vierte ist unterwegs. Da werde ich Aufgaben haben. Schon jetzt kommt immer mal wieder die Frage: Opa, wann bist Du denn wieder da? Also haben Sie schon feste Pläne ab Freitag? Ich will endlich mal die Dinge tun, zu denen ich nie gekommen bin. Bekanntschaften pflegen zum Beispiel. Und mal ne Motorradtour mit Ihnen machen ... Wir hatten so oft darüber gesprochen. Zu spät, meine Maschine ist schon ne ganze Weile weg. Aber Sie haben Ihre noch, die Sie sich ja bereits in fortgeschrittenem Alter gekauft haben? Ja, die ist sozusagen sofort startbereit. Aber zuerst die Familie, damit Ihnen so ohne Arbeit nicht langweilig wird. Ja, durch die Enkel haben meine Kinder für ein Übergangsmanagement ihres Vaters gesorgt. Außerdem werde ich deren Facilitymanager ... Deren was? Ja, ich werde bei den Liegenschaften helfen. Offenbar wird man im öffentlichen Dienst doch reich ... Nein, das sind deren Liegenschaften, nicht meine. Ich kann Sie mir irgendwie nicht handwerklich oder im Garten tätig vorstellen. Sie würden sich wundern. Vor allem der Garten ist schon immer mein Ein und Alles. Fragen Sie meine Frau: Ich bin oft nach dem Heimkommen noch mit der Dienstkleidung mit Jackett und Krawatte auf die Leiter gestiegen, um etwas abzuschneiden, was mir da plötzlich aufgefallen ist. Dennoch: Mit fehlt die Vorstellungskraft: Sie über die Erde gebeugt und Unkraut zupfend. Oh, doch. Ich habe gerne dreckige Hände. Das ist was Wunderbares. Und Ihre Frau hat sich schon darauf eingestellt, dass Sie nun den ganzen Tag zu Hause sind? Hat sie Ihnen Arbeitspläne gemacht? Ja, sie hat bereits eine To-do-Liste für mich erstellt. Da steht einiges drauf. Wir müssen da jetzt in intensive Verhandlungen treten ... Die für Sie erfolglos enden werden ... (lacht) Das steht zu befürchten. Meine Frau hat mich fest im Griff, und ich werde nur hinhaltenden Widerstand leisten können. Das wird ein frustrierender Anpassungsprozess für mich. Na ja, sowas kennen Sie ja. Erfolglose Anpassungs- und Reformprozesse. Wie damals, als sich das Arbeitsamt mit dem Konzept „Arbeitsamt 2000“ modernisieren wollte. Das ist zu lange her. Daran kann ich mich nicht mehr erinnern. (grinst) Fein rausgewunden ... (grinst noch mehr) Wissen Sie, jede Veränderung hat einen Sinn. Man lernt etwas daraus, wenn man das Gute aus dem Bisherigen in das Neue einbringt. Und was hat die Reform vom Arbeitsamt zur Agentur für Arbeit gebracht – außer dem anderen Namen? Das war schon eine sehr tiefgreifende Änderung, die nicht nur einen neuen Namen, sondern auch den Dienstleistungsgedanken in den Mittelpunkt gerückt hat. Die frühere Amtsmentalität ist seither verschwunden und der Begriff des Kunden ist nach vorne gebracht worden – egal ob es sich nun um den Kontakt mit Arbeitgebern, Arbeitnehmern oder Arbeitslosen handelt. Man hat verinnerlicht, dass man stets die bestmögliche Dienstleistung zu bringen hat. Hätten Sie in der alten Amtsstruktur überhaupt Chef werden können oder hätte es an Formalien gefehlt? Ja, hätte ich. Ich hatte eineinhalb Jahre lang das Aufstiegsverfahren absolviert, unter anderem in Schwerin. Und in Schwäbisch Hall. Stimmt. Selbst dort war ich nicht vor Ihnen sicher, als Sie anriefen und von mir wissen wollten, ob ich Chef in Kaiserslautern werde. Sie sind im Prinzip jetzt zum zweiten Mal in Kaiserslautern. Sie waren vorübergehend mal weg und haben die Agentur in Neunkirchen/Saar geleitet. Ja. Das war damals ein Fehler, das muss ich im Nachhinein eingestehen. Es war damals verlockend, nach Neunkirchen zu gehen, weil ich nicht weit entfernt wohne – obwohl damals schon das Thema Fusion im Hintergrund schwelte. Ja, diese Entscheidung war falsch, und ich bin froh, dass sich dann nochmals der glückliche Umstand ergab, nach Kaiserslautern zurückkehren zu können. Was nagt sonst noch an Ihnen? Dass Kusel die gemeinsame Arge beendet und ein eigenes kommunales Jobcenter eingerichtet hat? Ja. Auch das. Das war ein schmerzhafter Ablöseprozess. Und es schmerzt mich heute noch, dass meine Überzeugungskraft nicht groß genug war, den Kreis Kusel weiter für die gemeinsame Einrichtung zu gewinnen, in der man die Kräfte und die verschiedenen Kompetenzen bündeln und erfolgreich arbeiten kann. Das zeigen unsere fünf gemeinsamen Einrichtungen. Und das zeigt sich gerade auch jetzt beim Thema Flüchtlinge, wo die verschiedenen Ebenen beim Thema Integration zusammenspielen und zusammenspielen müssen, damit Integration gelingen kann – zuerst natürlich die Kommunen, später dann auch wir. Hier betreiben auch die Kommunen aktive Arbeitsmarktpolitik, und davor habe ich allergrößten Respekt. Ihr Verhältnis zu Landrat Winfried Hirschberger gilt auch nicht als das beste ... Ach, wissen Sie. Es geht doch darum, dass man sachlich zusammenarbeitet. Und ich denke, das haben wir als Agentur auch nach der Kuseler Entscheidung gezeigt. Die Berührungspunkte mit dem Jobcenter sind ja nach wie vor groß. Sie waren stets ein Verfechter der großräumigen Arbeitsmarktbetrachtung. Nun hatten Sie ja auch nach der Fusion mit Pirmasens Ihre Arbeitsagentur Westpfalz. Ja, ich halte nichts davon, immer nur in Gebietskörperschaften zu denken und sich zu vergleichen. Dafür sind die Menschen viel zu mobil. Ist die Westpfalz denn in Ihren zehn Jahren vorangekommen? Schon ein ganzes Stück. Schauen Sie mal: Aktuell liegen wir bei der Arbeitslosenquote bei 6,4 Prozent – das ist vorzeigbar, das ist kaum schlechter als der Bundesschnitt. Auch der inzwischen gegründete Verein Zukunftsregion Westpfalz hat Vieles geleistet und hilft, die Westpfalz in der Konkurrenz der Regionen zukunftsfähig zu halten. Die Westpfalz müsste nur mehr Selbstbewusstsein haben und sich auf ihre Stärken und ihre Zukunftsfähigkeit besinnen. Das muss sie auch aussprechen. Immer wieder. Sind wir beim Westpfalz-Gedanken so weit, wie Sie das erhofft haben? Leider nein. Man muss sie viel mehr als Ganzes begreifen; mit unterschiedlichen Gebietskörperschaften, die ganz unterschiedliche Stärken mitbringen. Die Hartz-Gesetze, die ja auch für die Umstrukturierung der Arbeitsagentur und die Gründung der gemeinsamen Einrichtungen gesorgt haben, stehen immer wieder in der Kritik. Waren/sind sie falsch? Dafür bin ich zu wenig Politiker, um dazu etwas zu sagen. (grinst) Was ich sagen kann: Die Jobcenter sind finanziell so gut ausgestattet, dass jeder, der mitmachen und seine Situation ändern will, das mit unserer Unterstützung auch kann. Das kann zum Teil sehr lange dauern mit der Qualifizierung, aber die entsprechende finanzielle Ausstattung ist da. Aber man muss leider auch sagen, dass nicht jeder kann oder will. Sie scheiden aus dem Amt, können also fast alles sagen, was Sie wollen, ohne Konsequenzen tragen zu müssen. Was wünschen Sie der Region? Ganz wichtig: Das Glas ist halb voll, nicht halb leer. Wir sind besser, als wir manchmal selbst glauben und sagen. Das ist alles? Und dass wir der dualen Ausbildung wieder mehr Aufmerksamkeit schenken. Bundesweit, und bei uns ist das kaum anders, machen 54 Prozent eines Schuljahrgangs Abitur und wollen studieren. Dann bleiben nur noch 46 Prozent für die duale Ausbildung. Doch gerade wir in der Westpfalz mit unseren vielen kleinen Betrieben werden die gut ausgebildeten Fachkräfte in Zukunft dringend gebraucht. Sie sprachen von „wir“. Aber Sie sind doch Saarländer ... Ich arbeite seit über 20 Jahren in der Pfalz, ich habe eine pfälzische Frau – ich bin also mehr Pfälzer als Saarländer. Da kann ich das ruhig sagen. Außerdem habe ich, neben meiner alten Liebe FC Homburg, noch große Zuneigung zu einem bekannten pfälzischen Zweitligaverein. Sagen Sie bitte Profiverein, das klingt besser als Zweitligist. Das können Sie ja beim Schreiben noch ändern. (lacht)

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