Wochenendkolumne „Geldsegen“ und pfiffige Ideen: Die Grünen in Mainz entdecken den Kreis Kusel

weißer fleck kopie

Die Landesregierung zwackt Geld für darbende Landstriche ab. Dass die Grünen auf das „Regionale Zukunftsprogramm“ ein Lied anstimmen und ihre Lobpreisung gar bis in den Kreis Kusel schallen lassen, ist Thema unserer Kolumne „Nebenbei bemerkt ...“.

Hurra, sie leben noch! Seit Donnerstag haben wir es schwarz auf weiß: Die Landes-Grünen haben sich gemuckst und auch im Landkreis Kusel mal eben daran erinnert, dass sie zur Mainzer Regierungskoalition zählen. Ziemlich genau zwei Jahre haben die Grünen gebraucht, um den weißen Fleck auf der Landkarte zu bemerken.

Im Oktober 2022 hat Andreas Hartenfels Partei und Fraktion den Rücken gekehrt, inzwischen beim Bündnis Sahra Wagenknecht eine neue politische Heimat gefunden. Während Hartenfels seither nicht müde wird, das Wirken der Landes-Ampel zu kritisieren, haben seine ehemaligen Mitstreiter den Kreis Kusel offenbar vergessen. Oder womöglich nie gekannt? Auf alle Fälle neu entdeckt: Die im Nachbarkreis um den Donnersberg beheimatete Lisett Stuppy erweist dem Kuseler Land die Ehre, indem sie via E-Mail frohe Kunde bringt.

Stuppy? Nie gehört? Die 36-Jährige aus Rüssingen ist nach der Landtagswahl 2021 ins Parlament eingezogen – als Nachrückerin für Anne Spiegel, die als angehende Ministerin auf ihr Mandat verzichtete, um später nach Berlin zu gehen und als Bundesfamilienministerin kläglich an den Nachwehen ihrer Rolle bei der Ahrtal-Katastrophe zu scheitern. Spiegels Mandats-Erbin hatte sich auf die Fahne geschrieben, als „Lobbyistin für den ländlichen Raum“ zu agieren und sich vor allem für die Verbesserung der finanziellen Ausstattung einzusetzen. Nimmt man nun als Maßstab, dass sich die abgrundtief miserable Finanzlage zusehends verschärft, ließe sich ihr hehres Ansinnen – aus Kuseler Sicht – als krachend gescheitert betrachten.

Jetzt aber verkündet Stuppy, dass der Kreis Kusel in erheblichem Umfang von dem jüngst aufgelegten Förderprogramm profitiere, dass 12,8 Millionen Euro in die Kasse von Kreis und Verbandsgemeinden spüle. 200 Millionen macht das Land locker, um hier und dort einige Tröpfchen auf heiße Steine zu träufeln. Wie die SPD-geführte Landesregierung ungeniert behauptet, werde sie damit „die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse weiter ausbauen“. Das klingt geradezu dreist, soll die Formulierung doch wohl weismachen, dass sich die Lebensverhältnisse in blühenden Regionen Rheinhessens und in der armen Westpfalz fast auf gleichem Niveau eingependelt hätten.

Absurde Tipps gibt’s gratis

Wie realitätsfern-verklärt der Blick aus dem Wolkenkuckucksheim der Regierungskaste hinaus in die westpfälzische Ferne offenbar ist, zeigt sich an einem absurden Vorschlag zur Verwendung des Geldes: Die Kommunen könnten doch etwa in Spielanlagen und neue Bewegungsräume in Kitas und Schulen investieren. Tolle Idee. Einige Gemeinden stecken in einer derart desaströsen Lage, dass sie kaum mehr den Betrieb ihrer Kitas – in denen das überbelastete Personal vorm Zusammenbruch steht – aufrechterhalten können. Das aber wird (mal wieder) ignoriert. Stattdessen gibt’s wohlfeile Tipps, wie in luxuriösen Firlefanz zu investieren sei.

Übrigens unterbreiten die Grünen eigene Vorschläge, was man mit dem Geldsegen Schönes tun könnte. Die pfiffigste Idee: barrierefreier Ausbau von Bahnhöfen. Genau das ist so ziemlich das einzige, was der an chronischen Mangelerscheinungen leidende Landkreis Kusel nicht (mehr) braucht.

Sollte sich Lisett Stuppy je hierher verirrt haben, ist es uns leider entgangen. Sie muss ja auch nicht kommen – ist ja nicht ihr Wahlkreis, deshalb sei es ihr nachzusehen. Ebenso lässlich ist der Lapsus mit den barrierefreien Bahnhöfen, der auf allzu sorgloses Copy & Paste (kopieren und einfügen) zurückzuführen ist. Gleichlautende Erklärungen, bei denen jeweils nur die Namen der vom Segen profitierenden Orte und die Summen ersetzt wurden, hat die Grüne nämlich noch in andere Ecken der Westpfalz gesandt.

Die Ironie an der Geschichte: Der Bahnsteig-Ausbau ist ja ein Ausfluss der wirklich (Vorsicht: keine Ironie) vorbildlichen Nahverkehrsstruktur im Land – um die sich die Grünen immens verdient gemacht haben. Dass auf der Lautertalbahn Rollstühle wie Kinderwagen auf neuen Bahnsteigen nicht in veraltete Züge kommen (so denn überhaupt welche fahren), dafür können die Grünen nichts. Die Verkehrswende aber droht zu scheitern – auch, weil die Ampel in Berlin mit ihrer Haushaltsakrobatik (Stichwort Schienenmaut) bewirkt, dass über manche Bahnlinie im ländlichen Raum wohl bald schon Gras wächst.

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